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Deutsche Bahn: Endlich pünktlich

Das Jammern über die Bahn gehört in Deutschland schon lange
zum Alltag. Doch jetzt wird es auch der großen Koalition zu viel: “Die
Bahn braucht eine Neustrukturierung. Wir erwarten, dass der Vorstand der
Bundesregierung bis März ein entsprechendes Konzept vorlegt”, sagte der
Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann, der Welt am Sonntag. Erste Ergebnisse wolle
man bereits bei einem Termin im Januar hören. Es gehe vor allem darum, die
Führungsstrukturen zu straffen und die Unternehmensteile zu ordnen oder zu
verschmelzen. Wie kann eine große Reform der Bahn aussehen?

Konzentration aufs Kerngeschäft

Das Hauptgeschäft der Deutschen Bahn ist es derzeit gar
nicht, Menschen in Deutschland zu befördern. Sie macht nur 30 Prozent ihres
Umsatzes mit dem Personenverkehr in Deutschland
, sagt Christian Böttger, Professor für
Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Wirtschaftlich
mehr als doppelt so wichtig ist die Tochterfirma DB Schenker. Sie macht
Geschäfte mit Logistik für Wein in Südafrika oder für Minen in Australien. Außerdem
befördert die Deutsche Bahn, anders als ihr Name vermuten lässt, auch im
europäischen Ausland Fahrgäste: mit der Tochterfirma Arriva.

Dass die Deutsche Bahn so breit aufgestellt ist, hängt damit
zusammen, dass um die Jahrtausendwende noch geplant war, sie zu privatisieren
und an die Börse zu bringen. Dafür sollte sie für Investoren interessant
gemacht werden, also so profitabel wie möglich sein. Die Privatisierung ist
inzwischen vom Tisch und mit den Geschäften abseits des Personenverkehrs macht
die Bahn wenig Gewinn, teilweise sogar Verlust, sagt Böttger. Deshalb könnte
es sinnvoll sein, sich von Schenker, Arriva und anderen Tochterfirmen zu
trennen und aufs Hauptgeschäft zu konzentrieren: Menschen in Deutschland zuverlässig
und günstig zu transportieren. Außerdem würde ein Verkauf viel Geld freisetzen,
das man für die nötigen Investitionen in Schienen und Züge nutzen könnte.

Die Infrastruktur vom Wirtschaftsbetrieb trennen

Man stelle sich vor, Volkswagen gehörte das gesamte Netz an
Autobahnen in Deutschland. Wenn man es mit einem Auto einer anderen Marke
befahren wollte, müsste man dafür bezahlen. So ungefähr ist es mit der
Deutschen Bahn: Ihr gehören die Gleise und die meisten Züge, die auf ihnen
fahren. Wenn ein anderer Betreiber die Strecken nutzen will, muss er die Bahn
dafür bezahlen. Kritiker sagen, so sei kein echter Wettbewerb möglich. Als
Monopolist mit Gewinnerwartung hat die Bahn zudem keinen Anreiz, mehr als
unbedingt nötig in Strecken zu investieren
.

Deshalb fordern etwa FDP und Grüne schon länger, das Netz
vom laufenden Betrieb zu trennen, also den Konzern aufzuspalten. Der Wettbewerb um den besten Zugbetrieb werde
dann für zufriedenere Kunden und Kundinnen sorgen. Investierte der Staat nach dem tatsächlichen Bedarf, wäre die Sparte DB Netz wohl ein staatlich finanziertes Verlustgeschäft. Aber
Straßen stellt der Staat auch zum Wohl aller mit Steuergeld zur Verfügung.

Mehr investieren

Inzwischen pendeln mehr als eine Million Menschen
hierzulande mit dem Zug zur Arbeit, zwei Millionen leben in Fernbeziehungen.
Entsprechend hat sich die Zahl der Fahrgäste seit 2002 um fast ein Drittel
erhöht. Die Bundesregierung rechnet damit, dass es so weitergeht: Sie
will die Zahl der Bahnkunden und -kundinnen bis 2030 verdoppeln. Angesichts von
Klimawandel, Staurekorden und gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung in den
Städten hält sie es für wünschenswert, dass noch deutlich mehr Menschen mit der
Bahn fahren. Das wird jedoch Wunschdenken bleiben, wenn der Staat nicht mehr
Geld investiert. Dann dürften kaputte Weichen und Züge weiter den Bürgerinnen
und Bürgern die Lust am Bahnfahren vermiesen.

In den vergangenen Jahren ist jedoch das Gegenteil passiert:
Es wurde gespart, wo es nur ging. Das Streckennetz ist unterm Strich nicht
gewachsen, sondern geschrumpft, um rund 2.000 Kilometer seit 2002. Nur jeder
fünfte ICE ist vollständig intakt. Allein die nötigsten Investitionen betragen
80 Milliarden Euro, hat Experte Böttger ausgerechnet, durch den Bundeshaushalt seien
aber nur 20 Milliarden Euro abgedeckt. Wenn die Bundesregierung wirklich will,
dass die Bahn das Rückgrat einer Mobilitätswende hin zu umweltfreundlichen
Verkehrsmitteln ist, muss sie wohl vor allem eine Menge mehr Geld in die Hand
nehmen.

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