/Senioren und Immobilien: Der letzte Umzug

Senioren und Immobilien: Der letzte Umzug

Das wird nicht die leichteste Übung, weiß Nicolas Kring, als er an diesem Abend aus dem Auto steigt. Aber Kring ist Profi. Der Makler parkt seinen Wagen in der Auffahrt, wirft einen flüchtigen Blick auf Haus und Vorgarten. Ihm reichen wenige Eindrücke, um sich darauf einzustellen, was jetzt kommt. Und das ist erst einmal der Hund. Er bellt, da hat Kring noch nicht geklingelt. Die Tür geht auf und ein massiges Tier kommt heraus. “Ach, wie schön”, stößt der Makler aus. “Wir haben ja eine Katze zu Hause. Bestimmt deshalb die Aufregung.”

Kring wird an diesem Abend erwartet im Einfamilienhaus des Ehepaars Jenssen*: Petra und Herbert, sie 62, er 67. Ruhige Wohngegend, norddeutsche Kleinstadt. “Nu kommen Sie erst mal rein”, sagt Petra Jenssen, und bleibt kurz im Weg stehen, als sei sie nicht ganz überzeugt von der Einladung, die sie gerade ausgesprochen hat. Aber der Hund äußert keine Einwände mehr, und sie bittet den Makler zum Rundgang. Kring geht zielstrebig voraus, sie in kleinen Schritten hinterher. Zuerst in den Garten. Terrasse mit Grill, Rasen, Hecken, Schuppen. Alles da. Fast 700 Quadratmeter Grundstück, davon 130 Quadratmeter Wohnfläche. Ehepaar Jenssen überlegt dieses Haus zu verkaufen.

Man merkt schon in den ersten Minuten, dass sie es sich nicht leicht gemacht haben mit diesem ersten Schritt – den Makler einladen, das Haus begutachten lassen, einen Preis erfahren. Nur wenige Senioren in Deutschland gehen so weit, obwohl sie wissen, dass ihr Haus eigentlich zu groß und zu unpraktisch für sie geworden ist. Die Kinder sind längst ausgezogen, die Treppen ein tägliches Hindernis, der Garten macht Mühe. Die Mehrheit der Menschen ab 65 Jahren will das eigene Haus trotzdem möglichst nicht verlassen, zeigt eine Umfrage der Deutschen Leibrenten AG. Einfach, weil sie sich in der gewohnten Umgebung gut aufgehoben fühlen. Nur ein Drittel der Hauseigentümer gesteht sich ein, dass sie über mehr Platz als notwendig verfügen.

Senioren versprechen viele Aufträge

Petra Jenssen, eine Frau mit sauerkrautblondem Haar, bleibt mitten auf der Wiese stehen. “Uns wird es zu viel mit dem Garten”, sagt sie. “Mein Mann und ich würden gern unsere Freizeit anders nutzen.” Antwort Kring: “Ja, das kann ich gut verstehen. Ist schließlich auch ein großes Grundstück.” Es geht ins Haus, das Paar und der Makler schauen sich noch alle Räume an. Am Esstisch greift Kring zu einer dicken Hochglanzmappe mit Unterlagen, darauf das Logo seines Arbeitsgebers McMakler, einem bundesweit tätigen Immobilienvermittler aus Berlin. Wie viele Wettbewerber in der Branche setzt das Unternehmen gerade stark auf die Zielgruppe der Senioren, die eine Menge Aufträge verspricht.

Es vergeht kaum eine Woche, in der Bewohner älterer Immobilien nicht die typischen Wurfzettel in ihren Briefkästen finden. “Lassen Sie den Wert Ihres Hauses begutachten. Kostenlos!” Von Poll, Engel & Völkers, die Maklerabteilungen der Banken, alle Großen und Kleinen der Branche wollen an die Häuser der Alten ran, weil der Immobilienmarkt nach Jahren des Booms sonst kaum noch etwas hergibt. Unter Maklern erzählt man sich Geschichten, dass manche Kollegen sogar auf dem Wochenmarkt gezielt Senioren ansprechen. Die kostenlose Bewertung des Hauses wirkt wie ein Lockangebot, schließlich bekommt der Makler erst seine Provision, wenn der Verkauf abgeschlossen ist. Und häufig zahlt die circa sieben Prozent vom Preis der Käufer allein. In manchen Bundesländern wird die Summe aber auch geteilt zwischen Käufer und Verkäufer.

Senioren wohnen geräumig

Universität Köln. Befragt wurden 400 Immobilieneigentümer ab 69 Jahren.

Auch McMakler wirbt gezielt um die Senioren, im Vorabendprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. “Wissen Sie, was Ihre Immobilie heute wert ist?”, sagt dort eine Frau, die schon einige Falten um die Augen hat. Das Unternehmen richtet sich damit an jene Menschen, die in Deutschland die Mehrheit der Häuser besitzen: die Generation der über 60-Jährigen. Unter ihnen ist die Eigentumsquote hoch, fast 60 Prozent haben eine eigene Immobilie, die sie meist auch selbst bewohnen.

Dagegen können es sich immer weniger junge Menschen leisten, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen – die Preise sind zu stark gestiegen. Um zehn Prozent ist die Eigentumsquote unter den 30- bis 40-Jährigen in den vergangenen 15 Jahren gesunken und liegt jetzt bei etwa 45 Prozent. Gerade jene Menschen also, die eine Familie gründen und Platz für Kinder benötigen, wohnen häufig auf weniger eigener Fläche. Eine Untersuchung der Universität Köln hat ergeben, dass Senioren mit Eigentum über durchschnittlich 60 Quadratmeter pro Person verfügen. Erwerbstätige dagegen müssen mit 40 Quadratmetern auskommen.

Hits: 5