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Syrien: Erst Frieden schaffen, dann aufbauen

Auch wenn in Syrien noch immer gekämpft wird, ist das Ringen um die Zukunft des Landes schon in vollem Gange. In dieser Analyse beschreibt die syrische Wissenschaftlerin Salam Said, warum die Strategie – sowohl des Westens als auch des Assad-Regimes – den Wiederaufbau als außenpolitisches Instrument zu nutzen, gescheitert ist. Der Text ist Teil der gerade erschienenen Studie Der Wiederaufbau Syriens – Eine Studie über Strategien, Akteure und Interessen”, herausgegeben von der Organisation Adopt a Revolution.

Alle Konfliktparteien in Syrien diskutieren seit Jahren über
den Wiederaufbau nach dem Krieg. Tatsächlich wird der Wiederaufbau von allen
Seiten als außenpolitisches Instrument eingesetzt, um eine Reihe sehr
unterschiedlicher Ziele zu erreichen, jedoch ohne Erfolg. Der Wiederaufbau nach
einem Krieg beginnt offiziell erst, wenn der bewaffnete Konflikt beendet ist
und die Konfliktparteien ein Friedensabkommen unterzeichnet haben.

Im Falle
Syriens ist der bewaffnete Konflikt jedoch noch nicht beendet, nennenswerte
Fortschritte im Friedensprozess wurden bisher nicht erzielt. Unabhängig davon
nutzen sowohl das syrische Regime als auch die Länder der internationalen Gebergemeinschaft,
die die Opposition unterstützen, seit 2012 den Wiederaufbau als außenpolitisches
Instrument. Bereits 2012 hatte die “Gruppe der Freunde des syrischen Volkes” in
Zusammenarbeit mit der Opposition die Arbeitsgruppe für wirtschaftliche Erholung
und Entwicklung gegründet, um mit der Planung und Koordination der Wiederaufbaumaßnahmen
für ein Syrien nach Assad zu beginnen.

Das erste Treffen der Arbeitsgruppe fand
am 24. Mai 2012 in Abu Dhabi statt, mehr als 60 Länder nahmen daran teil –
darunter Vertreter der Arabischen Liga, der Europäischen Union, des
Golf-Kooperationsrates und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen. Damals
wurde noch angenommen, dass das Assad-Regime bald gestürzt sei, da es in kurzer
Zeit die Kontrolle über weite Teile des syrischen Territoriums verloren hatte.

Die intensive militärische und finanzielle Unterstützung durch den Iran, die
Entstehung des “Islamischen Staates” (IS) als terroristische Bedrohung in der Region
und die anschließende russische Militärintervention ermöglichtem es dem syrischen
Präsidenten Baschar al-Assad jedoch, an der Macht zu bleiben. Das Versprechen von
Wiederaufbauhilfen seitens der westlichen Staaten wurde dadurch zu einem wenig
wirksamen Instrument, um politischen Druck auszuüben. Dennoch versuchten die europäischen
Länder, die USA und regionale Partner wie die Türkei und die Golfstaaten auch
nach den militärischen Erfolgen des Regimes ab September 2015 weiterhin, den Wiederaufbau
als Druckmittel gegen das Assad-Regime und seine Verbündeten einzusetzen.

Eine
politische Übergangsphase beziehungsweise ein Friedensabkommen formulieren sie als
Bedingung für jeglichen Beitrag zum Wiederaufbau. Denn ihr Ziel ist nicht nur die Beendigung des
Krieges, sondern auch eine politische Lösung, die eine erneute Flüchtlingskrise
und die weitere Destabilisierung der Region verhindert. Sie setzten darauf,
dass das Regime für den Wiederaufbau des Landes auf sie angewiesen sei, da die
Verbündeten des Regimes aus vielerlei Gründen nicht in der Lage sind, den
kostspieligen Wiederaufbauprozess zu finanzieren.

Die maßgeblichen Unterstützer
des syrischen Regimes, Russland und der Iran, stehen – wenn auch in unterschiedlichem
Maße – selbst vor wirtschaftlichen Herausforderungen und sind Ziel
internationaler Sanktionen. Zudem bleiben Investitionen in Syrien hochriskant,
da bisher weder ein Friedensabkommen noch ein internationaler Konsens über eine
politische Lösung in Sicht ist. Konflikte können daher jederzeit erneut ausbrechen. Auch kann es erneut
zu Sanktionen gegen das
autoritäre Regime in Damaskus kommen. 

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