/“Tatort” Frankfurt: Sie hat einfach viel zu hell gebrannt

“Tatort” Frankfurt: Sie hat einfach viel zu hell gebrannt

Eine Frau liegt tot und nackt vor einem verruchten Büroturm in Frankfurt. In dem Turm wohnt der globale Kapitalismus, der unklare Geldströme aus verdächtigen Weltgegenden (Kaukasus) durch fitte “IT-Nerds” (Selbstauskunft) zu prosperierender Finanzindustrie verarbeitet. Den Turmbewohnern geht es so gut, dass sie mit Frauen wie der nackten Toten “High-Class-Sexpartys” (Dialogfetzen) veranstalten.

Im Frankfurter Tatort: Der Turm (HR-Redaktion: Jörg Himstedt, Liane Jessen) geht trotz des erwartbar starken Gegners der gewöhnliche Kommissar an den Start, den Wolfram Koch als Paul “Grand” Brix spielt. Brix muss zumeist allein ermitteln (beziehungsweise mit Kollege Jonas, dargestellt von Isaak Dentler, Dialoge führen), weil Kollegin Janneke (Margarita Broich) zwar zuerst am Tatort war, dann aber zusammengeschlagen in einer Fahrstuhltür aufgefunden wird. Die tapfere Polizistin entlässt sich zwar selbst aus dem Krankenhaus; plausibel wird das aber nur über die Selbstaufopferung, die der Tatort von seinen Protagonisten verlangt. Es geht schließlich gegen den Kapitalismus.


"Tatort" Frankfurt: Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über "Tatort" und "Polizeiruf 110". Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne "Der Obduktionsbericht".

Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Von fern angeschaut ist diese Kompensationsleistung sogar rührend: Eine Geschichte, die von der Ohnmacht gegenüber einem gesichtslosen System handelt, wird mit Empörung gedopt. Brix flitzt aufgekratzt hin und her, ohne je richtig zu ermitteln, weil er es mit dem Bösen schlechthin zu tun hat (“Ihre Wutbürgerattitüde hilft uns überhaupt nicht”, sagt der ihn natürlich behindernde Chef einmal, damit das Engagement vom Kommissar von jeder begriffen wird). Wenn er etwa die Durchsuchung des Turms fordert nach dem Auffinden der Toten, glaubt er schon selbst nicht daran, dass das zu bewerkstelligen sei.

Nicht gezeigt wird, woran der eigentlich normale Vorgang scheitert (Fehlendes Personal? Mangel an politischem Willen? Finstere Mächte?); oder dass jemand wenigstens einmal versuchte, das zu tun, was Polizeiarbeit ausmacht: Leute befragen, Listen durchgehen mit den Menschen, die zur Tatzeit anwesend waren und so weiter.

Das Wissen um die Vergeblichkeit ist von vornherein allen Figuren eingeimpft – und das macht diesen Tatort so schal als Film (Buch und Regie: Lars Henning). Und so sprechend als Versuch der Selbsterkenntnis: Die Empörung, die Brix antreibt, ist Zeichen seiner Ohnmacht. Er kumpelt mit dem Programmierer Bijan (Rauand Taleb) rum wie ein selbstkritischer Fußballtrainer mit seinem E-Jugend-Eleven (“Aber das ist auch nicht meine Stärke”). Der Kommissar wird als gewöhnlicher Tor entworfen, der diese krasse Finanzindustrie-Welt nicht versteht, aber grundsätzlich bereit ist, im Auftrag des Guten gegen sie zu kämpfen.

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