/Immobilien: Hamburg verkauft 62 Gebäude – an sich selbst

Immobilien: Hamburg verkauft 62 Gebäude – an sich selbst

Sigrid Neudecker

Sigrid Neudecker
© Gretje Treiber

Guten Morgen,

gestern fand ich
Sie, liebe Hamburger, toll, weil großzügig. Heute müssen wir wieder einmal
ernsthafter miteinander reden. Denn als ich gestern nach getaner Arbeit über
den Weihnachtsmarkt auf dem Gerhart-Hauptmann-Platz ging, kam ich an einem
Rollstuhlfahrer vorbei, der versuchte, sich bergauf (!) über das
Kopfsteinpflaster (!!) Richtung Mönckebergstraße zu kämpfen. Umringt von
glühweintrinkenden Weihnachtsmarktbesuchern und Passanten, die einen großen Bogen
um ihn machten, vermutlich, damit er freie Bahn hatte, weil er ja so schnell
unterwegs war.

Kleiner Scherz.
Er war steckengeblieben. Und niemanden kümmerte das, weil: Der Glühwein könnte
ja kalt werden.

Es ist toll,
wenn vor Weihnachten tonnenweise Spielzeug gespendet wird, wirklich! Aber wer danach
gleich wieder an jemandem vorbeimarschiert, der ziemlich eindeutig Hilfe
brauchen kann, der bekommt ein Problem mit mir. Und man komme mir nicht mit “Man
weiß ja nie, ob jemand überhaupt Hilfe will”! Wollte er nämlich. Und auch wenn
nicht, dann hat man eben umsonst gefragt. Na und?

Aber wissen Sie
was? Selbst schuld! Auf diese Weise haben sich die gestrigen
Weihnachtsmarktbesucher um einen höchst amüsanten kleinen Spaziergang mit einem
witzigen jungen Mann gebracht.

Nicht, dass es
irgendwelche Anreize brauchen sollte, um kurz einmal mit anzupacken. Auch
außerhalb der Weihnachtszeit.

Stadt verkauft 62 Häuser

Kürzlich klopften die Politiker der Stadt
einander noch auf die Schultern, weil sie einem Immobiliengiganten erstmals
mittels Vorkaufsrecht ein Haus abspenstig gemacht hatten. Jetzt sorgt eine Senatsmitteilung für Ärger. Demnach
möchte die Stadt ihr “Immobilienmanagement optimieren”, wie es heißt. 62 Häuser aus dem gesamten Stadtgebiet
– darunter Kitas, Begegnungsstätten, aber auch das Schmidt Theater – sollen vom
Landesbetrieb für Immobilienmanagement
und Grundvermögen
an die Sprinkenhof
GmbH
übertragen werden. Verkaufspreis: 73,5 Millionen Euro. Ist das die
Rolle rückwärts? Nicht wirklich. Denn die Stadt verkauft an ihr eigenes
Unternehmen. Trotzdem erzeugte das Vorhaben gestern einen, wie Finanzsenator Andreas Dressel es in einem
Twitter-Post beschrieb, “Sturm im
Wasserglas”.
Kritiker befürchten, dass die Stadt durch den Verkauf an
Einfluss verlieren könnte und dadurch Immobilienverkäufe an Dritte einfacher
möglich werden. Norbert Hackbusch
von der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft befürchtet
Schlimmes: “Die Sprinkenhof hat in der Vergangenheit häufig
genug bewiesen, dass sie gegenüber kulturellen Ansprüchen immun ist – wie zum
Beispiel bei den Zinnwerken in Wilhelmsburg.” Die Finanzbehörde
wehrt ab. “Alle Gebäude bleiben in städtischer Obhut, einen Weiterverkauf wird
es nicht geben”, sagt deren Sprecher Claas
Ricker.
Immerhin sieht auch Schmidt-Theater-Chef Corny Littmann der Änderung entspannt entgegen. “Die Sprinkenhof AG
ist seit vielen Jahren unser Vermieter, zu dem wir in einem sehr guten
Verhältnis stehen”, sagt er. “Wir haben keinerlei Befürchtungen, dass diese
Beziehung in Zukunft beeinträchtigt werden wird.”

Hyperloop: Mit Schallgeschwindigkeit durch den Hafen?

“HHLA will Hyperloop:
Container in Schallgeschwindigkeit”, titelte das “Hamburger Abendblatt” bereits
Mitte November. Künftig könnten Güter per “Hyperloop” durch den Hafen rauschen.
Das von Tesla-Motors-Chef Elon Musk
erdachte Transportmittel will eigentlich Menschen auf einer Art Transrapid
durch Röhren schießen, in denen Luftwiderstand und Reibung dank eines Vakuums
so stark reduziert sind, dass Geschwindigkeiten
von bis zu 1.200 Stundenkilometern
erreicht werden können. Gespräche
zwischen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und dem US-Unternehmen gebe es
zwar tatsächlich, sagt Annette Krüger, Pressesprecherin der HHLA. Die konkreten Angaben in Bezug auf den
Hafen könne sie jedoch nicht bestätigen. “Ich frage mich, wo diese
Informationen herkommen.” Schließlich habe es noch keinen einzigen Test eines
Hyperloops gegeben. Womöglich scheitere das Projekt schon bei der geplanten Jungfernfahrt 2019 in Toulouse. Auch
müssten HHLA und die Firma Hyperloop TT erst einmal feststellen, ob Güter
überhaupt durch die Röhren sausen könnten. Auch den genannten Startpunkt am
Containerterminal Altenwerder sowie den Bau innerhalb der nächsten zwei bis
drei Jahre dementiert Krüger. Nur eine Grundidee stehe fest: Nach dem Entladen
an den Terminals könnten Güter in kurzer Zeit in Lager im Umland transportiert
werden. Die Vorhersage, auf diesem Weg bis zu 4100 Container täglich durch den
Hafen rauschen zu lassen und gar Lkw komplett zu ersetzen, erscheint Krüger
dagegen “viel zu optimistisch”. Alles Weitere will die HHLA heute auf einer
Pressekonferenz erklären.

Von Piraten und Drogenschmugglern

Große Aufregung, als der NDR gestern berichtete, vor Brasilien sei ein “Hamburger Frachter gekapert” worden. Gekapert! “Es klingt
dramatischer, als es war”, sagt jedoch Rainer
Horn
von der Reederei Hamburg Süd
erfreulicherweise. In der Nacht zum Sonntag hätten sich zwar mehrere Männer auf
den Containerfrachter “Cap San Marco” geschlichen,
der vor dem Hafen der Stadt Santos geankert hatte, aber, entkräftet Horn, “das
war kein Piratenangriff, und die
hatten auch keine Maschinengewehre oder so was”. Als ein Wachmann die Männer
entdeckte, fesselten sie ihn und eilten von dannen. “Die Crew hat keinen
Schaden davongetragen, das ist für uns erst mal das Wichtigste”, sagt Horn. Was
die Männer auf dem Schiff wollten, war vorerst unklar, der Frachter hatte
überwiegend Lebensmittel geladen. Da die brasilianische Polizei später aber
auch rund 400 Kilogramm Kokain in einem
Container
entdeckte, waren wohl keine Schatzsucher, sondern Drogenschmuggler
am Werk. Die brasilianischen Behörden ermitteln. Kommt so etwas öfter vor? “Das
sind Einzelereignisse”, sagt Horn. “Wir haben es eher mit Tauchern zu tun, die
versuchen, Schmuggelware außen an den Schiffsrumpf anzubringen.” Inzwischen ist
die “Cap San Marco” wieder auf hoher See unterwegs.

Weihnachten mit Gästen aus aller Welt

“Driving
home for Christmas”
singt Chris Rea gerade
wieder auf jedem Weihnachtsmarkt. Aber was, wenn Familie und Freunde viele
Tausend Kilometer weit weg wohnen? Für manche ausländische Studenten ist das Flugticket für die wenigen Tage
einfach zu teuer. Deshalb bringt das Studierendenwerk
nun schon seit fünf Jahren internationale Gäste und Hamburger zusammen. 129
gemeinsame Feste sind so schon entstanden. Eines davon hat Isa Atakishiyev aus Aserbaidschan vergangenes Jahr erlebt. Er
studiert an der Kühne Logistics University Management und war zusammen mit
seiner Frau und drei TU-Studenten aus Indien bei Gastgeberin Anja eingeladen. Deren Söhne wiederum
sind bereits aus dem Haus und schauten nur kurz am Nachmittag vorbei. “Wir
haben bis in die Nacht hinein geredet und viel gegessen”, sagt Isa. Die
Gastgeberin habe extra vegetarisch
gekocht,
mit vielen Gewürzen. Gut erinnern kann er sich noch an den
Rotkohl. “Das ist wohl ganz typisch und war sehr lecker!” Die Gesprächsthemen
waren dafür eher international als weihnachtlich. “Es ging vor allem um die
unterschiedlichen Kulturen und Länder. Anja ist viel gereist. Das war sehr
interessant”, erzählt Isa. Später am Abend haben die indischen Studenten dann
noch per Skype ihre Eltern angerufen. Für Isa war der Abend etwas Besonderes.
Er ist zwar seit 2015 in Deutschland, hatte aber noch nie Weihnachten gefeiert. “Es war einfach sehr schön, nicht allein zu sein.”

Wer an Weihnachten ebenfalls internationale Studenten bei sich
einladen möchte, kann sich bis zum 16. Dezember beim Studierendenwerk (
weihnachtsgast@studierendenwerk-hamburg.de oder
telefonisch unter 41 902 233) anmelden.

Was macht Hamburg zu Ihrer Heimat, Michel Abdollahi?

Michel Abdollahi

Michel Abdollahi
© Tim Bruening

“Warum reden wir
eigentlich die ganze Zeit über Heimat? Das war früher weniger. Ich kann nicht
verstehen, warum wir immer herausfinden wollen, wo jemand seine Heimat hat. Das
ist nicht wichtig. Man kann viel schönere Dinge über einen Menschen
herausfinden, als zu erfahren, wo die Heimat ist. Wird aber nicht gefragt.
Immer wieder Heimat. Wo kommst du her? Wie ist es für dich? Fühlst du dich
fremd? Was ist eigentlich der Plural von Heimat? Es reicht mir völlig aus, dass
wir ein Bundesheimatministerium haben, das uns den Begriff Heimat definiert,
wenn wir es wissen wollen. Aber wer es dennoch ganz genau auch von mir wissen
will: Heimat ist da, wo mein Zuhause ist, und zu Hause ist, wo mein Bett steht,
und das steht zufällig in Hamburg.”

Michel
Abdollahi, geboren
in Teheran, lebt seit 1986 in Hamburg. Er ist Conférencier, Fernsehmoderator, Journalist und Maler.

Mittagstisch

Traditionelles chinesisches Essen

 

Weit hinaus ist man gefahren, dorthin, wo die Stadt kleinteiliger und der Himmel größer wird und wo eine ungewöhnliche Ruhe über der Szenerie liegt. Das Happy Palace mit seinem aufwendig dekorierten chinesischen Eingang wirkt ein wenig wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Kellner stehen am Fenster und blicken hinaus, als warteten sie auf etwas. Muße genug haben sie. In dem großzügigen, traditionell eingerichteten Raum sind zur Mittagszeit nur zwei Tische besetzt. Die Karte bietet rund fünfzehn verschiedene Gerichte – allesamt mit Fleisch oder Fisch – für 6,50 Euro, mit Suppe für 7,90 Euro. Nach der süß-sauren Pekingsuppe wird rasch der Rechaud aufgestellt, auf dem kurz darauf Reis und Rindfleisch mit Brokkoli stehen. Alles schmeckt, aber man möchte sagen: ein wenig aus der Zeit gefallen. Dann passt es ja, dass sich am Nebentisch einige Gäste lautstark über die Hungerjahre in Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg unterhalten, ganz so, als sei es gestern gewesen.

 

Langenhorn, Happy Palace, Tangstedter Landstraße 244, Mittagstisch Mo–Fr, 12–15 Uhr

 

Elisabeth Knoblauch

Was geht

Gegen
das Vergessen:
Mit der heutigen Buchvorstellung
von “Das vergessene Lager. Zwangsarbeit im Schatten des Flughafens”
setzt sich Uwe Leps für das Erinnern ein. Denn nach den Luftangriffen
von 1943 waren es auch Frauen aus dem KZ Neuengamme, die Hamburg wieder
aufbauten. Die Zwangsarbeitsgeschichte wird anhand von Akten, Fotos und
Zeitzeugenberichten nachgezeichnet.

Gedenkstätte Plattenhaus Poppenbüttel, Kritenbarg 8, 18 Uhr, Eintritt frei

Der
große Simenon:
Die Lesereihe “Große
Erzählungen der Weltliteratur” der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
wendet sich heute Georges Simenons “Der kleine Schneider und der Hutmacher”
zu. Es liest Wolf-Dietrich Sprenger, Hanjo Kesting kommentiert.

Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, 20 Uhr, 10 Euro, erm. 8 Euro

Wiederkehr
ins Irrenhaus:
Ihre Musik prägte die
Wende mit Textzeilen wie “Irre ins Irrenhaus, die Schlauen ins Parlament.
Selber schuld daran, wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt”. Mit diesem Song
traf der Deutschrock der Band Keimzeitden Nerv der Zeit. Ihre
aktuelle Tournee macht heute in Hamburg halt, Special Guest ist Ralf Benschu
am Saxofon.

Markthalle, Klosterwall 11, 20 Uhr, VVK 20 Euro

Hamburger Schnack

Mutter und Sohn treffen sich zum Mittagessen im Szeneviertel – er stark tätowiert, sie vornehm elegant, beide ausnehmend höflich zueinander. Sagt der Sohn: »Mama, ich finde, wir sollten uns dieses Jahr nichts zu Weihnachten schenken. Wir wissen doch auch ohne Geschenke, was wir aneinander haben.« Die Frau lacht: »Netter Versuch.« Kurzes Schweigen, dann seine Antwort: »Ernsthaft?! Du bist immer noch nicht über die ›I love my mommy‹-Tattoo-Idee hinweg?«

 

Gehört von Gela Höfer

Meine Stadt

Ob innen schon geprobt wird?

Ob innen schon geprobt wird?


© Lara Ahlefelder

Das war sie
wieder, die Elbvertiefung. Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas,
über das wir berichten sollten? Schreiben Sie uns: elbvertiefung@zeit.de

Ich wünsche
Ihnen einen schönen Tag. Morgen lesen wir uns wieder, wenn Sie mögen!

Ihre

Sigrid
Neudecker

 

PS: Gefällt
Ihnen unser Letter, leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet
bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an unter
www.zeit.de/elbvertiefung. Dann schicken wir Ihnen die neue Elbvertiefung,
solange Sie wollen, immer montags bis freitags ab 6 Uhr.

 

 

Hits: 14