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UN-Klimagipfel: Aufgeben ist keine Option

Klimagipfel sind eine paradoxe Veranstaltung. Seit 24 Jahren
treffen sich Tausende Delegierte aus fast 200 Ländern einmal im Jahr, und sie alle verbindet ein gemeinsames Ziel: den Klimawandel aufzuhalten. Könnten sie sich
einigen, ihn gemeinsam schnell und engagiert zu bekämpfen, hätte jeder einen
Vorteil. Aber weil jedes einzelne Land seine eigenen Interessen mit in die
Verhandlungen bringt, Ölländer genauso wie arme Entwicklungsstaaten, und
weil am Ende jede Partei einer Einigung zustimmen muss, kommen sie nur
langsam voran.

Sogar gefährlich langsam gemessen an dem, was notwendig
wäre. Denn
der Klimawandel ist schon Realität
, und er betrifft alle Länder. Das wurde
gerade in diesem Jahr durch Fluten,
Hitzewellen
und Brände
in Asien, Amerika und Europa deutlich. Mittlerweile
kann die Forschung solche extremen Wettereignisse dem menschengemachten
Klimawandel zuschreiben
. Und die Emissionen steigen. Deshalb ist Eile geboten.
Wie sehr, das machte der Sonderbericht
des Weltklimarats zum 1,5-Grad-Ziel
erst vor ein paar Wochen wieder klar. Wer
Kinder hat, der muss sich über den Zustand der Welt Sorgen machen.

Die Behäbigkeit der Klimagipfel ist deshalb frustrierend
– und in Katowice lief es besonders zäh. Aber die Welt braucht diese
Konferenzen trotzdem.

Konflikte in Katowice

Der Gipfel von Katowice war wichtig, weil auf ihm die Regeln
verabschiedet worden sind, die man braucht, um das Pariser Klimaabkommen mit
Leben zu füllen. In Paris hatten sich die Unterhändler vor drei Jahren darauf
geeinigt, den Klimawandel spätestens bei einer Marke von plus zwei Grad zu
stoppen, möglichst aber deutlich darunter. Die Euphorie war groß. Dabei
hatte der Vertrag Schwächen. Denn wie die Pariser Klimaziele erreicht werden
sollten, blieb offen. Damals störte das niemanden. 

Doch seither hat sich die Welt verändert. Internationale
Zusammenarbeit ist nicht mehr en vogue,
stattdessen wählen immer mehr Länder eine Politik der nationalen Stärke. Die
USA streiten sich mit China über Handelspolitik, was eine Verständigung auf
anderen Gebieten der Diplomatie nicht gerade erleichtert. Auch in Katowice
litten die Verhandlungen unter dem Konflikt. Die Regierung von Donald Trump
will raus aus dem Pariser Klimaabkommen, und Brasiliens kommender Präsident
Jair Bolsonaro, der von Klimapolitik ebenfalls nichts hält, denkt darüber nach,
es den USA gleichzutun.

Den Kampf gegen den Klimawandel, das globale Problem par excellence, macht das besonders
schwierig. In Katowice wurde deutlich, wie kompliziert es sein kann, sich gerade
in Detailfragen zu einigen. Aber am Ende gelang die Übereinkunft eben doch.
Manches Detail wurde ins kommende Jahr verschoben, und nicht alle Punkte des
Abschlussdokuments fielen so ehrgeizig aus, wie es sich die Vertreter der
armen, besonders betroffenen Länder und Umweltschützer wünschten. Aber wenn
fast 200 Länder sich einstimmig einigen müssen, liegt das in der Natur der
Sache.

Selbstverständlich hätte das Abkommen von Katowice besser
ausfallen können. Klar, dass Umweltschützer und Entwicklungsorganisationen
jetzt seine Unzulänglichkeiten kritisieren. Sie müssen das tun. Und weil kaum
noch jemand außer den Eingeweihten versteht, was die
diplomatischen Formulierungen bedeuten, über die sich die Unterhändler streiten
,
weil die Abschlussdokumente über die 24 vergangenen Jahre hinweg auch derart
abstrakt geworden sind, dass sie kaum noch zu durchschauen sind, entsteht
leicht der Eindruck, dass diese jährlichen Gipfel nur noch um sich
selbst kreisen – und dem Klima nichts bringen.

Das Klima braucht die Gipfel

Dabei ist das Gegenteil der Fall. Der Klimaschutz braucht
das jährliche Drama aus Streit, Gefeilsche und Einigung in letzter Minute. Ohne
die Gipfel gäbe es keine nationalen Klimaziele, keine Energiewende, keine
Debatte um den Kohleausstieg, keinen bezahlbaren Ökostrom, kein
Geld für die Ärmsten, um sich gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.
Für all das legen die Abschlussdokumente eine Grundlage.  

In Katowice gab es auch Fortschritte, die in den
Verhandlungen und im Abschlussdokument gar nicht auftauchten. Nur drei
Beispiele: Die
Stadtverwaltungen von Sydney und Melbourne versprachen während des Gipfels,
künftig auf Kohlestrom zu verzichten. Damit schlossen sie sich einer
globalen Anti-Kohle-Allianz an, die sich im vergangenen Jahr auf dem Klimagipfel
in Bonn gegründet hatte. Entwicklungsbanken
kündigten an, im Einklang mit dem Pariser Abkommen künftig nur noch
klimaschutzfreundliche Kredite zu vergeben
. Und im brasilianischen Pavillon
erklärte der Umweltpolitiker
Alfredo Sirkis
, falls die
neue Regierung das Pariser Abkommen tatsächlich kündige, werde man eben
unterhalb der nationalen Ebene weiter am Klimaschutz arbeiten
– ganz so,
wie es auch in den USA passiert.

Ohne die regelmäßigen Klimagipfel und ohne das Pariser
Abkommen würde es diese Initiativen nicht geben. Auch dafür ist die
internationale Diplomatie innerhalb der Vereinten Nationen gut: Sie stößt
Prozesse an, die funktionieren, selbst wenn es auf der obersten Ebene gerade nur
schleppend weitergeht. Und sie verschafft den Menschen Aufmerksamkeit, die
dafür kämpfen, dass sich mehr bewegt: so
wie Greta Thunberg
, die 15-jährige Schwedin, die in ihrem wochenlang die
Schule für den Klimaschutz bestreikte und dann in Katowice den
Delegierten eine Gardinenpredigt hielt
. Greta inspirierte viele.

Die gute Nachricht dieses Klimagipfels ist deshalb: Auch wenn
der Fortschritt langsam ist, es geht voran. Und noch bleibt Zeit, um die Wende
zu schaffen – das ist die gute Nachricht, die der Weltklimarat im Herbst in
seinen 1,5-Grad-Bericht verpackte. Etwa zehn Jahre haben wir noch. Das ist
wenig. Aber aufgeben ist keine Option. Die nächste größere Klimakonferenz
findet im kommenden September in New York bei den Vereinten Nationen statt. Der
nächste Klimagipfel ist dann in Chile.

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