/“Tatort” Luzern: Die Luchse machen sich bereit

“Tatort” Luzern: Die Luchse machen sich bereit

Es gibt im ARD-Sonntagabendkrimi keine Kleinen mehr. Der Tatort in Frankfurt sucht nach den überzeugenden Vorstellungen der Dellwo-Sänger-Jahre und des Conny-Mey-Fränkie-Steier-Hochs mit Brix und Janneke noch immer seine Form, wie am zweiten Weihnachtsfeiertag erst wieder zu besichtigen war. Derweil präsentiert sich die lange belächelte Schweiz mit Friss oder stirb (SRF-Redaktion: Lilian Räber) einmal mehr als Aspirant für den internationalen Wettbewerb.


"Tatort" Luzern: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Die Geschichte der neuen Luzerner Folge (Buch: Jan Cronauer nach einer Idee des 2016 verstorbenen Matthias Tuchmann und Cronauers selbst) ist über große Strecken ein anregendes Spiel mit den Versatzstücken des Genrefilms. Im ansehnlichen Haus des reichen Managers Anton Seematter (Roland Koch) laufen bald die anfangs unübersichtlichen Fäden der Handlung zu einem durchaus auch komischen Kammerspiel zusammen.

Zum einen schaut Mike Liebknecht (Mišel Matičević) vorbei, Angestellter einer Bremerhavener Firma, der durch den neuesten Deal von Seematter mit chinesischen Zulieferern die Arbeitslosigkeit fürchtet. Liebknecht will als Arbeiterführer seiner selbst den absehbaren Lohnausfall ausgezahlt bekommen und nimmt dazu die Seematter-Gattin Sofia (Katharina von Bock) und -Tochter Leonie (Cecilia Steiner) als Geiseln, bevor der Hausherr und Kontoinhaber eintrifft. Die Verhandlungen über die privat erzwungene Abfindung werden dann allerdings gestört durch Flücki Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer), die am Anwesen klingeln, weil das Seematter-Auto Spuren beim Mord an einer Unidozentin hinterlassen hat.

Dieser Teil ist zweifellos der spannendste des Films, weil Regisseur Andreas Senn die Versuchsanordnung aus dem Buch mit Witz und Sinn für Rhythmus durchspielt. Dem Seematter-Anton gelingt es nicht, die Polizisten abzuwimmeln (auch, weil das schicke Auto sich durch Unfallspuren verdächtig macht), der Gang ins Haus endet für Flücki und Liz Ritschard aber erst mal in der Sackgasse eigener Handlungsfähigkeit. Liebknecht hat nun zwei Geiseln mehr.

Die karnevaleske Szene (die Polizei wird verhaftet, statt selbst zu verhaften) wird durch Danny Boy in der Version von Johnny Cash beruhigt. Was schön zeigt, wie viele Möglichkeiten das filmische Erzählen bietet: Die Frage, wie es sein kann, dass die Polizei in ungewohnter Rolle auftritt, wird durch ein Lied über den Abschied (von polizeilicher Autorität) beantwortet. Nicht ohne Humor ist weiterhin, wie Liebknecht, weil die beiden Ermittler nicht reden wollen, durch Liz Ritschards Notizbuch die Befragung von Seematter übernimmt, um herauszufinden, was die beiden Polizisten im Haus seines eigenen pekuniären Interesses suchen.

Es folgt ein interessanter Move der Seematter-Gattin, die dem Geiselnehmer Material zur Erpressung des Gatten in Aussicht stellt – ihm dann aber ein selbst verfasstes Theaterstück aus dem Tresor in die Hand drückt, um ihn kurzzeitig kampfunfähig zu machen. Das bewirkt eine hübsche Choreografie an Selbstbefreiungsversuchen, bei der aufgeregt über das Parkett im Hause Seematter gerutscht wird.

Ein bisschen ist’s wie bei der “Reise nach Jerusalem”, wenn Liebknecht wieder zurück an den Turntables ist – die Plätze werden neu vergeben. Seematters Gattin ist k.o. gegangen, Liz Ritschard hat’s nach draußen geschafft, Flücki und Leonie Seematter werden in den hauseigenen Panic Room gesperrt, nur Anton himself bedeutet fürs folgende Kapitel Gefahr, weil der es an seine Schnellfeuerwaffe geschafft hat.

Dass das ebenfalls actionreich-amüsante Gekloppe zwischen den beiden Männern im Partykeller in buddyhafter Verbrüderung endet, mag als arg freundliche Variation des Stockholm-Syndroms daherkommen – erklärt aber immerhin den nächsten Schritt der Gattin, die, zur Waffe von Liebknecht gekommen, ihren Mann erschießt (wohl in der Vermutung, dass er mit der Unidozentin was hatte) und Liebknecht an-, um der wartenden Kavallerie vor der Tür Theater vorzuspielen.

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