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Rechtsextremismus: Extremes Innenstadtrevier

Das 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main ist ein flacher Glaskasten. Es liegt am hinteren Teil der Zeil, jener bekannten Einkaufsstraße, die dort schon keine Fußgängerzone mehr ist. Bis zur Konstablerwache sind es nur wenige Meter. Hinter der grün schimmernden Glasfassade dieses Reviers soll ein Skandal seinen Ausgang genommen haben, wie ihn Hessen lange nicht erlebt hat: ein rechtsextremes Netzwerk in der Polizei.

Jedenfalls kann sich Hermann Schaus nicht daran erinnern, so etwas in den vergangenen elf Jahren erlebt zu haben. Schaus sitzt als Abgeordneter der Linken im Wiesbadener Landtag. “So klar ist eine rechtsextreme Gesinnung bei Polizisten in Hessen in meiner Zeit als innenpolitischer Sprecher noch nie belegt worden”, sagt er. Und dabei ist noch immer nicht absehbar, ob das ganze Ausmaß des Skandals schon bekannt ist.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt derzeit gegen fünf Beamte des 1. Reviers. Sie sollen via WhatsApp fremdenfeindliche und NS-verherrlichende Bilder, Symbole und Texte ausgetauscht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Volksverhetzung und die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vor – und Bedrohung.

Bedrohliches Fax

Denn es geht nicht nur um ein paar rechte Sprüche. Am 2. August hatte sich die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz an die Polizei gewandt. Sie hat unter anderem Angehörige von Opfern der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund während des NSU-Prozesses in München vertreten sowie den als Gefährder eingestuften Sami A.

Basay-Yildiz hatte ein bedrohliches Fax bekommen, das über einen Billiganbieter verschickt worden war. Die Drohungen darin bezogen sich auf Sami A. Basay-Yildiz hatte ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro gegen die nordrhein-westfälischen Behörden erstritten, weil diese Sami A. entgegen einer gerichtlichen Anordnung übereilt nach Tunesien abgeschoben hatten.

In dem Fax hieß es nun: “Miese Türkensau! Du machst Deutschland nicht fertig. Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst, du Schwein! Als Vergeltung schlachten wir deine Tochter.” Das Schreiben enthielt außerdem den vollen Namen der zweijährigen Tochter und die genaue Wohnadresse der Familie.

Wer hat Zugang zu den Daten?

“Ich kriege viele Drohbriefe und E-Mails und ich hatte vorher noch nie Anzeige erstattet”, sagt Seda Basay-Yildiz ZEIT ONLINE. “Aber dass ich den Namen meiner Tochter in der Drohung lesen musste, war too much.” Sie habe deshalb Anzeige erstattet und der Polizei gesagt, dass als Täter nur jemand infrage komme, der Zugang zu diesen Daten habe. Vielleicht jemand im Einwohnermeldeamt, vermutete sie. Es habe damals für ihre Daten noch keine Sperre im Melderegister gegeben.

Wie die Polizei darauf kam, in den eigenen Reihen zu ermitteln, ist nicht bekannt, auch Basay-Yildiz weiß es nicht. Die Staatsanwaltschaft will sich zu Details der Ermittlungen nicht äußern.

Klar ist nur, dass alle nun beschuldigten Polizistinnen und Polizisten offenbar zur Dienstgruppe 3 des Reviers gehören. Üblicherweise besteht eine solche Dienstgruppe aus etwa 15 Mitgliedern. Es soll sich um Streifenbeamte handeln, vier Männer und eine Frau. Sie sollen alle vom Dienst suspendiert worden sein. Ihre Wohnungen wurden durchsucht, Handys und Festplatten beschlagnahmt.

Die Frankfurter Neue Presse und die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichten übereinstimmend, die Ermittler hätten festgestellt, dass die Daten von Basay-Yildiz im 1. Polizeirevier abgefragt worden seien, ohne dass es einen Anlass dafür gegeben habe. Gesucht wurden sie offenbar mit dem Computer der nun beschuldigten Polizistin.

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