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Brandenburg: Gibt es noch einen Ausweg?

Es gibt einen Satz, den Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar
Woidke häufig verwendet: “Da müssen wir uns keine Sorgen machen.” Dieser Satz verrät wenig
über Brandenburg, aber viel über ihn. Fragt man Woidke nach der Lage seiner Regierung, nach
der SPD, nach der Landtagswahl am 1. September, sagt er: “Da müssen wir uns keine Sorgen
machen.”

Wirklich? Geht es um Landtagswahlen im kommenden Jahr, dann reden die meisten über Sachsen. Darüber, dass dort die AfD triumphieren könnte. Dabei gibt es ein Land, in dem die Lage ähnlich bedrohlich für die Regierungsparteien ist, vielleicht bedrohlicher: Brandenburg.

Seit 1990 stellt die SPD Brandenburgs Ministerpräsidenten, seit fünf Jahren regiert Dietmar Woidke, zusammen mit der Linken. Stolz erzählt er von der niedrigen Arbeitslosenquote, der hohen Steuerdeckungsquote, den guten Wirtschaftszahlen. Aber es gibt andere Zahlen, die düsterer sind: die Umfragewerte.

In drei ostdeutschen Ländern wird kommendes Jahr gewählt, neben Sachsen und Brandenburg noch in Thüringen, aber Brandenburg ist das einzige Land, in dem die AfD in den jüngsten Umfragen ganz vorn liegt. Sie teilt sich den Spitzenplatz mit der SPD, beide stehen bei 23 Prozent. Knapp dahinter folgt die CDU mit 21 Prozent und die Linke mit 17. Das bedeutet dreierlei. Erstens eben, dass die AfD Chancen hat, in Brandenburg stärkste Kraft zu werden. Zweitens, dass eine Regierungsbildung jenseits der AfD sehr, sehr schwierig werden wird. Drittens, dass es im Grunde in Brandenburg keine Volkspartei mit natürlichem Regierungsanspruch mehr gibt. Es gibt jetzt vier Parteien, die jeweils etwa ein Fünftel der Wähler erreichen.

Könnte es sein, dass Brandenburgs Probleme grandios unterschätzt werden?

Der Ministerpräsident müsste langsam anfangen, sich Sorgen zu machen. Doch anders als in Sachsen, wo die CDU Ende 2017 nach dem Rücktritt Stanislaw Tillichs gezwungen war, sich neu zu erfinden, herrscht in Brandenburg Leere.

Bislang schien die SPD hier unverwundbar. Dies ist das einzige Flächenland, in dem die Partei seit dem Mauerfall ununterbrochen die Regierung anführt. Manfred Stolpe, der erste SPD-Ministerpräsident, brachte es zum Volkshelden, sein Nachfolger Matthias Platzeck zum großen Charmeur, der selbst dann noch Wahlen gewann, als seine Bundespartei mit den Hartz-Reformen halb Ostdeutschland empörte. Egal, wie schlecht es der Bundes-SPD ging, die Brandenburg-SPD war davon abgekoppelt. Auch Dietmar Woidke gewann seine erste Wahl vor vier Jahren mit 31,9 Prozent. Doch nun sieht es so aus, als wüsste er nicht weiter.

Man muss ihn treffen und auf den Abend ansprechen, an dem zum ersten Mal sichtbar wurde, dass die Dinge sich ändern, den Abend der Bundestagswahl 2017. Damals landete die SPD hier nur noch auf Platz drei, mit 17,6 Prozent. “Ich kann mich an diesen Abend noch sehr genau erinnern”, sagt Dietmar Woidke. Er ist ein hochgewachsener Mann, mit seinem netten Lächeln und der tiefen, angenehmen Radiomoderatorenstimme weckt er Vertrauen. Nun zeigt er auf seinen Schreibtisch in seinem Büro in der Staatskanzlei. “Ich habe genau hier gesessen, als die ersten Umfrageergebnisse hereinkamen. Und da war klar, dass es schwierig werden würde.”

Weil die SPD in ganz Deutschland schlecht abschnitt und weil in Brandenburg immerhin die CDU und nicht die AfD stärkste Kraft wurde, redeten fortan alle über Sachsen. Niemand stellte öffentlich infrage, ob Woidke noch der Richtige sei, um für die SPD die Landtagswahl zu gewinnen. Seine Rivalen in der Partei, die es durchaus gibt, mieden den Machtkampf. So blieb Woidke im Amt. Er freue sich auf den Wahlkampf, sagt er. Dabei gibt er selbst zu, dass die zurückliegenden Jahre für seine Regierung, gelinde gesagt, eher problematisch waren.

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