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Paragraf 219a: Wir informieren über Schwangerschaftsabbrüche

Ungewollte Schwangerschaften medizinisch zu beenden, ist kein Markt, um den Ärztinnen und Mediziner kämpfen würden. Doch dieser Eindruck kann entstehen, seit wieder über § 219a des Strafgesetzbuches diskutiert wird. Der wird oft als Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche bezeichnet – ein missverständlicher Ausdruck. Denn der Paragraf verbietet nicht nur Werbung, sondern stellt bereits unter Strafe, wenn Ärztinnen und Ärzte öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche informieren und dies zu ihrem
“Vermögensvorteil” geschieht. Und das gilt eben auch für Ärztehonorare, die ohnehin für
Behandlungen und Eingriffe anfallen. Aus diesem Grund wurde die Medizinerin Kristina Hänel dieses Jahr zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Sie gab auf ihrer Website an, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt und auf Wunsch Informationen über den Eingriff verschicken würde.

Seit Jahren gibt es deshalb Streit um den Paragrafen, viele Kritiker sähen
in gern abgeschafft. Gegner von Abbrüchen hingegen halten an
ihm fest. Nun haben sich CDU und SPD darauf geeinigt, § 219a des Strafgesetzbuches zu ergänzen, aber nicht abzuschaffen. Künftig sollen zumindest die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und die Bundesärztekammer unabhängig darüber informieren, was Schwangerschaftsabbrüche bedeuten, welche Möglichkeiten und Risiken es gibt und wer den Eingriff bezahlt.

Jede Frau, die über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenkt, sollte
immer und uneingeschränkt Zugang zu hochwertigen Informationen haben. ZEIT ONLINE beantwortet deshalb – wie schon nach dem Urteil gegen Kristina Hänel* – die wichtigsten medizinischen Fragen rund um Schwangerschaftsabbrüche.

Welche Methoden gibt es, um eine Schwangerschaft zu beenden?

Entweder
gibt es eine Operation oder es werden Medikamente gegeben. Während
eines Eingriffs saugen Medizinerinnen oder Ärzte das embryonale Gewebe
in der Gebärmutter ab oder schaben es aus. Bekommt die Patientin
Medikamente, greifen diese gezielt in den Hormonhaushalt der Frau ein.
Die Gebärmutter wird dazu gebracht, den Embryo abzustoßen, gemeinsam mit
der obersten Schicht der Gebärmutterschleimhaut, in der er nistet.
Knapp 80 Prozent der rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017
waren Absaugungen und Ausschabungen, 20 Prozent wurden mit Medikamenten
durchgeführt.

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Ist die Pille danach nicht auch eine Form des Schwangerschaftsabbruchs?

Nein, die Pille danach,
die seit 2015 in Deutschland in Apotheken rezeptfrei erhältlich ist,
ist ein Verhütungsmittel. Der Grund: Wenn die Eizelle bereits
befruchtet, also ein Embryo entstanden ist, wirkt sie nicht mehr. Die
Hormone, die sie enthält (Gestagene, also synthetische Formen des im
Körper natürlich vorkommenden Progesteron), sorgen vielmehr dafür, dass
der Eisprung sich verzögert oder ganz ausbleibt (Ärzteblatt: Kothé, 2008).
Frauen, die während ihrer fruchtbaren Phase, also im Zeitraum von sechs
Tagen vor und einem Tag nach dem Eisprung, Sex ohne Verhütung hatten,
können sie einnehmen. Die Pille danach ist sehr wirksam. Sie verringert
die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, um bis zu 95 Prozent. Dabei
gilt grob gesagt: Je früher man sie nimmt – am besten innerhalb von 24
bis 48 Stunden –, desto besser wirkt sie.

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Welches Verfahren sollte angewendet werden?

Das
hängt davon ab, wie weit die Schwangerschaft schon fortgeschritten ist
und was die Schwangere sich wünscht. Aber auch von der Anatomie der Frau
und mitunter auch davon, welches Verfahren die behandelnde Ärztin oder
der Arzt gut beherrscht. Bevor die Ärztin einen Abbruch vornimmt, prüft
sie sorgsam mit Ultraschall und Bluttests, ob die Frau überhaupt
schwanger ist. Generell können Medizinerinnen und Mediziner aber nur bis
ungefähr zur zwölften Schwangerschaftswoche operieren, denn danach ist der
Embryo zu groß. Der Abbruch mit Medikamenten ist bis zum 63. Tag, also
zur neunten Schwangerschaftswoche, zugelassen. “Grundsätzlich kann er
aber die ganze Schwangerschaft über erfolgen und auch zur Einleitung
einer Geburt verwendet werden”, erklärt Christian Fiala, der ärztliche
Leiter des Gynmed Ambulatoriums Wien, das sich auf
Schwangerschaftsabbrüche und Familienplanung spezialisiert hat.

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Wie funktionieren die operativen Verfahren?

Dafür
schabt die Ärztin entweder mit einem chirurgischen Werkzeug das
embryonale Gewebe aus der Gebärmutter oder saugt es mit einem kleinen
Plastikschlauch, in dem ein Unterdruck herrscht, heraus. Die
Absaugmethode ist schonender, dabei entfernt die Ärztin meist auch den
obersten Teil der Schleimhaut der Gebärmutter mit, die sonst bei der
Regelblutung abgestoßen wird. Damit die Ärztin mit dem Schlauch gut in
die Gebärmutter kommt, muss sie den Muttermund weiten: Entweder mit
Stäbchen oder mit einem Medikament, das man auch bei der
Schwangerschaftseinleitung nutzen kann, einem Prostaglandin. Die
Schwangere bekommt außerdem wegen der Schmerzen eine Betäubung – je nach
Wunsch entweder lokal am Gebärmutterhals oder aber eine kurze
Vollnarkose. “Der Eingriff dauert wenige Minuten”, erklärt Fiala. Vor
allem aber seien die Risiken sehr gering: Sehr selten kann es zu
Infektionen oder einer allergischen Reaktion auf die
Narkosemittel kommen. “Die Angst vor einer Unfruchtbarkeit ist unbegründet”,
sagt Fiala. “Sie stammt aus einer Zeit, in der Schwangerschaftsabbrüche
streng verboten waren und unter schlechten hygienischen Bedingungen
vorgenommen wurden.” Damals kam es eben zu Infektionen, die von der
Gebärmutter in die Eileiter aufstiegen, diese verklebten und die Frauen
damit unfruchtbar machten. Heute sei eher das Gegenteil der Fall: Viele
Frauen unterschätzten, sagt Fiala, wie schnell sie nach einem Abbruch
wieder schwanger werden können. Im Regelfall sind das nämlich nur zwei
Wochen.

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Wie funktionieren die medikamentösen Verfahren?

Der
weibliche Körper kontrolliert eine Schwangerschaft, indem er verändert,
welche und wie viele Hormone ausgeschüttet werden. Vor allem das Hormon
Progesteron sorgt dafür, dass die Schleimhaut und das ungeborene Leben,
das darin nistet, nicht abgestoßen werden. Gebildet wird es zuerst vom
Gelbkörper des Eierstocks und später vom kindlichen Anteil der Plazenta.
Beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch hemmt der Arzt das
Progesteron-Signal mit der Substanz Mifepriston. Dann muss die Frau
ungefähr drei Tage warten, ehe sie ein zweites Präparat, ein
Prostaglandin, einnimmt. Das führt dazu, dass sich die Gebärmutter
zusammenzieht und der bereits abgestoßene Embryo in einer Blutung
abgeht. Diese Abbruchblutung sei vollkommen identisch mit einer
spontanen Fehlgeburt, erklärt Christian Fiala. “Es kann auch kein Arzt
feststellen, ob ein spontaner oder ein eingeleiteter Abort vorliegt.”
Das gilt auch für die Nebenwirkungen: Die Frauen leiden unter mitunter
starken Blutungen und krampfartigen Schmerzen. Ungefähr jede hundertste –
genau wie bei einem natürlichen Schwangerschaftsabgang – muss deshalb
ins Krankenhaus. Schwerwiegende Komplikationen sind aber selten.

Auch
bei Spätabbrüchen, also ungefähr nach der zwölften Schwangerschaftswoche,
wird eine Form der medikamentösen Methode benutzt. Hier aber muss die
Frau das noch nicht lebensfähige Kind wie bei einer normalen Geburt,
meist im Krankenhaus, zur Welt bringen. Sehr selten sind Abbrüche nach
der 20. Schwangerschaftswoche, bei denen das Kind möglicherweise
lebensfähig zur Welt kommen würde. Um das zu verhindern, kann dem Kind
über die Nabelschnurvene eine Kaliumchloridlösung injiziert werden, die
zum Herzstillstand führt. Derartige Fälle sind in Deutschland aber sehr
selten (2017: 592 Fälle) und werden oft im Ethikrat einer Klinik abgestimmt.

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Hat ein Abbruch psychische Probleme zur Folge?

CDU und SPD haben sich darauf geeinigt, dieser Frage, mit der sich Wissenschaftlerinnen und Forscher schon
eine ganze Weile beschäftigen, eine Studie zu widmen. Tatsächlich ist die Studienlage zum Thema bisher eher schlecht. Dort aber, wo es hochwertige Studien gibt, zeigen sie, dass
Schwangerschaftsabbrüche – vor allem, wenn sie früh vorgenommen wurden
und ein einmaliges Ereignis sind – nicht zu psychischen Problemen führen
(American Psychological Association: Major et al., 2008; Academy of Medical Royal Colleges: Cantwell et al., 2011; New England Journal of Medicine: Munk-Olsen et al., 2011).
In diesen Untersuchungen findet sich nicht einmal wieder, dass Frauen,
die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, oft unter großem sozialen
Druck stehen, weil viele ihrer Mitmenschen den Eingriff verurteilen. Und
eine Konfrontation mit derartigen Moralvorstellungen kann selbst psychische Probleme auslösen.

Und was empfinden Frauen dann nach
einem Abbruch? Das versuchte eine Studie des Familienplanungszentrums
Hamburg herauszufinden. Das Fazit der Autorinnen: Die meisten Frauen waren “traurig und befreit zugleich”.
Das ist etwas, das Christian Fiala bestätigen kann. Frauen, die
ungewollt schwanger sind, befänden sich ohnehin in einer
Problemsituation ohne einfachen Ausweg. “Und unserer Erfahrung nach ist
der Abbruch oft die beste Lösung – auch für die Psyche.”

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Bis zu welcher Schwangerschaftswoche ist ein Abbruch erlaubt?

§ 218 des Strafgesetzbuches besagt, dass ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich
verboten ist. § 218a aber regelt, unter welchen Umständen der Abbruch
nicht strafbar ist. Das ist der Fall, wenn eine Ärztin oder ein Arzt den
Eingriff vor der zwölften Schwangerschaftswoche vornimmt, nachdem sich
die Schwangere in einer dafür anerkannten Beratungsstelle hat beraten
lassen.

Nach der zwölften Woche sind Schwangerschaftsabbrüche nur
noch dann erlaubt, wenn es die Mutter psychisch oder körperlich
schwer belasten würde, das Kind zu behalten. Was genau das bedeutet, ist
Auslegungssache. Typischerweise zählt dazu eine Lebensgefahr für die
Schwangere oder eine schwere Behinderung des Kindes.

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An wen genau können sich Schwangere wenden, die ihr Kind nicht behalten wollen?

Gesetzlich anerkannte Beratungsstellen sind beispielsweise: pro familia, das Diakonische Werk, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt und donum vitae.
Auch Frauenärztinnen und -ärzte bieten die Pflichtberatung an. Christian Fiala betreibt zudem eine Webseite, auf der sich eine unverbindliche Liste von Ärztinnen und Kliniken findet, die Abbrüche vornehmen. Der
Arzt, der den Eingriff vornimmt, darf jedoch nicht zuvor die Beratung
durchgeführt haben. Zwischen dem Gespräch und dem Eingriff müssen drei
Tage Bedenkzeit liegen. Gisela Hilgefort arbeitet in der Beratungsstelle
von pro familia Mainz. Das Gesetz sieht vor, dass die Beratung
einerseits “dem Schutz des ungeborenen Lebens” und nicht primär der
Mutter dienen, andererseits aber auch ergebnisoffen sein soll. “Bei
uns bekommen die Frauen praktische Informationen zu Hilfsangeboten,
wenn sie sich entscheiden, die Schwangerschaft zu behalten, oder zu den
Verfahren für einen Schwangerschaftsabbruch”, sagt Hilgefort. Außerdem
vermittle sie Ärzte. Sie beobachtet, dass sich eigentlich jede Frau mit
der Entscheidung eine Schwangerschaft abzubrechen, schwertut. “Das liegt
am gesellschaftlichen Klima und an dem Respekt vor dem werdenden
Leben”, sagt sie.

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