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Feiertage: Weihnachtsdienst ist der beste Dienst!

Liebe Kollegen,

Ende Oktober, als Deutschlands
Führungskräfte sagten, dass es ja jetzt stark aufs Jahresende zugehe und die
Weihnachtsdienste verteilt werden müssten, habt ihr die Hände gerungen und ins
Leere geschaut. So, wie man das früher in der Schule gemacht hat, wenn man auf
gar keinen Fall drangenommen werden wollte.

Ihr habt verhandelt: “Wenn du
Weihnachten arbeitest, übernehme ich zwei deiner Sonntagsdienste.” Ihr habt
alle Ausreden aufgefahren: die Kinder! Die Oma! Wir sind Weihnachten ohne
Internet auf der Alm! Ihr habt nur an euch gedacht. Ich habe mich freiwillig
gemeldet.

Ich habe gesagt: “Also gut, wenn sonst wirklich keiner kann…” Ihr habt ein bisschen
mitleidig und dankend geschaut, aber ich habe gleich gemerkt, dass ihr dachtet:
“Zum Glück bin ich nicht der Depp.” Dabei seid ihr die Veräppelten. Denn
in Wahrheit habe auch ich nur an mich gedacht. Was ihr nicht wisst: Weihnachtsdienst
ist der beste Dienst.

Ich sitze jetzt ergonomisch am ersten
Weihnachtsfeiertag im Bürostuhl und gucke Weihnachten bei Hoppenstedts auf
YouTube. Ihr lest diesen Text auf dem Klo, weil ihr es nicht mehr mit eurer
Familie aushaltet. Denn neben euch am Weihnachtstisch sitzt zum Beispiel eure
Tante, die davon erzählt, dass sie sich mit ihrem Hobby Kerzengießen endlich
selbstständig machen will. Und Opa, der fragt, wie es eigentlich in der Liebe
so läuft. Und die Cousine mit dem nassen Husky. Wie oft habt ihr heute
schon die Augenbrauen hochgezogen, genickt und “Hmm, spannend!” gesagt?

“Was ihr nicht wisst: Weihnachtsdienst ist der beste Dienst.”

Neben mir sitzt
niemand. Ich bin heute ja einer der wenigen im Büro, die Stellung halten. Dafür
steht neben mir ein offenes Bier. Fällt ja eh nicht viel an heute. Denn wir,
Deutschlands Weihnachtsdienstler, haben einen inoffiziellen Nichtangriffspakt
geschlossen: Ich mach nix, wenn du nix machst. Und ihr liegt ja alle im Gänsebraten bedingten Wachkoma auf der Couch. Keiner schließt Verträge ab, niemand braucht nur ganz kurz was, sogar Trump legt die
Füße hoch und twittert etwas Nettes. Und unsere Chefs sind wenigstens einmal im
Jahr entspannt.

Wenn die Flure leer und
alle Schreibtische unbesetzt sind, ist endlich mal Ruhe für die wichtigen
Dinge: Wir Weihnachtsdienstler spielen Kegeln mit leeren Stiftbechern im Flur und
stellen kichernd eure Lendenwirbelstütze um. Wir wählen Germany’s Next
Topbürotasse und essen das Eis, das ihr noch im Sommer im Bürokühlschrank
gebunkert hattet. Oder wir ruhen uns im Homeoffice auf den Lorbeeren aus, die
wir dafür bekommen haben, dass wir den Weihnachtsdienst übernommen haben und gucken
Drei Haselnüsse für Aschenbrödl,
während wir die paar Mails beantworten, die reinkommen.

“Wir, Deutschlands Weihnachtsdienstler, haben einen inoffiziellen Nichtangriffspakt geschlossen: Ich mach nix, wenn du nix machst. “

Denn das ist das Beste
daran, den Weihnachtsdienst zu übernehmen: Man bekommt dafür Beifall von der
Chefin, von den Kollegen und der auf Leistung getrimmten Welt – und hat
gleichzeitig Ruhe von ihnen allen. Die Eltern grummeln, haben aber im besten
Fall Mitleid und schicken Geschenke nach Hause – ohne dass man ihnen beim
Gänsebraten zum dritten Mal erklären muss, warum man immer noch alleinstehend ist.
Damit ich das in den kommenden Jahren genauso machen kann und Oma, Opa, Mama
und Papa nicht merken, dass mein Bedauern darüber, die Weihnachtsschicht
bekommen zu haben, nur Krokodilstränen waren, schreibe ich diesen Text auch nicht unter meinen echten Namen. Nicht, dass es sich in meinem Betrieb noch herumspricht, wie toll es an Weihnachten im Büro ist – und sich plötzlich alle für diese Schicht melden. 

Denn klar, ich vermisse euch
schon ein bisschen, liebe Kollegen. Wir hätten hier im Büro eine herrliche Zeit
haben können. Aber vorbeikommen? Nee, lasst mal. Ich habe das schon im Griff
hier. Genießt die Feiertage,

Euer Weihnachsdienstler

PS: Weil hier so wenig los war, habe ich die
Zeit genutzt, meinen Urlaub im Sommer zu planen und zu buchen. Der
Urlaubsantrag ist schon eingereicht, die Tage in unserem betriebsinternen
System geblockt. Danke, dass ihr im Sommer die Stellung haltet!

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