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Amazon: Einmal Polen und zurück

In diesen Tagen hat Agnieszka Mróz alle Hände voll zu tun, damit die Deutschen sich zu Weihnachten beschenken können. Die 35-Jährige arbeitet in einem Versandzentrum bei Amazon als Packerin, steht in Zehnstundenschichten am Fließband, über das kleine Plastikboxen mit Waren aus dem Lager laufen, die sie in versandfertige Päckchen stecken muss. “Die Arbeit ist sehr schnell und anstrengend”, sagt sie. “Und der Druck groß.”  

Amazon-Mitarbeiterin Mróz packt die Pakete für die deutschen Kunden im Amazon-Lager nicht etwa in Leipzig oder Bad Hersfeld, Koblenz oder Brieselang – sondern in Poznań, einer Stadt in Polen, 160 Kilometer Luftlinie von der Grenze entfernt. Die Waren, die über ihr Fließband laufen, berichtet Mróz, haben deutsche Etiketten; die Bücher tragen deutsche Titel. “Bei Tausenden Büchern im Monat sehe ich höchstens einmal ein polnisches”, sagt sie. Kurz: Die Waren auf dem Fließband in Poznań kommen offensichtlich aus Deutschland. Und gehen dahin zurück. Ein Umweg, der sich für den Versandriesen offensichtlich lohnt. Warum?

Im Oktober 2014 eröffnete Amazon die ersten beiden Zentren in Polen, neben dem in Poznań auch eines in Wrocław, 50 Kilometer Luftlinie hinter der deutschen Grenze, mehrere Tausend Quadratmeter groß. Kurz zuvor erst war es der Gewerkschaft ver.di gelungen, an einem Amazon-Lager in Deutschland einen Streik zu organisieren. Amazon bestritt damals, dass die Zentren in Polen etwas mit den Arbeitskämpfen in Deutschland zu tun hätten.  

Amazon gibt es kaum in Polen, Amazon-Lager schon

Dabei betreibt Amazon in Polen selbst bis jetzt offensichtlich kein nennenswertes Versandgeschäft, auch wenn der Konzern gegenüber ZEIT ONLINE keine Zahlen zu den Verkäufen auf dem polnischen Markt nennt. Wer amazon.pl in seinen Browser eingibt, wird auf die deutsche Domain umgeleitet – auf der die Produktbeschreibungen zum großen Teil maschinell ins Polnische übersetzt und die Preise in Euro statt in Złoty angegeben sind. Der größte Internethändler in Polen ist nach wie vor allegro.pl, hierzulande praktisch unbekannt. 

Deutsche Händler wiederum, die ihre Waren über Amazon vertreiben, werden von dem Versandriesen nach Polen gelockt – oder gedrängt, wie manche von ihnen beklagen: “Sparen Sie 0,50 Euro durch Warenlagerung in Polen und Tschechien”, wirbt Amazon bei den Händlern. Händler, die ihre Ware über Amazon versenden lassen, können sich dafür entscheiden, ihre Ware nur in deutschen Standorten lagern zu lassen. Das kostet dann aber eben mehr.

In Foren von Amazon-Verkäufern regte sich über das Angebot Protest. Es wurden dort zum Beispiel Mails diskutiert, in denen Amazon vor zwei Jahren mit höheren Kosten drohte, falls sich Händler nicht auf den Versand aus einem polnischen Zentrum einließen. Für die Verkäufer verkompliziert sich durch den Umweg übers Ausland die Umsatzsteuerzahlung – gerade für kleinere Unternehmer ist das ein Problem. Vor viereinhalb Jahren hat Amazon deutsche Buchverlage aufgefordert, ihre Titel nach Polen zu liefern.

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