/Migranten in Mexiko: “Manche klettern in den Stacheldraht”

Migranten in Mexiko: “Manche klettern in den Stacheldraht”

Es ist ein paar Wochen
her, dass
die Migrantinnen und Migranten aus Zentralamerika, die gemeinsam
durch Mexiko in Richtung USA zogen
,
große Aufmerksamkeit erhielten. Damals twitterte US-Präsident Donald Trump noch
über sie. Inzwischen ist es ruhiger um die Gruppe geworden, aber sie ist immer
noch da – der größte Teil der Migranten sitzt in Tijuana fest, der
mexikanischen Stadt an der Grenze zu Kalifornien.

Welche Chancen haben sie,
hinüberzugelangen? Darüber haben wir mit der
Politikwissenschaftlerin Luicy Pedroza gesprochen, die am GIGA Institut für Globale und Regionale Studien zur Migration
in Mexiko forscht.

ZEIT ONLINE: Frau Pedroza, wie geht es den Migrantinnen und
Migranten aus dem Treck, der in den vergangenen Wochen durch Mexiko Richtung
USA gereist ist?

Pedroza: Die Mehrheit von ihnen ist mittlerweile in Tijuana
angekommen. Sie sind beieinandergeblieben. Das war das wichtigste Merkmal der
Gruppe: Sie wollten den Weg gemeinsam bewältigen. Dem sind sie treu geblieben.

ZEIT ONLINE: Zuletzt wurde berichtet, der Aufenthaltsort von
mehr als 2.000 Menschen aus der Gruppe sei unbekannt. Wie viele sind wirklich
noch zusammen?

Pedroza: Es gibt dazu keine exakten, verlässlichen Zahlen.
Die Angaben sind sehr unübersichtlich und sie verändern sich ständig. Das
liegt auch in der Natur der Sache. Als die Menschen noch in Mexiko unterwegs
waren, gab es ebenfalls widersprüchliche Informationen: Eine Zeit lang waren
wohl mehrere Gruppen unterwegs. Manche Migranten trennten sich vom Treck und
kehrten zurück in ihre Herkunftsländer oder sie entschieden sich, an einem
mexikanischen Ort zu bleiben – oder auf eigene Faust weiterzuziehen. Andere
stießen zur Gruppe hinzu. Was wir aber sicher wissen: Im Sportkomplex Benito Juárez in Tijuana waren zuletzt 6.000 Personen untergebracht.

ZEIT ONLINE: Warum ist die Gemeinschaft so wichtig für die
Migranten?

Pedroza: In der Gruppe unterwegs zu sein, ist eine
Strategie, um sich gegen die Gewalt und Kriminalität in Mexiko abzusichern. Sie
schützt vor Entführungen, Raub, sexueller Gewalt – und auch vor Festnahmen
durch die Migrationspolizei. Mexiko hat in den vergangenen Jahren sehr viele
Menschen nach Zentralamerika abgeschoben, und zwar ohne die vorgeschriebenen
rechtlichen Verfahrenswege zu beachten.

ZEIT ONLINE: Was bedeutet das?

Atemwegserkrankungen, Magen-Darm-Infekte: Am Ende herrschten unhaltbare Zustände.

Pedroza: Die Menschen werden nicht
darüber informiert, welche Möglichkeiten sie hätten, in Mexiko zu bleiben. Zum
Beispiel könnten sie Asyl beantragen, aber das erfahren sie nicht. Und wenn sie
keine Papiere bei sich tragen und ihre Nationalität deshalb nicht feststellbar
ist, dann bringt man sie einfach über die Grenze nach Guatemala. Auch davor
kann die Zugehörigkeit zu einer Gruppe schützen. Und schließlich erhält eine
Gruppe mehr Aufmerksamkeit durch Medien und Nichtregierungsorganisationen als
eine einzelne Person.

ZEIT ONLINE: Die Aufmerksamkeit scheint den Migrantinnen und
Migranten dieser Gruppe nicht geholfen zu haben. Die US-Behörden bearbeiten Asylanträge nur
sehr langsam. Die Menschen sitzen jetzt in Tijuana fest, und in dem
Sportstadion, in dem sie zuletzt untergebracht waren, herrschten schlimme
Zustände.

Pedroza: Es war dort wie in einem Zeltlager, allerdings gab
es nur die allernötigsten Hygieneeinrichtungen wie Duschen und Toiletten. Ein
Drittel der Leute kam schon mit Atemwegserkrankungen dort an. Andere hatten
Magen-Darm-Infekte. Zwar haben sich Sanitätsbrigaden um die Leute gekümmert, um
die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Aber dann regnete es heftig und
es wurde kalt. Am Ende herrschten unhaltbare Zustände. Deshalb hat man die
Leute jetzt in einer anderen Einrichtung weiter im Süden der Stadt
untergebracht.

ZEIT ONLINE: Es heißt, viele hätten sich geweigert, dorthin
umzuziehen. Stimmt das?

Manche haben sich entschieden, in Mexiko zu bleiben.

Pedroza: Manche vertrauen den Behörden nicht. Wenn Busse
auftauchen, die sie abholen sollen, dann fürchten sie, deportiert zu werden.
Sie haben Grund dazu, denn sie haben solche Erfahrungen schon gemacht. Aber das
Stadion musste geräumt werden. Die Unterstützung dort wurde eingestellt, die
Verhältnisse waren einfach zu schlecht.

ZEIT ONLINE: Wie schwierig wird es für die Menschen sein, in
die USA zu kommen?

Pedroza: Für die Asylanträge gibt es lange Wartelisten. Im
Moment stehen darauf mehr als 5.000 Personen – es kann Monate dauern, bis man
dran ist. Deshalb versuchen manche, über den Zaun zu steigen. Sie klettern in
den Stacheldraht, um festgenommen zu werden, weil sie hoffen, dann schneller
einen Asylantrag stellen zu können. Manche haben sich aber auch entschieden, in
Mexiko zu bleiben.

ZEIT ONLINE: Wie viele sind das?

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