/“Tatort” Ludwigshafen: Das Sirren des Bösen

“Tatort” Ludwigshafen: Das Sirren des Bösen

Im Ludwigshafener Tatort: Vom Himmel hoch wird ein renommierter
Psychiater erschlagen in seiner Praxis aufgefunden. Dr. Steinfeld war
spezialisiert auf Kriegstraumata, er behandelte zivile Opfer wie auch
Militärangehörige der US Air Base in Ramstein.

Unter den Verdächtigen ist Heather Miller, die im Drohnenkrieg für
Piloten mögliche Ziele identifiziert hat und wegen depressiver Anfälle
nach Deutschland versetzt wurde. Aber Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist vor allem vom Fall des Mirhat Rojan gefesselt. Der Kurde
verlor bei einem amerikanischen Drohnenangriff im Irak seine beiden
Kinder, lebt inzwischen bei seinem Bruder in Ludwigshafen und ist durch
öffentliche Protestaktionen polizeibekannt.

Doch die Rojans sind untergetaucht. Je intensiver die beiden
Polizistinnen Lena Odenthal und Johanna Stern (Lisa Bitter) sich mit dem
Paar beschäftigen, desto mehr konkretisiert sich der Verdacht, dass sie
einen Drohnenanschlag planen: ein Attentat auf Jason O’Connor,
Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium, der zeitnah in
Deutschland erwartet wird.

1. Worüber werden am Montag alle reden?

Christian Buß: Darüber, wie schnell sich offenbar aus Spielzeug und Kameradrohnen Kampfgerät bauen lässt.

Lars-Christian Daniels: Über den Drohnenkrieg, über die demolierten Gesichter der Damen und vielleicht auch über das sympathische Easter Egg, das Regisseur Tom Bohn bei Minute 51 in seinen 17. Tatort eingebaut hat. 

Matthias Dell: Über die Weihnachtsgeschenke, die noch besorgt werden müssen.

Kirstin Lopau: Über die Ethik und die Moral eines mit Drohnen geführten Krieges und darüber, wie pervers das eigentlich ist. Und uns kommt einmal mehr das Tucholsky-Zitat zu Soldaten in den Sinn.

2. Was haben Sie aus diesem “Tatort” gelernt?

Christian Buß: Der Militärflugplatz der United States Air Force in Ramstein ist wichtig für den Drohnenkrieg der USA, weil, so ein deutscher Staatsanwalt in diesem Tatort über Geopolitik: “Die leiten da die Funksignale weiter wegen der Erdkrümmung!”

Lars-Christian Daniels: Johanna Stern kann tatsächlich auch ohne Tablet ermitteln!

Matthias Dell: Dass ein Hotel, in dem ein krass wichtiges Treffen zwischen deutschem Verteidigungsminister und US-amerikanischem Staatssekretär stattfindet, nebenher noch “fully booked” ist, und dass der Staatssekretär durch Flure laufen muss, in denen Putzwagen rumstehen und offenbar gewöhnliche Hotelgäste wohnen.

Kirstin Lopau: Wenn man die Identität einer Polizistin oder eines Polizisten annehmen möchte, reicht es, dass Haarfarbe und in etwa auch die Länge zum eigenen Haar übereinstimmen. Weitere Unterschiede zwischen Dienstausweisfoto und der Wirklichkeit fallen selbst im Hochsicherheitsbereich nicht auf. Außerdem lernen wir, dass Lena einen Apfel mit bloßen Händen halbieren kann. Vor allem aber verstehen wir die Wahrheit hinter diesen Worten: “Erst wenn es richtig knallt, schreibt die Presse. Dann reagiert auch die Politik.”

3. Welche Frage bleibt offen?

Christian Buß: Oder werden von Ramstein aus doch auch Drohnen durch US-Soldaten gelenkt? Der Tatort heizt da Spekulationen an, ohne weiter in die Tiefe zu gehen.

Lars-Christian Daniels: Wer hat nach diesem Fall die größeren Schmerzen – Lena Odenthal oder Johanna Stern?

Matthias Dell: Warum? Oder um etwas konkreter zu werden: Wieso raunzt der Staatsanwalt (Max Tidof) Lena Odenthal an, als die ihm von Anschlagsplanungen gegen den US-amerikanischen Staatsgast erzählt, als wolle sie die Superduper-Geheimformel von Coca-Cola ausplaudern – wäre es nicht nächstliegend, zu sagen, oh, das müssen wir aber schnell rausfinden, statt zu hoffen, aus Angst vor schlechter Presse, dass schon nichts passieren wird, wo doch die Presse, wenn es passiert wäre und die Polizei davon gewusst und nichts unternommen hätte, tausendmal schlechter wäre?

Kirstin Lopau: Schweißt das Erlebte in dieser Folge das nicht mehr ganz so neue Ermittlerinnenduo in Ludwigshafen endlich dauerhaft zusammen?

4. Welche Rolle hätte man besser besetzen sollen? Und mit wem?

Christian Buß: Na ja, Kopper fehlt. In einer Szene wird sich melancholisch an den ewigen Sidekick erinnert, der jetzt in Italien weilt.

Lars-Christian Daniels: Der obligatorische Konflikt zwischen den Ermittlern und einem arroganten Oberstaatsanwalt (hier: Max Tidof) wurde im Tatort leider schon viel zu häufig erzählt – hätte man gleich ganz weglassen können.

Matthias Dell: Jede? Wobei es sicherlich auch hilfreich gewesen wäre für die Schauspielerinnen, wenn die Rollen Rollen und nicht nur vage Zuschreibungen gewesen wären.

Kirstin Lopau: Keine. Max Tidof als Oberstaatsanwalt ist gar nicht zu erkennen, so schmierig ist er. Schön!

5. Von welcher Szene werden Sie träumen?

Christian Buß: Von dem gespenstischen Surren dieser Killerdrohnen, die doch wie Spielzeug aussehen.

Lars-Christian Daniels: Von der Szene, in der Odenthal an der Kaffeemaschine steht, an ihren Ex-Kollegen Kopper denkt und plötzlich ein paar Tränen verdrücken muss. Ex-Erzfeindin Stern nimmt sie erst mutig in den Arm und gibt danach den Elefanten im Porzellanladen: “Jetzt haste ja mich!”

Matthias Dell: Wie Johanna Stern am Ende stehend die sitzende Lena Odenthal umarmt, weil die noch mal Gewissensbisse vom Einsatz kriegt, und sich dabei so unschick runterbeugen muss – ein glamouröses Schlussbild, bei dem einem der Rücken vom Zugucken wehtut.

Kirstin Lopau: Von den ineinandergeschnittenen Szenen zu Drohnenangriffen begleitet vom Lied der Schlussszene: Yeah, I might seem so strong. Yeah, I might speak so long. I’ve never been so wrong. (London Grammar: Strong)

6. Von 0 (super spannend) bis 10 (schon um halb neun eingeschlafen): Wie viele goldene Schlafmützen bekommt dieser “Tatort”?

Christian Buß: 6 Schlafmützen 😴😴😴😴😴😴

Lars-Christian Daniels: 3 Schlafmützen 😴😴😴

Matthias Dell: 9 Schlafmützen 😴😴😴😴😴😴😴😴😴

Kirstin Lopau: Die erste Stunde plätschert etwas dahin, dafür sind die letzten 30 Minuten umso spannender. Deshalb 3 Schlafmützen. 😴😴😴

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