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Ernährung: Die Sache mit dem Fett

Gesund ist vielleicht das falsche Wort, wenn man das traditionelle Weihnachtsessen der Deutschen beschreiben will. Der Braten mit Rotkohl und Kartoffelklößen: extrem fettig, die Vitamine im Gemüse meist zerkocht und als Sättigungsbeilage eine Kalorienbombe. Noch ungesünder kommt einem die wahre Nummer eins unter den deutschen Weihnachtsmahlzeiten vor: Kartoffelsalat mit Würstchen – mit viel Mayonnaise, versteht sich. Nicht zu Unrecht fordern die Gesundheitsbewussten in den Familien deshalb, doch endlich mal etwas Gesundes zum Fest zu kochen.

Nur, was wäre gesünder? Hieße das, ganz auf Fettiges zu verzichten? Wie sooft in ernährungswissenschaftlichen Fragen ist die Antwort nicht so simpel. Der Mensch braucht Fettsäuren zum Überleben, es kommt auf die Menge an, aber vor allem: auf die Sorte und die richtige Kombination. Rechtzeitig zum Fest haben wir Studien gewälzt und Experten befragt. Herausgekommen sind einige wissenswerte Punkte über Fette.

Gesättigt versus ungesättigt? Es geht um mehr

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erteilt regelmäßig Ratschläge zum Konsum von Fetten und Ölen: Rapsöl sei das Öl der Wahl, schreiben die Fachleute auf ihrer Seite, sowohl für die kalte Verwendung etwa bei Salaten als auch zum Braten. Gut sei auch Olivenöl. Man solle lieber Margarine aufs Brot schmieren als Butter, pflanzliche Fette seien gesünder als tierische. Die wichtigste Botschaft: Um das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, sollte jeder möglichst wenig gesättigte Fettsäuren zu sich nehmen und diese gegen ungesättigte austauschen (Lesen Sie hier die zehn Ernährungsregeln der DGE).

Eigentlich eine einfache Botschaft, die jeder so beherzigen könnte. Das Problem dabei: Vehement wie bei kaum einem anderen Lebensmittel werden vermeintlich ungesunde Öle und Fette verteufelt, während es teilweise Empfehlungen für sogenannte gute Fette gibt, die in der Liste der DGE eher weiter unten stehen. Aber wie sieht der Stand der Wissenschaft im Detail dazu aus? Und vor allem: Wo haben Ernährungsempfehlungen für Fette und Öle ihre Grenzen?

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Es gibt kein Allgemeinrezept für alle

Wer sich näher mit den wissenschaftlichen Studien zur Gesundheit von Fetten und Ölen beschäftigt, merkt: So einfach, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in den zehn praktischen Ernährungsregeln oder auch Gesundheitsblogs in ihren Tipps darstellen, ist es genau genommen nicht. Welche die optimale Ernährungsweise ist, kann nur sehr individuell beantwortet werden.

Niemals können Wissenschaftlerinnen und Forscher durch Studien definitiv feststellen, ob jemand einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hat, weil derjenige auf Dauer zu viel Schweineschmalz zur Weihnachtsgans gegessen oder zu oft Kokosöl im Kaffee getrunken hat. Studien können nur Hinweise auf Faktoren finden, die das Risiko für bestimmte Erkrankungen erhöhen können. Und auf diesen beruhen dann Empfehlungen. Im Folgenden haben wir wissenschaftlich belegte Aspekte zu Fetten und Ölen zusammengetragen, die zumindest dabei unterstützen können, eine gesündere Ernährungsweise zu finden.

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Fette unterscheiden sich stark

Fett speichert Energie, schützt vor Kälte, ist ein wichtiger Bestandteil unserer Zellmembran und sorgt dafür, dass wir bestimmte sehr wichtige Vitamine überhaupt aufnehmen können: Die Vitamine A, D, E und K würden zum Großteil wieder ausgeschieden, wenn Fettsäuren sie nicht lösen und damit verdaulich machen würden. Manche Fettsäuren sind sogar essenziell. Das heißt, der Körper braucht sie, kann sie aber nicht selbst produzieren und muss sie deshalb über die Nahrung aufnehmen. Zum Beispiel sind das Linolsäure und Linolensäure, die zu den Omega-6- beziehungsweise Omega-3-Fettsäuren gehören.

Der Mensch braucht also Fett, um zu überleben. Es ganz wegzulassen, ist also nicht sinnvoll. Wohl aber kann jede und jeder darauf achten, welche Arten von Fetten sie oder er zu sich nimmt. Ernährungswissenschaftler teilen Fettsäuren in drei große Gruppen ein, die sich in ihrer chemischen Struktur unterscheiden: gesättigte, einfach ungesättigte, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (siehe Abbildung).

Diese kommen in unterschiedlichen Längen vor – das heißt, die Anzahl der Kohlenstoffatome in der Kette unterscheidet sich. Je nachdem, um welches Fett oder Öl es sich handelt, sind auch unterschiedliche Arten von Fettsäuren enthalten: In pflanzlichen Ölen sind vergleichsweise mehr ungesättigte Fettsäuren. In tierischen Fetten dominieren gesättigte Fettsäuren. Darüber hinaus gibt es die Transfette. Sie sind manchmal in Milchprodukten enthalten, entstehen aber meist durch industrielle Prozesse oder beim Braten und Frittieren.

Die Transfettsäuren gefolgt von den gesättigten Fettsäuren sind gesundheitlich am problematischsten. Um das zu erklären, muss man etwas ausholen: Koronare Herzkrankheiten, die im schlimmsten Fall zu einem Herzinfarkt führen, sind laut Statistischem Bundesamt sowohl bei Männern als auch bei Frauen die häufigste Todesursache in Deutschland (Daten für 2016). Grund dafür sind oft Ablagerungen in den Arterien am Herzen. Diese können die Blutgefäße verstopfen, sodass der Herzmuskel nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden kann. Die Folge: Das Muskelgewebe stirbt ab, das Herz kann nicht mehr arbeiten. Die Hauptursache dafür sind wiederum bestimmte Formen von Cholesterin, die sich in den Gefäßen ablagern. Und hier kommen die gesättigten Fettsäuren ins Spiel. Aber dazu später.

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Gutes und böses Cholesterin

Dass Cholesterin unsere Gefäße verstopfen kann, wissen die meisten. Doch dabei ist es wichtig, verschiedene Formen dieses Stoffes zu unterscheiden. Lange dachte man, das Cholesterin aus dem Essen selbst erhöhe das Krankheitsrisiko. Seit wenigen Jahren ist bekannt: Der Übeltäter ist ein an die Cholesterinmoleküle gebundenes Protein namens LDL (auf Englisch: low density lipoprotein). Es dient als Transportmittel, das das Cholesterin,
auch Cholesterol, zu seinem Wirkungsort befördert – etwa zur einer Zellmembran.

Daneben gibt es in unserem Blut aber auch das HDL-Cholesterin (high density lipoprotein). Diese Verbindung gilt das Gegenstück zum LDL-Cholesterin: Es senkt vermeintlich das Risiko von Herzkrankheiten.

Lange gingen Ernährungswissenschaftler davon aus, dass LDL- und
HDL-Cholesterin als Gegenspieler gleichwertig zu betrachten seien und das Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen entweder erhöhen oder eben verringern.
Neuere Studien liefern jedoch Hinweise, dass
das so nicht stimmt. Eine davon ist im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism erschienen (Haase et al., 2012).
Ein Team rund um die Forscherin Christiane Haase untersuchte 54.500
Menschen. Die Forscher verglichen, wie viele derjenigen einen Herzinfarkt erlitten hatten, die erblich bedingt natürlicherweise
einen hohen HDL-Cholesterinspiegel im Vergleich zu den anderen aufwiesen. Das Ergebnis:
Der natürlich erhöhte HDL-Spiegel bescherte nicht gleich ein geringeres Herzinfarktrisiko. Dies könne
darauf hindeuten, “dass der HDL-Cholesterinspiegel nicht kausal mit dem
Risiko” zusammenhänge, schrieben die Autorinnen und Autoren. Eine
weitere Studie an knapp 70.000 Männern und Frauen bestätigte das (The Lancet: Voight & Kathiresan 2012).

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Transfette sind selten, aber eher ungesund

“Es ist mittlerweile ziemlich gut erwiesen, dass Lebensmittel, die reich an gesättigten Fettsäuren sind, im Vergleich zu solchen mit vielen ungesättigten Fettsäuren den Gehalt an LDL-Cholesterin im Blut erhöhen”, sagt der
Ernährungswissenschaftler Lukas Schwingshackl. Er ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Institut für Evidenz in der Medizin am Uniklinikum Freiburg
und forscht zu dem Thema.

Transfettsäuren haben einen ähnlichen Effekt wie die gesättigten Fettsäuren – nur sind sie dabei noch ungünstiger. Allerdings kommen sie auch nicht so häufig in unserer Nahrung vor. Hersteller etwa von Margarine, in der vergleichsweise größere Mengen an Transfetten nachgewiesen wurden, sind deshalb dazu verpflichtet, Grenzwerte einzuhalten.

Die gesättigten Fettsäuren Laurinsäure, Myristinsäure
und Palmitinsäure wirken LDL-Cholesterin erhöhend, während Stearinsäure einen
neutralen Effekt zeigt. Darüber hinaus sei es Schwingshackl zufolge aber sehr schwierig, herauszufinden, welche genauen Bestandteile von Ölen und Fetten das Krankheitsrisiko erhöhen und wie sie in Kombination mit anderen Bestandteilen von Fetten wirken.

Aus diesem Grund hat der Ernährungswissenschaftler mit Kollegen eine Übersichtsstudie zur Wirkung von Speiseölen und Fetten auf die Cholesterinwerte (Journal of Lipid Research: Schwingshackl et al., 2018) durchgeführt. Das Team analysierte dazu 54 Studien, die die Wirkung von einem oder mehreren Speiseölen und Fetten verglichen. Eine recht neue Methode ermöglichte es den Forschern, die Fettquellen auch über Studien hinweg vergleichbar zu machen.

Das wichtigste Ergebnis: ein Ranking, das zeigt, wie sich die Öle und Fette auf das ungesunde Cholesterin im Blut auswirken. Auf Platz eins landete das Distelöl, das den LDL-Cholesterinspiegel am stärksten senkte und damit am empfehlenswertesten wäre. Gleich darauf folgen Rapsöl und Sonnenblumen- sowie Leinöl. Abgeschlagen auf den letzten Plätzen liegen Schmalz und Butter (siehe Infografik).

Ernährung: Die Sache mit dem Fett


© Journal of Lipid Research: Schwingshackl et al., 2018

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Dass Kokosöl besonders gesund sei, ist unbewiesen

Ein beliebtes Argument für die gesundheitsfördernde Wirkung von Kokosöl ist dessen hoher Anteil an Laurinsäure. Ihr wird nachgesagt, nicht nur antibakteriell zu wirken, sondern auch den Spiegel des HDL-Cholesterins zu erhöhen. Doch die Annahme, Öle und Fette mit diesem Effekt verringerten das Herzinfarktrisiko, ist vermutlich nicht ganz so richtig, wie es in der Vergangenheit
angenommen wurde. Somit ist die vermeintlich positive Wirkung von Kokosöl in dieser Hinsicht nicht erwiesen.
Genauso wenig wie die anderer Öle, die reich an gesättigten Fettsäuren sind. “Einer der wichtigsten Risikofaktoren bleibt das LDL-Cholesterin im Blut”, sagt Schwingshackl.

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Nicht alle gesättigten Fettsäuren sind schlecht

Gesättigte Fettsäuren als “schädlich” und ungesättigte als “gesund” zu betrachten, halten viele Ernährungswissenschaftler zwar generell für richtig. Bei genauerer wissenschaftlicher Überprüfung wird aber deutlich, wie stark vereinfacht bis falsch diese Aussage ist. Denn nicht alle gesättigten Fettsäuren erhöhen das Risiko für koronare Herzerkrankungen. Manche wirken wahrscheinlich sogar positiv – etwa im Hinblick auf Diabetes.

In einer großen Beobachtungsstudie stellten schwedische Ernährungsforscherinnen fest, dass manche Milchprodukte wie Joghurt oder Käse den Körper sogar vor Typ-2-Diabetes schützen können (The American Journal of Clinical Nutrition: Ericson et al., 2015). Die Autoren vermuteten, dass der hohe Anteil an mittellangen gesättigten Fettsäuren wie auch der Laurinsäure eine wichtige Rolle dabei spielen. Eine andere Arbeit ergab Ähnliches. Hier vermuteten die Autoren allerdings, dass langkettige Fettsäuren mit einer ungeraden Anzahl an Kohlenstoffatomen wie etwa der Margarinsäure für die positive Wirkung verantwortlich seien (The American Journal of Clinical Nutrition: Forouhi et al., 2014). Gänzlich erwiesen ist das nicht, wie so häufig bei beobachtenden Ernährungsstudien.

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Vorsicht beim Erhitzen

Beim Braten und Kochen sollte man beim Erhitzen mancher Öle etwas aufpassen. Erhitzt man sie zu sehr, kann es sein, dass Inhaltsstoffe verloren gehen. Zum Beispiel solche, die langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren enthalten. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sind das die Fettsäuren, die am besten verhindern können, dass die Arterien im Laufe der Jahre verstopfen. In einer großen Übersichtsarbeit, für die Forscher im Auftrag der DGE Studien dazu zusammentrugen, wurde das mehr als deutlich (Deutsche Gesellschaft für Ernährung: Wolfram et al., 2015).

Diese langkettigen Fettsäuren sind auch anfälliger für chemische Reaktionen. Die Fette im Leinöl sind dafür ein gutes Beispiel: Das Öl ist reich an Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren – beides lange, mehrfach ungesättigte Fette. Zur Erinnerung: Diese sind überlebenswichtig. Die Hitze beschleunigt chemische Reaktionen. In diesem Fall heißt das, dass die Fettsäuren oxidieren – das Öl wird ranzig und bald ungenießbar.

Ernährung: Hier ein Kohlenstoffatom mehr und da eins weniger: Auf molekularer Ebene unterscheiden sich die Fettsäuren nur minimal.

Hier ein Kohlenstoffatom mehr und da eins weniger: Auf molekularer Ebene unterscheiden sich die Fettsäuren nur minimal.
© Linda Fischer

Aufpassen sollte man auch bei kalt gepressten Ölen. Durch deren schonende Herstellung sind darin bewusst viele wichtige Nährstoffe enthalten, die bei der Verarbeitung von raffinierten Ölen verloren gehen – beispielsweise Vitamine oder Phenole. Das ist wahrscheinlich nicht direkt schädlich. Aber zumindest sollte man sich Gedanken darüber machen, ob man kalt gepresste Öle wirklich zum Braten verwenden möchte. Raffinierte Öle sind dagegen hitzestabiler. Raffiniertes Raps-, Sonnenblumen- oder Olivenöl kann man deshalb bedenkenlos zum Braten und Frittieren benutzen.

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Die Weihnachtsgans ist halb so schlimm

Die gute Nachricht: Gänsefleisch enthält im Vergleich zu anderen Fleischsorten sogar verhältnismäßig wenig gesättigte Fettsäuren – von den ungesättigten vergleichsweise viele, selbst Omega-6 und Omega-3 sind dabei. Tückisch an der Gans ist, dass sie insgesamt ziemlich viel Fett enthält und jede Menge Kalorien hat. Und da kommen dann halt noch die Klöße dazu. Wer hier sparen will, kann sich merken: Am magersten ist die Brust, gefolgt von der Keule. Und das triefende Fett – und damit auch die meisten Kalorien – steckt in der Haut. Ein Grund, auf den leckeren Festtagsbraten zu verzichten, den es bei den meisten nur einmal im Jahr gibt, ist das sicher nicht. Vielleicht hilft es aber, den Rest des Jahres mal ein bisschen darauf zu achten, wo eigentlich welche Art von Fetten drinstecken – und wie viel wir im Alltag davon so verputzen.

Mehr zu gesunder Ernährung, veganem Leben sowie Neues aus der Ernährungswissenschaft lesen Sie in diesem Schwerpunkt.

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