/Prozess in Münster gegen SS-Wachmann: „Dachte, Tote seien nur krank!“

Prozess in Münster gegen SS-Wachmann: „Dachte, Tote seien nur krank!“

Vierter Prozesstag im Fall um die juristische Aufarbeitung der mörderischen Verbrechen im KZ Stutthof. Angeklagt ist Dr. Johann R. (94) aus dem Kreis Borken. Vorwurf: Beihilfe zum hundertfachen Mord. Er war damals von 1942 bis 1944 als SS-Wachmann in Stutthof eingesetzt.

Münster – In seiner Einlassung hatte R. vor dem Landgericht Münster gesagt, von systematischer Tötung in dem Lager nichts mitbekommen zu haben. Am Donnerstag sollten Fragen auf seine Einlassung beantwortet werden. Es gab Sorgen um seinen Gesundheitszustand. Ein Gutachter: „Ich halte ihn momentan für verhandlungsfähig.“

► Dann hat sein Verteidiger die Antworten auf dessen Einlassung verlesen. R. hatte in ihr angegeben, dass der Gestank im Lager niemandem verborgen blieb. Das solle konkretisiert werden. R.: „Der unangenehme Gestank, der vom Krematorium ausging, war sehr schwer zu ertragen. Es gab auch zu meiner Zeit viele Tote. Wer das war, woran sie verstorben sind, ob darunter Juden waren – das kann ich nicht sagen!“


Johann R. im Jahr 1945 als Kriegsgefangener der US-Armee
Johann R. im Jahr 1945 als Kriegsgefangener der US-Armee

Das Gericht wollte auch wissen, ob er nachgefragt hätte, sich vom KZ-Dienst versetzen zu lassen. Die Antwort von R.: „Mein Eindruck war, dass die Offiziere nicht geneigt waren, Rücksicht auf Wünsche von uns Rekruten zu nehmen. Daher erübrigte es sich, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Das stand gar nicht zur Debatte, sich gegen das deutsche Regime aufzulehnen.“

Der Angeklagte hatte in seiner Einlassung davon gesprochen, dass die Zustände gegen Ende seiner KZ-Zeit in Stutthof immer schlimmer geworden wären. Auch hier wollten die Richter weitere Ausführungen hören. R.: „Es gab Bauarbeiten und das Lager wurde immer weiter ausgebaut. Es kamen immer mehr Häftlinge. Das hat sicher dazu beigetragen, dass sich ihre Situation verschlechtert hat, die Zustände immer schlimmer wurden.“ Gefangenen-Transporte habe er nicht gesehen. Eine entsprechende Frage der Richter beantwortete er mit drei Worten: „Nein. Nie beobachtet.“


Besucher gehen am Eingang des Stutthof-Museums in Sztutowo (Polen) vorbei, in dem an die Verbrechen im ehemaligen KZ Stutthof erinnert wird
Besucher gehen am Eingang des Stutthof-Museums in Sztutowo (Polen) vorbei, in dem an die Verbrechen im ehemaligen KZ Stutthof erinnert wirdFoto: Piotr Wittman / dpa

Da der Angeklagte nur zwei Stunden pro Prozesstag vernommen werden darf und bislang erst ein Teil der Fragen beantwortet wurden, werden sie am kommenden Dienstag fortgesetzt.

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