/Diskussionen mit Kindern: “Ich will aber Glitzer”

Diskussionen mit Kindern: “Ich will aber Glitzer”

Wir haben morgens ein schönes Ritual, Juli und ich. Ich öffne ihren Kleiderschrank und versuche eine Kombination von verschiedenen Kleidungsstücken: Strümpfe, Schlüpfer, Unterhemd, Oberteil und Hose. Juli besieht sich meine Auswahl, setzt sich dann auf den Boden und weint bittere Tränen. “Die Hose kratzt.” Oder: “Das ist eine ganz blöde Hose.” Ich wähle eine neue Hose. “Ich hasse diese Hose!” Ich wähle eine andere Hose. “Ich will keine Hose, ich will ein Kleid.” Ich sage, dass es zu kalt ist für ein Kleid. “Es ist gar nicht zu kalt für ein Kleid.” Das hat Juli schon gut verstanden: Wenn man kein richtiges Gegenargument hat, dann negiert man einfach mit aller Kraft das Argument des Gegenübers, um es zu zermürben. Ich bin aber auch nicht blöd. Ich weiß, wenn sich eine Argumentation an einem Punkt festgefahren hat, wechselt man einfach auf ein anderes Feld. “Guck mal”, sage ich, “ich habe den schönen Pferdepullover rausgesucht.” Die Diskussionen am Morgen stehen stets ein wenig unter Zeitdruck. Schließlich muss man zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Kita sein, dann geht der Stuhlkreis los. Leere Stühle im Stuhlkreis sind nicht gerne gesehen. Es ist also ein bisschen wie bei den Brexit-Verhandlungen: Beide Seiten wissen, dass man bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Einigung erzielt haben muss, ansonsten kommt es zur Katastrophe. Das Problem ist: Juli steht der Möglichkeit der Katastrophe viel offener gegenüber, sie ist gewissermaßen der Boris Johnson von uns beiden.

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