/Weihnachtsbäume: Rent-a-Baum ist der heiße Scheiß

Weihnachtsbäume: Rent-a-Baum ist der heiße Scheiß

Vor zwei Jahren, eine Woche vor Weihnachten,
kam Waldemar mit dem Kleintransporter. Gardemaß, knapp 1,85 Meter, prächtiger Korpus,
ein Pfundskerl. Waldemar, die Nordmanntanne aus dem Internet, war eingetopft, wegen
der Nachhaltigkeit. Fast drei Wochen stand er im Wohnzimmer, dann wurde er vom Startup-Christbaumverleih
aus Düsseldorf wieder abgeholt. Waldemar, so war der Plan, sollte nicht wie viele
seiner geschlagenen und entwurzelten Artgenossen am Dreikönigstag als abgenadeltes
Gerippe in der Gosse landen. Waldemar sollte es mal besser haben, in seine Schonung
zurückkehren und nächstes Jahr am 24. Dezember eine andere Familie mit seinem Immergrün
erfreuen.

Das Rent-a-Baum-Modell ist derzeit
der heißeste Trend im nachhaltigen Christbaum-Business. Auf Wunsch schon dekoriert,
weihnachtsfertig und bereit zur Geschenkablage. Kein Rumgewackel auf der alten Malerleiter
beim Versuch die Spitze aufzustecken. Kein Stress mit den Kindern, die nicht schmücken,
sondern ungestört Playstation zocken können. Hauslieferung bundesweit, komfortabel.
“Unsere Nachfrage wächst von Jahr zu Jahr”,
sagt Britta Horstschäfer, die in Paderborn mit ihrem Mann Martin neben dem normalen
Standverkauf mit Netzmaschine und Preis pro Meter seit 2015 auch Weihnachtsbäume
mit Ballen und Wurzeln verleiht. “Auf den Gesamtumsatz gerechnet, ist der Anteil
noch marginal, etwa sieben bis acht Prozent. Aber immer mehr Kunden wollen nicht,
dass der Baum geschlagen wird und dann im Hechsler landet”, sagt die 35-Jährige.
Schließlich sei ein Baum etwas Lebendiges. Ob er eine Seele habe, könne man natürlich
nicht sagen. Aber er lebt eben, wurde sieben bis acht Jahre bis zur Weihnachtstauglichkeit
gepflegt und gedüngt. “Da steckt viel Leidenschaft drin”, sagt Horstschäfer. Es
blute ihr jedes Mal das Herz, wenn ein Baum nach so langer Zeit mit einem Hieb einfach
niedergestreckt werde.  

Ist Eintopfen Baumquälerei?

Der Weihnachtsbaum, von der katholischen Kirche einst als heidnisches Symbol niedergebrüllt, inzwischen aber längst fester
Bestandteil der christlichen Weihnachtstradition, ist also in der Epoche der Nachhaltigkeit
angekommen. Das wurde auch Zeit, könnte man meinen, wenn man sich die Zahlen anschaut:
Zwischen 23 und 25 Millionen Nordmann- und Nobilistannen, Blau- und Rotfichten werden
laut Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger (BVWE) in Deutschland jährlich verkauft,
um in den Wohnzimmern für ein paar Wochen den Geist der Weihnacht zu versprühen
und die Zweige sanft über die verpackten Gaben zu legen. Mehr Aufgaben hat der Weihnachtsbaum
nicht. Letztlich geht es der Tanne nicht besser als dem Schwein, dem Rind oder dem
Huhn. Sie muss sich arglos dem Dienst am Menschen unterwerfen. Dramatisch ausgedrückt:
Am Ende der Zucht steht der zweckdienliche Tod.

Das Zentrum der deutschen Weihnachtsbaumproduktion
ist das Sauerland, wo der Deko-Saisonartikel auf 12.500 Hektar angebaut wird. “Die
meisten Bäume werden auch heutzutage noch geschlagen, die Vermietung getopfter Exemplare
ist eine Nische”, sagt der BVWE-Vorsitzende Martin Rometsch aus Bühl am Fuße des
Schwarzwalds. Er bezweifelt, dass sich dieses Angebot jemals durchsetzen wird. Schon
das Einquetschen einer Nordmanntanne mit seiner tiefreichenden Pfahlwurzel in einen
Plastiktopf sei gleichsam Baumquälerei. Außerdem: Wer einen Baum mietet und will,
dass er überlebt, muss sich kümmern. Nicht an die Heizung stellen, ordentlich wässern,
vielleicht auch etwas Fürsprache. Wird es dem Baum zu warm, glaubt er, der Frühling
sei schon da und fängt an zu knospen. Wenn er dann abrupt zurück aufs kalte Feld
kommt, sitzt der Schock tief. Ich will ehrlich sein: Auch Waldemar dürfte die Depression
überkommen haben. Heute tut es mir leid.

Aber es gibt ein wesentlich gewichtigeres
Problem beim On-Demand-Geschäft mit nachhaltigen Christbäumen: den Transport. Die
Anbieter, darunter auch große Baumarktplayer, bedienen Kunden in ganz Deutschland.
Auch die Horstschäfers, die mit Nachhaltigkeit werben, haben viele Abnehmer in Berlin,
aber auch in Köln und Düsseldorf. Da werde es natürlich schwierig mit der CO2-Bilanz,
räumt das Unternehmen ein. “Uns ist das bewusst, unsere Kunden fragen auch danach.
Wir arbeiten daran”, beteuert Britta Horstschäfer. “Für das nächste Jahr planen
wir die Auslieferung mit E-Scootern.”

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