/Klimaökonom Ottmar Edenhofer: “Wir dürfen die Bürger nicht nur schröpfen”

Klimaökonom Ottmar Edenhofer: “Wir dürfen die Bürger nicht nur schröpfen”

Kurz vor dem
Klimagipfel in Katowice veröffentlichten die Vereinten Nationen neue
Berechnungen, die zeigen:
Die Emissionen steigen, statt zu sinken. Ein wesentlicher Grund
dafür: Weltweit werden immer noch viele Kohlekraftwerke gebaut.

Kohleenergie ist
billig zu haben. Doch wenn die Regierungen ihre Selbstverpflichtung zum
Klimaschutz ernst nehmen, müssen sie sich von ihr verabschieden. Wie kann das
gelingen? Fragen an den Klimaökonomen Ottmar Edenhofer, den
designierten Direktor des Potsdam Instituts
für Klimafolgenforschung PIK
und
Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change
MCC.

ZEIT ONLINE: Herr Edenhofer, vor drei Jahren wurde der Pariser
Klimagipfel
als Anfang vom Ende der Kohle gefeiert. Man dachte, durch den
Vertrag würde das weltweit verfügbare Kapital fortan in klimafreundliche
Energiegewinnung fließen. Stattdessen erleben wir eine Kohlerenaissance. Wie
kann das sein?

Ottmar Edenhofer: Ich war von Anfang an skeptisch. Dass der
Pariser Klimavertrag den Abschied von der Kohle einläuten würde, habe ich nie
geglaubt. In Wahrheit ist es bei der Renaissance der Kohle geblieben. Dafür
gibt es mehrere Gründe.

ZEIT ONLINE: Welche sind das?

Edenhofer: Kohle ist zu billig. Der Marktpreis spiegelt die sozialen
und ökologischen Kosten nicht wider. Nehmen Sie die Luftverschmutzung: Die ist
nicht eingepreist. Hinzu kommt, dass Investitionen in erneuerbare Energien sehr
kapitalintensiv sind. Sie reagieren damit stark auf das Zinsniveau. Sind die
Zinsen hoch, hat die Kohle einen Vorteil.

ZEIT ONLINE: Aber die Zinsen sind doch im Moment sehr
niedrig.

Edenhofer: In Europa, ja. Aber in den USA hat die Zinswende schon
begonnen, und in den Schwellen- und
Entwicklungsländern sind die Zinsen bereits hoch. Dementsprechend ist dort der
Bau von Anlagen, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, viel teurer als
in den Industrieländern. Die größten Investitionen in Kohlekraftwerke finden
dort statt: in China, Indien, Vietnam, der Türkei, Indonesien, Ägypten. Sogar
Bangladesch, das durch den Klimawandel sehr stark bedroht ist, baut
Kohlekraftwerke
.

ZEIT ONLINE: Was passiert, wenn die Zinsen bald auch
woanders wieder steigen, also auch in Europa?

Edenhofer: Dann hat die Kohle einen noch größeren Vorteil.
Ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger machen da schon einen großen
Unterschied.

ZEIT ONLINE: Kann die Politik die Risikoaufschläge auf
Zinsen in Entwicklungsländern nicht zum Beispiel durch Bürgschaften
ausgleichen?

Edenhofer: Das wäre eine Möglichkeit. Die multilateralen
Entwicklungsbanken könnten sich verpflichten, nur noch klimafreundliche
Investitionen zu fördern. Und der Green Climate Fund der Vereinten Nationen
könnte Bürgschaften vergeben, um das Ausfallrisiko für Investitionen in Erneuerbare
zu senken.

ZEIT ONLINE: Es heißt doch immer, die erneuerbaren Energien
seien so billig geworden. Warum setzen sie sich dann nicht durch?

Viele Regierungen fördern die Kohle auch noch politisch.

Edenhofer: Es stimmt, dass der technische Fortschritt viel
gebracht hat. Das wurde von allen Analysten unterschätzt. Die Erneuerbaren sind
deshalb auch stark ausgebaut worden. Aber die Folgen sind paradox: Wenn die
erneuerbaren Energien stärker genutzt werden, sinkt die Nachfrage nach fossilen
Energieträgern, und dadurch sinkt deren Preis – was wiederum dazu führt, dass
sie dann doch wieder stärker genutzt werden.

Kalkuliert man dann noch die Kosten mit ein, die entstehen,
weil man die Fluktuation von Sonne- und Windstrom ausgleichen muss, dann sind
die Erneuerbaren vielfach noch teurer als Kohle. Und das sind nur die
ökonomischen Fundamentaldaten. Dazu kommt, dass viele Regierungen die Kohle
auch noch politisch fördern, zum Beispiel in Indien. Dagegen können sich die
erneuerbaren Energien kaum durchsetzen.

ZEIT ONLINE: Das klingt, als würde die Kohle trotz aller
Klimagipfel auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

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