/Michel Houellebecq: Donald Trump als nützlicher Idiot

Michel Houellebecq: Donald Trump als nützlicher Idiot

Wo er politisch steht, ist schon lange keine Frage des ironischen
Versteckspiels mehr. Als Michel Houellebecq vor zwei Jahren seine
Dankesrede zum Frank-Schirrmacher-Preis hielt
, konnte man ihn mit einem Rest guten Willens noch als den Zündler vom Dienst
bezeichnen. Spätestens seit er vor zwei Monaten in Brüssel den ersten
Oswald-Spengler-Preis entgegennahm und sich mit der Schlagzeile
Houellebecq – La grande prophétie” auf dem Titel der ins
Nationalistische abgedrifteten Wochenzeitschrift Valeurs actuelles
zeigte, brennen die rechten Feuer seines Denkens lichterloh. Auch sein
für Anfang Januar weltweit gleichzeitig erscheinender Roman Sérotonine
soll eine ziemlich unverstellte Einübung antiliberaler Positionen
sein.

Der
Artikel, den er nun für die Januar-Ausgabe von Harper’s Magazine
verfasst hat, ist von daher weder eine Überraschung, noch wartet er mit
grundneuen Einsichten auf. Und doch darf man Donald Trump Is A Good
President
nicht einfach als persönliches Bekenntnis lesen. Es ist
schlimmer und interessanter zugleich. Schlimmer, weil Houellebecq den
US-Präsidenten als “entsetzlichen Clown” nicht einmal ernst nimmt, aber
mit Begeisterung vor den Karren seiner eigenen Visionen spannt. Und
interessanter, weil er die landläufige europäische Empörung über den
cholerischen Grobian umgeht.

Trump erscheint hier nicht
so, wie dieser sich selbst präsentiert: als Retter der kleinen Leute,
Wortführer einer weißen Identitätspolitik und Garant der amerikanischen
Vormachtstellung. Er ist der Erfüllungsgehilfe einer Weltordnung nach
Houellebecqs Geschmack: der nützliche Idiot einer trilateralen
Konstellation, die Amerikas Macht durch die wachsende Konkurrenz aus
Russland und China einhegt und dadurch auch den Einfluss auf Europa
verringert. Währenddessen sieht Houellebecq als kleiner
Schreibtischteufel mit sardonischem Lächeln zu, wie Frankreich mit allen
Nachbarländern ins Wanken gerät und vom Brexit bis zum erträumten
Frexit renationalisierte Paradiese entstehen. “Europa existiert nicht”,
dekretiert er.

Ist Sagen gleich Meinen?

Houellebecqs Essay
adressiert die Amerikaner aus der Perspektive eines Ausländers, und er
endet im Futur II mit dem teleologischen Versprechen: “In einer
abschließenden Bewertung wird Donald Trump vielleicht eine notwendige
Tortur für euch gewesen sein.” Hinterhältiger Zusatz: “Und ihr werdet
immer als Touristen willkommen sein.” Vive la France.

Die Ausführungen enthalten jede Menge dummes Zeug, das sich im
Handumdrehen aushebeln ließe. Es ist ein schlechter Witz, die Schweiz
zur einzigen Demokratie dieser Erde zu küren. Und es kann keine Rede
davon sein, dass sich die Staaten Osteuropas nicht an ihre
kommunistische Vergangenheit erinnern würden. Ungarns illiberale Demokratie
definiert sich geradezu durch ihre doppelte Frontstellung gegen die
diktatorischen Systeme des 20. Jahrhunderts: Insbesondere der
Stalinismus ist für die Orbán-Regierung ein negativer Gründungsmythos,
wie ihn Auschwitz für die Bundesrepublik bildet.

Obwohl dabei gerne Kumpanei und Mitläufertum unterschlagen werden,
liegen dennoch ganz andere Voraussetzungen für den “Krebs des
Populismus” in Österreich, Italien oder Schweden vor, wie sie
Houellebecq unter höhnischem Rückgriff auf diese
“Mitte-links-Terminologie” rundheraus leugnet. Aber genau da zieht er
den Trumpf der Europa angeblich vereinenden Islamfeindlichkeit.

Der vorherrschende Ton ist spöttisch bis satirisch. Nur sollte man
die Distanz, die dadurch zwischen Sagen und Meinen entsteht, nicht
überschätzen. Wenn Houellebecq Trump als Friedensfreund preist, der sich
in weiser Erkenntnis militärische Interventionen versage und sogar
Nordkoreas Präsidenten zur Vernunft gebracht habe, ist das wohl oder
übel wörtlich zu nehmen. Vielleicht liegt darin das wirklich Bestürzende
dieser verqueren Liebeserklärung. Die spielerischen Provokationen von
einst, und einige wenige treffen bei einer selbstgerechten Linken noch
immer ins Rote, sind schnöde Wirklichkeit geworden. Immerhin kann man
nun offen mit ihnen umgehen.

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