/Der Erfolgreiche bittet um Geduld

Der Erfolgreiche bittet um Geduld

Pünktlich vor Beginn der Vierschanzentournee hat Sven Hannawald noch ein bisschen mehr Schwung in die Trainerdiskussion bei den deutschen Skispringern gebracht. Er schlug Martin Schmitt als Nachfolger von Erfolgscoach Werner Schuster vor, dessen Vertrag nach dem Saisonende ausläuft. Schmitt, 40, verfügt über jede Menge Erfahrung als Springer (Olympiasieger, viermal Weltmeister, zweimal Gesamtweltcupsieger) und die passende Trainer-Ausbildung (Lehrgangsbester an der Sporthochschule).

Er selbst sagt: „Der Trainerjob interessiert mich schon, aber dann müsste ich mich für diesen Weg entscheiden, das Trainer-Handwerk richtig lernen und mit Haut und Haaren dabei sein.“ Momentan ist das nicht der Fall – bei der 67. Vierschanzentournee ist der Schwarzwälder wieder als TV-Experte für Eurosport aktiv und zudem Mitinhaber einer Vermarktungsagentur, die unter anderem Olympiasieger Severin Freund betreut. Zudem findet Schmitt, dass derzeit ganz eindeutig eine Vertragsverlängerung Schusters die beste Option wäre: „Der Verband sollte versuchen, Werner zu halten. Es hängt nur an ihm.“

Schuster, 49, hat einmal gescherzt, „dass ich im Fußball längst abgesägt worden wäre“ – schließlich sind elf Jahre auch im Skispringen fast eine Ewigkeit. Ein weiterer Grund, warum der Österreicher schon seit Monaten um eine Entscheidung kämpft: „Es gibt dabei so viele Dinge zu berücksichtigen. Auf der einen Seite hat meine Familie viel verzichtet in den letzten Jahren, auf der anderen Seite macht es mir eine Riesenfreude, dieses Team weiterzuentwickeln. Wir haben hier perspektivisch so viel aufgebaut in den letzten Jahren. Es gibt wahrscheinlich kein anderes Team, in dem so eine Dynamik ist.“ Am Ende werde es eine sehr persönliche Entscheidung sein. Die nicht während der Tournee, sondern wahrscheinlich in der Zeit bis zur Nordischen Ski-WM in Seefeld (18. Februar bis 3. März 2019) fallen wird.

Trainerfrage schwebt über der Vierschanzentournee

Deshalb schwebt die Trainerfrage über der Tournee und der Ausgang des Skisprung-Grand-Slams könnte auch eine Rolle bei den Überlegungen von Schuster spielen. Schließlich ist der Tournee-Gesamtsieg der einzige Titel, den der Chefcoach in seiner Ära bislang nicht mit seinen Fliegern feiern konnte. Olympiasieger, Weltmeister, Skiflug-Weltmeister, Gesamtweltcupsieger und Nationen-Weltcup-Gewinner – all diese Titel haben Severin Freund, Andreas Wellinger und Co. schon gewonnen. Deshalb würde der Deutsche Skiverband (DSV) auch liebend gern mit dem Erfolgstrainer verlängern.

„Inzwischen haben wir elf grandiose Jahre zusammen erlebt, eine wahnsinnige Erfolgsgeschichte. Wir sind bestrebt, weiter zusammenzuarbeiten. Ich führe die Gespräche, die aber während der Tournee ausgesetzt sind“, sagt Horst Hüttel, beim DSV für Skispringen und Nordische Kombination zuständig. Alternativen zu Schuster hat er (noch) nicht im Blick: „Einen Plan B gibt es nicht, das wäre das falsche Signal. Wir wollen ihn weiter an uns binden. Wenn, dann wäre unser Bestreben, bis Olympia 2022 in Peking zu verlängern.“

Schuster gilt in der Szene als der Trainer, der die im Skispringen wichtigsten Komponenten Trainingslehre, Wissenschaft, Material und Psychologie am besten zusammenbringt. Außerdem kann er als Öffentlichkeitsarbeiter die Sportart perfekt verkaufen. „Alles, was er tut, hat einen roten Faden. Er sorgt für einen guten Spirit in der Mannschaft und schafft es, alle Sportler, Trainer, Physios und Materialexperten zu einem guten Team zusammenzufügen“, sagt Severin Freund.

Der einst als Skispringer eher mittelmäßige Schuster übernahm im März 2008 als Nachfolger von Peter Rohwein eine verunsicherte Mannschaft, in der erfahrene Flieger wie Martin Schmitt die Hauptrolle spielten. „Damals war die Verpflichtung des ersten ausländischen Chefcoachs im Skispringen ein gewagter Schritt, aber ich habe nie an seinen Qualitäten gezweifelt und nach zwei Jahren waren alle glücklich“, erinnert sich Hüttel. Schuster hat in seiner Amtszeit vier neue Flieger zu Weltcup-Siegern gemacht und zehn aufs Podest geführt – das ist in der weltweiten Skisprung-Szene einmalig. Auch in diesem Winter setzten mit Karl Geiger und Stephan Leyhe wieder neue Aufsteiger die Akzente.

Martin Schnitt schlägt eine Alternative vor

Der ausgebildete Psychologe Schuster setzt auf eine stringente Talentausbildung vom Jugendbereich bis ins Nationalteam und auf das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team trotz aller nötigen Konkurrenz. „In dieser hochsensiblen Sportart entscheiden Nuancen. Meine Philosophie ist, dass der emotionale Wohlfühlfaktor sehr wichtig ist. Es macht keinen Sinn, seine Kraft in Grabenkämpfen im Team zu vergeuden. Nur zusammen sind wir stark.“ Aber bleibt Schuster auch künftig Teil dieser Einheit?

Falls nicht, hat Martin Schmitt eine Idee, wer der perfekte Nachfolger wäre: Stefan Horngacher. „Es ist sicher kein Zufall, dass Stefan in Polen immer nur Jahresverträge macht.“ Der Österreicher begleitete Schuster von 2008 bis 2016 in Deutschland als Co-Trainer und wechselte dann als Chefcoach nach Polen. Dort hat Horngacher etwas geschafft, was Schuster (bislang) verwehrt blieb: Er führte den Olympiasieger und Gesamtweltcup-Titelverteidiger Kamil Stoch zuletzt zweimal in Serie zum Triumph bei der Vierschanzentournee.

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