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Verstaatlichung: Wohnen und Kapitalismus: Passt das zusammen?

Die Wohnungskrise ist in manchen Städten so akut, dass auch radikalere Ideen aufkommen. Hier setzt sich Guido Spars, der seit 2006 das Fachgebiet “Ökonomie des Planens und Bauens” an der Bergischen Universität Wuppertal leitet, mit der Frage auseinander, ob ein staatlicher Wohnungssektor das Problem löst. Der Gastbeitrag ist Teil des Schwerpunkts Wohnen auf ZEIT ONLINE.  

Was würde passieren, wenn wir heute Wohnungen verstaatlichen
würden und der Staat den Wohnungsbau wieder übernehmen würde? Immer öfter
werden solche Forderungen gestellt, um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu
entspannen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. In Berlin will etwa eine
Bürgerinitiative die Verstaatlichung der Wohnungskonzerne
einleiten. Welche
Folgen aber hätte das?

Bevor man mit der Verstaatlichung beginnt, müssen einige
grundlegende Entscheidungen getroffen werden. Was passiert etwa mit den Eigenheimen
und den Eigentumswohnungen der Menschen? Fast die Hälfte der Bevölkerung –
genau: 45 Prozent – lebt in den eigenen vier Wänden. Selbst hartgesottenste
Kapitalismuskritiker würden dieses heiße Eisen wohl nicht anpacken wollen und
den Menschen ihr selbstgenutztes Eigentum wegnehmen, schließlich setzt das
Grundgesetz zu Recht extrem hohe Hürden für eine Enteignung. Also würde dieses Eigentum
von einer Verstaatlichung wohl unberührt bleiben und als privater Teil neben
einem verstaatlichten Wohnungssektor weiterexistieren.

Nehmen wir also an, dass nur alle privaten
Wohnungsunternehmen verstaatlicht würden und auch private Einzelvermieter mit
einer Enteignung rechnen müssten.

Einmal abgesehen davon, dass sich hier eine
Gerechtigkeitsfrage stellt: Was würde etwa mit einer Eigentumswohnung
passieren, wenn ihr bisheriger Bewohner aus beruflichen Gründen die Stadt wechselt?
Würde sie dann an den Staat fallen? Oder dürfte er sie doch noch “privat”
vermieten – und würde man so den Aufbau eines privaten Mietsektors neben
dem staatlichen akzeptieren? Am Ende könnte es sogar sein, dass er sie lieber
leer stehen lässt, um nicht enteignet zu werden – was wohl kaum das gewünschte
Ergebnis wäre. Oder dass er sogar lieber die neue Stelle in der anderen Stadt
sausen lässt, bevor er seinen eigenen Wohnraum verliert.

Und wer sollte die staatlichen Wohnungsunternehmen leiten?
Staatliche Verwaltungsstellen oder Behörden? Sollen sie dann auch die heute
fehlenden Wohnungen bauen? Folglich würde ein großer staatlicher Sektor
“Wohnungsbau und Wohnungsvermietung” aufgebaut, der von öffentlich
bestellten Managern oder politisch kontrollierten Personen geleitet würde. Hier
drängt sich ein gewisser Zweifel an der Tragfähigkeit dieses Lösungsansatzes
auf. Der Staat und seine Prozesse sind zu träge, um zügig die notwendigen
Wohnungen neu zu bauen.   

Er würde zum Teil schon an der Akquise der passenden Fachleute scheitern. Dass viele Länder derzeit nicht mal in
der Lage sind, die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau abzurufen und einzusetzen,
sollte genug Anlass zu Misstrauen geben. Auch arbeiten öffentliche Stellen in
der Regel ineffizienter als privatwirtschaftliche Unternehmen.

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