/Praxisöffnungszeiten: Ärzte wehren sich gegen längere Sprechzeiten

Praxisöffnungszeiten: Ärzte wehren sich gegen längere Sprechzeiten

Ärzteverbände haben Forderungen der Krankenkassen nach längeren Sprechzeiten zurückgewiesen. Der Vizevorstandschef des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg, hatte gesagt: “Krankheiten richten sich nicht nach den Lieblingsöffnungszeiten der niedergelassenen Ärzte.” Die Arztpraxen sollten patientenfreundlichere Sprechzeiten anbieten und öfter auch abends und samstags öffnen.

Die viele Arbeit außerhalb der Kernzeiten dürfe nicht an wenigen Ärzten
hängenbleiben, die zum Beispiel samstags da seien. Mittwoch und Freitag habe am
Nachmittag der Großteil der Praxen geschlossen, abends und am Wochenende
sowieso. “Kein Wunder, dass immer mehr Menschen in die Notaufnahmen der
Krankenhäuser gehen.
” 

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wies das als “dreist und frech” zurück. Der KBV-Vorsitzende Andreas Gassen nannte die Aussagen des Krankenkassenverbands einen “Schlag ins Gesicht der niedergelassenen
Kolleginnen und Kollegen”. Die
niedergelassenen Ärzte leisteten häufig viel mehr Sprechstunden, als sie
müssten – und arbeiteten unterm Strich im Schnitt 52
Wochenstunden.

“Zu den Zeiten, an denen die Praxen
geschlossen sind, gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der
Nummer 116117 zu erreichen”, fügte Gassen hinzu. “Es ist also Unsinn, zu
behaupten, zu wenige Samstagssprechstunden seien der Grund dafür, dass
Menschen in die Notaufnahmen gingen.” Die Kassen gäben “ein unendliches
Leistungsversprechen” ab und bezahlten im Schnitt fast 15 Prozent der
Leistungen der Ärzte nicht. Die Kassen verweigerten den Ärzten ausreichend Honorar.  

Hartmannbund will Sanktionen für Patienten

Kritik kam auch von Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery: “Die
Kassenfunktionäre sollten sich dringend aus ihren Verwaltungsgebäuden
heraus bemühen und einen Blick in die Praxen der niedergelassenen Ärzte
werfen.” Die Ärzte dort arbeiteten am Limit und oftmals darüber hinaus. 

Der Vorsitzende des Hartmannbunds, Klaus Reinhardt, gab die Verantwortung für Missstände den Versicherten und
Kassen: Kassen könnten wiederholtes Fehlverhalten von
Krankenversicherten auch sanktionieren. Wenn viele Patienten im Notfall
in die Kliniken gingen, liege das unter anderem daran, dass sie nicht
genug über Ärzte im Bereitschaftsdienst wüssten. Die Kassen müssten ihre
Versicherten besser informieren. Darüber könne Stackelberg auch gern am
Wochenende nachdenken.

Hintergrund der Debatte um die Sprechzeiten ist ein Gesetzesvorstoß von
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Entwurf sieht neben
schnelleren Arztterminen vor, dass Praxisärzte
mindestens 25 statt 20 Stunden für gesetzlich Versicherte anbieten
sollen. Die nach Ländern unterschiedlichen Telefonservicestellen für
Termine sollen bundesweit zu Rund-um-die-Uhr-Angeboten ausgebaut werden.

Nur ein Prozent der Praxen hat samstags geöffnet

Auch SPD-Fraktionsvize und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach
kritisierte zu kurze Sprechzeiten. “Der ein oder andere Arzt wird ab
Mittwochnachmittag auf dem Golfplatz gesehen”, sagte er in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es könne nicht sein, dass Öffnungs- und Arbeitszeiten immer
kundenfreundlicher werden, auf kranke Arbeitnehmer aber so gut wie keine
Rücksicht genommen werde “und nur Ärzte davon ausgenommen sind.”

Laut einer Umfrage des Kassenverbands unter 1.400 niedergelassenen Kassenärztinnen und -ärzten vom Sommer bietet nur jede fünfte Praxis mittwochnachmittags Sprechstunde, freitags weniger als 20 Prozent. Sprechstunden montags, dienstags und donnerstags nach 18 Uhr bieten demnach mehr als die Hälfte der Praxen an. Nach 19 Uhr sind es je nach Wochentag etwa zehn Prozent. Samstagvormittags bieten laut der Umfrage nur ein bis zwei Prozent der Praxen Sprechstunden an. 

99 Prozent der Ärzte gaben an, in den Sprechzeiten auch Privatpatienten zu behandeln. Stackelberg sagte, wenn Ärzte nur die Mindestzahl von derzeit 20 Sprechstunden pro Woche anböten, dürften sie in dieser Zeit keine Privatpatienten behandeln und keine Privatleistungen verkaufen. “Für private Zusatzgeschäfte müssen zusätzliche Termine und Sprechstunden angeboten werden.”

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte:
“Die Schaukämpfe zwischen Krankenkassen, Medizinern und Politik über
die Öffnungszeiten von Arztpraxen nerven.” Krankenkassen und Ärzteschaft
sollten in einem “jährlichen Präsenzbericht” schwarze Schafe entlarven.

Hits: 28