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Wilderei: Bambi bingen

Kurz vor den Festtagen, wenn man der Waldromantik am bedürftigsten ist, hören wir aus den USA, dass dort ein Wilderer über Jahre hinweg etliche Hirsche getötet haben soll. Und dass sich hier nun nicht die Kollegen vom Crimeressort darum kümmern, sondern die Hallodris aus dem Feuilleton, liegt daran: Der Wilderer wird ein Fall für den Film.

Zwar ist nicht bekannt, ob der Delinquent vielleicht etwas zu viel von Horst Sterns Bemerkungen über den Rothirsch geguckt hat, worin es einst zum Erschrecken vorweihnachtlich gestimmter Zuschauer hieß: “Ja, richtig, meine Damen und Herren: Es ist nicht dringlich zurzeit, den Hirsch zu schonen. Es ist dringlich zurzeit, ihn zu schießen.” Nun wissen wir aber, was der Wilderer im kommenden Jahr anschauen wird. Das Gericht verdonnerte ihn, sich während seiner einjährigen Haft dem Disneyklassiker Bambi auszusetzen, um ein gesundes Verhältnis zu allen Waldbewohnern wieder herzustellen.

Modern gesprochen: Er ist gezwungen, Bambi einmal im Monat durchzubingen. Was jedoch ein wenig verdächtig und maßlos klingt, als bräuchte er wiederum Nachhilfe in den Wärmestuben puritanischer Sittsamkeit, weshalb ihm zusätzlich sämtliche Folgen von Twilight verordnet werden, was allerdings den Nachteil hat, dass es Beißen als legitimes Sozialverhalten etabliert, wogegen nur die besten Szenen von Gollum aus Herr der Ringe richtig helfen, weil die sagen, dass, wer andere beißt, Haare verliert, klein und hässlich wird und am Ende in einem See aus Lava verglüht. 

Der Häftling jedenfalls hat viel zu tun, die Gefängnisleitung rollt ihm bald einen Ultra-HD-Fernseher und eine Sitzlandschaft in die Bude, damit er die Message forthin in höchster Auflösung empfängt. Sollte er deshalb an der Knasthärte des amerikanischen Strafvollzugs zweifeln, stürmt morgens unangekündigt ein Wärter in die Zelle, um mit ihm dreimal nacheinander unter pädagogischen Liegestützen Lock Up zu gucken und fast alles mit Kurt Russell, und zur Abkühlung hernach eine Runde Top Gun wegen des hochwertigen Heimatbezugs im höheren Wirkungsbereich, aber aufgrund etwas zu verführerisch gefilmter Flugzeugszenen muss leider im Anschluss Avatar gezeigt werden, um das Sekundärlernziel “Umweltschutz” zu vermitteln, außerdem wird in dem Film nicht geraucht. So vergehen die Tage.

Aus Angst um eine gelungene Resozialisierung kann es dann passieren, dass der Gefängnisleitung drei Wochen vor Entlassung die Idee kommt, Tree of Life von Terrence Malick zu zeigen, der ungefähr drei Wochen dauert und auf den spirituellen Gesamtzusammenhang von Mensch, Tier, Wald und Universum im Allgemeinen aufmerksam macht, den Bambi leider nicht ganz abdeckt. Obendrein bereitet er auf die kosmische Langeweile vor, die plötzlich eintritt, wenn keine Sofalandschaft und kein Flachbildschirm mehr in der Nähe sind, und die DVDs dürfen bei der Entlassung leider auch nicht mitgenommen werden, da das Konzept nach erster vorsichtiger, rehäugiger Evaluation Schule machen könnte und endlich das herrscht, was viele ja schon lange wollten: Kunst als moralische Anstalt, die uns mild und heiter stimmt. 

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