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Zukunft der EU: Keine Alternative

Matteo Salvini, Viktor Orbán, Marine Le Pen, Alexander Gauland – sie alle wollen ein anderes Europa. Wie sähe dieses Europa der rechtspopulistischen Parteien aus?

Diese
Frage sollte man sich rechtzeitig stellen, denn bei den kommenden
Europawahlen im Mai werden ihnen große Gewinne vorausgesagt. Diese
Parteien werden nicht so stark werden, dass sie an führender Stelle
ihr Europa bauen können. Sie werden aber in den europäischen
Institutionen so viel Gewicht bekommen, dass sie vieles in ihre
Richtung werden lenken können. An Selbstbewusstsein fehlt es ihnen
nicht. Viktor Orbán etwa sagte: “Vor 30 Jahren glaubten wir,
dass Europa unsere Zukunft ist, jetzt glauben wir, dass wir die
Zukunft Europas sind!”

Wohin
also könnte es für Europa mit diesen Politikern gehen?

Den
rechtspopulistischen Parteien ist gemeinsam, dass sie dem jeweiligen
Nationalstaat in allen Belangen die Hauptrolle einräumen wollen.
Ihren Wählerinnen und Wählern versprechen sie, dass sie vor Gefahren schützen werden, die von außen
und innen kommen. Zu diesen Gefahren zählt
beispielsweise Immigration, nicht aber Wladimir Putins Russland. Zu
diesen Gefahren zählen die Brüsseler “Eurokraten”, nicht aber
US-Präsident Donald Trump. Sie wollen jede unerwünschte Einmischung
abwehren, wobei das Unerwünschte ausschließlich sie selbst
definieren wollen. Die Rechtspopulisten bieten sich ihren Wählern
als Schutzmacht nationaler Identität an. Vertrauen gibt es nur
gegenüber den eigenen Leuten. Alle anderen sind potenzielle Gegner.
Das ist ihre Sichtweise. Das ist ihre Haltung.

Die
ideellen Grundlagen der Europäischen Union stehen diesem Denken
diametral entgegen. Die Union ist auf Vertrauen zwischen den
Nationalstaaten aufgebaut. Jedes Mitglied hält sich im Großen und Ganzen an die Regeln, selbst dann, wenn gemeinsame Entscheidungen
kurzfristig Nachteile bringen könnten. Die Rechtspopulisten aber
wollen überhaupt keine Nachteile in Kauf nehmen. Sie möchten jederzeit “Nein!” sagen können, auch wenn sie vertragliche
Verpflichtungen eingegangen sind. Sie nennen das Souveränität.
Donald Trump hat es vorgemacht. Er ist aus allen Verträgen ausgestiegen, die ihm
nicht passten. Das zerstört aber das
Vertrauen, die Grundlage jeder Zusammenarbeit.

Matteo Salvini und Viktor Orbán sind derzeit zwar eng verbunden,
doch in ihrer Beziehung herrscht Misstrauen. Beide wollen ihre Länder “wieder großmachen. Es
werden aber Situationen kommen, in denen der eine nur größer werden kann,
wenn sich der andere auch mal kleiner machen kann. Es können nur
dann alle auf Dauer gewinnen, wenn es die Fähigkeit zum Kompromiss
gibt.

Nehmen
wir das Beispiel Migration: Salvini möchte die Migranten und
Flüchtlinge verteilen, die in Italien ankommen. Orbán lehnt die
Aufnahme auch nur eines Flüchtlings ab. Um aus diesem
Interessenkonflikt herauszukommen, setzen beide darauf, dass man die
Grenzen vollkommen dichtmacht. Wenn keine Flüchtlinge mehr kommen, dann müssen
wir auch keine mehr verteilen – Problem gelöst! Nur, so einfach
ist es nicht. Es werden weiterhin Menschen nach Europa kommen, auch
wenn ihre Zahl viel geringer ist als etwa im Jahr 2015. Die Frage der
Aufnahme und der Verteilung wird sich weiterhin stellen. 

Nehmen wir als weiteres Beispiel die finanzielle Unterstützung für schwächere
Länder: Ungarn und Polen wollen Gelder aus Brüssel beziehen,
Nettozahler wie Italien und Österreich wollen aber weniger nach
Brüssel einzahlen.

Oder das Beispiel
Personenfreizügigkeit: Die osteuropäischen Länder möchten sie
möglichst aufrechterhalten, weil viele ihre Bürgerinnen und Bürger in Westeuropa Arbeit
finden. Nationalistische Parteien im Westen möchten die
Arbeitsmigration einschränken.

Auf
Dauer werden Salvini und Orbán, Le Pen und Gauland diese
gegensätzlichen Interessen nicht übertünchen können. Je mächtiger
sie in der EU sind, desto sichtbarer wird das Dilemma. Es wird
zu heftigen Konflikten kommen, weil diesen Politikern die Kultur des
Kompromisses fremd ist. Das Europa der Populisten wird also ein
instabileres Europa sein, geprägt von missmutigen, argwöhnischen,
aggressiven und eigensüchtigen Nationalstaaten.

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