/“Tatort” Ludwigshafen: Und dann sammelte er Internetnachrichten

“Tatort” Ludwigshafen: Und dann sammelte er Internetnachrichten

Das Verhältnis zwischen dem Münchner Tatort letzte Woche und dem aus Ludwigshafen jetzt fühlt sich an wie das zwischen der besten Party
ever und dem größtem Kater danach. Während bei Wir kriegen euch alle jede Minute hätte 90 Sekunden haben können,
weil alles so formvollendet aufregend erzählt war, würde man bei Vom Himmel hoch (SWR-Redaktion: Ulrich Herrmann) am liebsten vorspulen, um an den Punkt zu
geraten, an dem es spannend wird – und hätte vor dem Abspann nicht Stopp
drücken müssen.

Vermutlich hat es auch etwas Gutes, wenn einen nach dem
anhaltend hohen Niveau der vergangenen vier Wochen und dem Höhepunkt aus
München die Ludwigshafener Folge daran erinnert, dass der Tatort in der Regel ambitionslos vor sich hinroutiniert. So wie das
Leben halt, da ist ja auch nicht immer Weihnachten.

Wobei ambitionslos vielleicht etwas ungerecht ist: Vom Himmel hoch möchte schon eine dolle,
politisch wuchtige Geschichte erzählen – von einem Anschlag auf einen
US-amerikanischen Staatssekretär, der als Erfinder des Drohnenprogramms eingeführt
wird. Leider fehlen dem Film dafür die Mittel (Buch und Regie: Tom Bohn).

Seine, äh, Sparsamkeit zeigt sich schon daran, dass die
beiden Anschlagsplaner sich das Motiv teilen: ein kurdisch-deutsches Brüderpaar
(Cuco und Diego Wallraff), das das Leid des Drohnenkriegs an der eigenen
Familie erfahren hat, mit seinem Wunsch nach Anerkennung bei Politik und
Fernsehshows aber abgeblitzt ist, und eine traumatisierte US-Soldatin namens
Heather Miller (Lena Drieschner), die nach dem Töten von “300” oder
“drei Dutzend” Menschen (ihre eigenen Angaben gehen da auseinander)
genug hat von der Arbeit am Computer mit der Drohne.


Matthias Dell schreibt seit 2010 wöchentlich über “Tatort” und “Polizeiruf 110”. Auf ZEIT ONLINE seit 2016 in der Kolumne “Der Obduktionsbericht”.
© Daniel Seiffert

Beiden Parteien geht es bei ihren ungewöhnlich einfühlsamen,
ja rührenden Videobotschaften darum, sich dafür zu entschuldigen für die Anschläge,
die sie leider bald begehen werden. Die sollen nämlich ein Zeichen für den Frieden sein,
eine Warnung, welch mörderische Auswirkungen der Drohnenkrieg auf Zivilisten hat.
Ein hehres Ansinnen! Nur fragt man sich, warum solche friedliebenden Menschen
nicht skrupulöser agieren und sich selbst schuldig machen. Aber darauf hat das
Drehbuch eine Antwort: “Es ist traurig, aber nötig.”

Wenn das so ist, dann ist es wohl so. Es ist überhaupt
auffällig, wie oft Figuren in diesem Tatort
etwas sagen im Bewusstsein, dass es schon tausendmal gesagt worden ist.
“Eine übliche Routinefrage”, leitet Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) das
Gespräch mit der Kollegin eines eingangs ermordeten Psychotherapeuten ein.
Dabei wird die Frau (Beate Maes) das ja zum ersten Mal gefragt. Mit “Ja, famous last words” leitet derweil
Heather Miller ihr Abschiedsvideo ein, mit dem sie die geplante Ermordung des
US-Staatssekretärs erklären will – als habe sie selbst das Gefühl, die Welt,
der sie doch was ganz Wichtiges mitteilen will, mit ihrer Predigt zu
langweilen.

Das Lustige ist, dass es zwar dieses Bewusstsein über das
eigene Sprechen gibt, der größte Teil des Dialogmaterials aber aus lauter
belanglosen Sätzen besteht. Der US-amerikanische Staatssekretär (Jason O’Connor)
bewegt sich durch den ganzen Film mit Begrüßungsformeln oder macht – wenn es um
den Grund seiner Tour geht, einen Deal mit dem deutschen
Verteidigungsministerium über gemeinsamen Drohnenbau – so obercheckerhafte
Infodurchsagen (“Schließlich bauen wir die besten, weltweit”).

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