/Kunstmarkt: Viel Sonne und wenig Sorgen

Kunstmarkt: Viel Sonne und wenig Sorgen

Kunst
ist ein Job wie jeder andere. Das zeigt die neue Studie von Magnus Resch, Kunstmarktexperte, Start-up-Gründer
und Autor des Bestsellers Management von
Kunstgalerien
. Mit einem Team von Datenwissenschaftlern der Havard-Universität hat Resch gerade eine große Studie veröffentlicht, wie es sie in
diesem Umfang noch nie gegeben hat. Drei Jahre lang haben sie dafür weltweit
mehr als eine halbe Million Ausstellungen ausgewertet, sowohl in Museen als
auch in Galerien. Zudem haben sie mehr als 100.000 Auktionen in über 1.000 Auktionshäusern
analysiert. So konnten sie die Karrieren von knapp 500.000 Künstlern rekonstruieren.

“Der Kunstmarkt ist undemokratisch.”

Magnus Resch, Kunstmarktexperte

Das Ergebnis: Können spielt für den Erfolg einer Künstlerin oder
eines Künstlers eine geringere Rolle als das richtige Netzwerk. Künstler brauchen
Geduld. Außerdem sollten sie eine eigene Marke etablieren. Und schließlich muss ihre Kunst natürlich in der richtigen Institution hängen. Laut der Studie
sind das vor allem die großen amerikanischen Museen wie das Museum of Modern Art in New York, das Guggenheim Museum und die großen amerikanischen Galerien. Die
Ergebnisse der Studie sind im Wissenschaftsmagazin
Science unter dem Titel Quantifying reputation and success in art
erschienen. Im Interview mit dem Kunstmagazin Monopol fasst Resch sie so
zusammen: “Der Kunstmarkt ist undemokratisch.” Man könnte auch sagen:
Leistung erbringen, die richtigen Leute kennenlernen, Marke aufbauen, Erfolg
haben – wie in jeder anderen Branche.

Aber wie geht Netzwerken in der Kunst? Einer, der es
perfektioniert hat, ist der deutsche Galerist Judy Lybke. Seit knapp 40 Jahren
ist er im Geschäft, hat Galerieräume in Berlin und Leipzig. Mitte der Achtzigerjahre
entdeckte er den Künstler Neo Rauch – und machte ihn groß. Heute ist Rauch
einer der weltweit bedeutendsten Künstler, seine Bilder hängen unter anderem im
Museum of Modern Art in New York. Lybke sagt: “Netzwerken heißt, mit
Menschen zusammen sein.” Er geht zu vielen Ausstellungseröffnungen. Meistens
trifft er eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung ein. Er geht um das Haus
herum, macht sich mit dem Ort vertraut, begrüßt die Eintreffenden. Doch wenn
drinnen die Feierlichkeiten beginnen, ist er oft schon wieder auf dem Rückweg. Mit den
richtigen Leuten hat er vorher gesprochen.           

Wie macht es der Popstar unter den Galeristen?

Doch das allein reicht nicht. Das sagt Lybkes Kollege, der
Berliner Galerist Johann König. Sein Job ist es, Künstler zu entdecken, sie zu
fördern und dann mit ihnen Geld zu verdienen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte König den Popstar unter den
Galeristen. König macht in Deutschland die Superstar-Künstler. Seine Räume befinden
sich in der ehemaligen katholischen Kirche St. Agnes in Berlin-Kreuzberg. Die
karge, brutalistische Architektur verschluckt die Besucher nur deshalb nicht,
weil die mittlerweile in Massen in die Galerie strömen. Einzelne Teile seiner
hauseigenen Merchandise-Kollektion “König Souvenir”, für die Künstler Leggins,
T-Shirts und Baseballcaps entwerfen, kann er gar nicht so schnell
nachproduzieren, wie seine Hipster-Klientel sie ihm aus den Händen reißen
möchte.

Doch so gut lief es natürlich nicht sofort. Als König mit Anfang
20 seine Galerie gründete, musste er die Besucher mit Freibier zu seinen
Eröffnungen locken, damit überhaupt jemand kam. “Die Marktpenetration
dauert eine Weile”, sagt König. Künstlern rät er, auf jeden Fall selbst
aktiv zu werden und zum Beispiel Galeristen anzusprechen. So habe es Alicja Kwade vor gut zehn Jahren mit ihm gemacht. Er habe sie bei einem Rundgang an
der Universität der Künste Berlin zum ersten Mal gesehen; sie blieb dran,
suchte den Austausch mit König. sie sei damals sehr offensiv gewesen, das habe ihn beeindruckt. Er kaufte ihr Arbeiten ab. Mittlerweile
ist Kwade omnipräsent in der internationalen Kunstszene, ihre Arbeiten sind in
vielen Museen zu sehen.

“Tja, ob das bei euch genauso gerade ist? I daut it!”

Damit wurde Magnus Resch eine YouTube-Berühmtheit

Der Kunstmarktexperte Resch brauchte nur elf Sekunden und ein
überfröhliches Urlaubsvideo von einer Skipiste, um bekannt zu werden: Resch
brettert bei strahlendem Sonnenschein eine Skipiste herunter, ruft Wooohooo!
und schmettert: “Tja, ob das bei euch genauso gerade ist? I daut
it!”
– Denglisch für: Das bezweifle ich. Im Internet ging das Video viral
und wurde ein Meme, das heute noch bekannt ist. So wurde Resch eine YouTube-Berühmtheit. 

Wie verändern die sozialen Medien
den Kunstmarkt? Wie verdienen Künstler heute Geld? Der Instagram-Account
des Künstlers Andy Kassier zeigt, wie das geht. Kassier lebt ein Leben – zumindest
lässt er das seine Follower glauben –, das viele sich erträumen. Viel Sonne, viel
Strand, wenig Sorgen. Er hat, was es braucht, um das gute Lebens in den
sozialen Medien zu feiern: ein Smartphone und ein Netzwerk, damit er immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, um
sich schnell auf die Motorhaube eines Luxusautos werfen zu können oder um in
einem Anzug von Brioni ins Mittelmeer einzutauchen. Was das soll? Kassier reflektiert
männliche Rollenklischees in den sozialen Medien und übertreibt es absichtlich
mit der Selbstvermarktung.

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