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Klimawandel: Bereit, sich zu ändern

Wie schätzen die Deutschen den Klimawandel ein, und was sind ihre
Erwartungen an den internationalen Klimaschutz? Während in Kattowitz die Delegationen von 196
Staaten und der EU darum rangen, das Pariser Klimaabkommen zu konkretisieren, ließen Forscher
der Universität Hamburg tausend Menschen in Deutschland befragen. So entstand ein
repräsentatives Stimmungsbild, dessen bislang unveröffentlichte Ergebnisse der
ZEIT
vorliegen.

Darin spiegeln sich Wissen, Einstellungen und Absichten der Deutschen. So glaubt nur etwa ein Drittel der Befragten, das Zwei-Grad-Ziel könne noch erreicht werden. Viele geben hingegen an, das eigene Verhalten ändern zu wollen. Ganz allgemein, das zeigt die Befragung, ist der Klimawandel ein wichtiges Anliegen. “Mehr als zwei Drittel der Menschen betrachten den Klimawandel für sich persönlich als wichtiges oder sehr wichtiges Problem”, sagt der Sozialwissenschaftler Michael Brüggemann, Professor für Klimakommunikation und Mitglied des Hamburger Exzellenzclusters Clisap.

Während viele Umfragen – im Auftrag von Medien, Parteien, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen – den Charakter einer Momentaufnahme haben, bietet die Befragung der Wissenschaftler etwas Besonderes: Sie ist eine Wiederholung. Vor drei Jahren, während des Klimagipfels von Paris, hatten sie mit denselben Fragen schon einmal Wissensstand und Haltung der Deutschen ausgelotet. “Down to Earth” (Englisch für bodenständig) heißt ihr Projekt, in dem untersucht wird, wie die Bevölkerung Informationen über die Klimagipfel erhält und bewertet. Die ersten Ergebnisse hatten die Forscher im Herbst des vergangenen Jahres in
Nature Climate Change
veröffentlicht
(ZEIT Nr.
43/17
). Gerade bereiten sie die Zahlen der neuen Befragung auf.

Von Paris bis Kattowitz hat sich tatsächlich einiges verändert: Sahen im Jahr 2015 noch 15 Prozent der Befragten im Klimawandel eines der zwei “wichtigsten Probleme für Deutschland”, hat sich dieser Wert 2018 auf 30 Prozent verdoppelt. Deutliches Interesse an dem Thema zeigten damals 36 Prozent, heute sind es 45 Prozent. Der Anteil derer hingegen, die das Problem einfach nicht wahrhaben wollten, sei “auf niedrigem Niveau gleich geblieben”, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Fenja De Silva-Schmidt. Außerdem gaben im Dezember 2018 deutlich mehr Menschen als noch vor drei Jahren an, dass sie mit Freunden und Verwandten, mit Bekannten und Kollegen über das Thema diskutierten. “Insgesamt dokumentieren diese Zahlen, dass das Thema Klimawandel für die Menschen wichtiger wird.”

Was aber folgt daraus? “Etwa 40 Prozent der Menschen sehen im Klimaschutz einen wichtigen Faktor für ihre Wahlentscheidung”, sagt Brüggemann. So wünsche sich jeder zweite Befragte, dass Deutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehme. “Wir sehen aber, dass die Bundesregierung das nicht tut.” Gleichzeitig sinkt das Zutrauen in den Erfolg eines internationalen Klimaabkommens. 2015 glaubte jeder vierte Befragte daran, heute nur noch jeder fünfte. Und die Zuversicht, das Zwei-Grad-Ziel sei noch erreichbar, nahm sogar stärker ab: 2015 stimmten dem 45 Prozent eher oder voll zu, heute sind es fast zehn Prozentpunkte weniger. Nach dem Ende des Gipfels von Kattowitz meint Brüggemann: “Dieser Pessimismus ist ja auch angemessen.”

Nun gehört zu dem Bild, das “Down to Earth” zeichnet, aber auch der Befund, dass viele Menschen durchaus etwas tun möchten. Beinahe jeder Zweite äußerte nämlich die Absicht, in Zukunft beim Kauf von Lebensmitteln und in seiner persönlichen Mobilität das Klima schonen zu wollen. Mehr als ein Drittel gab an, bereits heute entsprechend zu handeln (37 Prozent beim Einkauf, 45 Prozent im Verkehr). Ob das stimmt und die Antwortenden etwa weniger fliegen oder kurze Strecken mit dem Rad fahren, lässt sich freilich mit dem Instrument des Fragebogens nicht überprüfen.

Jenseits des Kaufverhaltens will sich jeder Dritte künftig niedrigschwellig engagieren, etwa durch die Teilnahme an Online-Petitionen. Immerhin jeder Fünfte erwägt auch ein aktives Engagement, zum Beispiel in einer Partei oder einer Nichtregierungsorganisation. “Die Leute”, so interpretiert dies Michael Brüggemann, “glauben viel stärker daran, dass sie selbst etwas bewirken können, als dass die internationale Klimapolitik etwas ausrichten kann.”

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