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Brexit-Gutachten: Großbritannien drohen langwierige Verhandlungen

Nach der Abmahnung durch das Parlament hat
die britische Regierung das Rechtsgutachten (PDF) des Generalstaatsanwalt
Geoffrey Cox zu dem Brexit-Entwurf veröffentlicht. Mit Verweis auf
nationale Interessen hatte die Regierung zunächst die Herausgabe
verweigert und wollte nur eine Zusammenfassung veröffentlichen. Auch Cox hatte sich gegen eine vollständige Veröffentlichung ausgesprochen, sie
würde Staatsgeheimnisse
offenbaren. Kritiker des Brexit-Abkommens hatten befürchtet, dass
ihnen wichtige Informationen über die rechtliche Bewertung des Austrittsabkommens
vorenthalten werden sollten, bevor sie am 11. Dezember darüber
abstimmen.

Ersten Reaktionen zufolge dürften sich einige Befürchtungen bestätigt haben. Im Gutachten heißt es etwa, dass Großbritannien als Ganzes oder nur Nordirland möglicherweise auf
unbestimmte Zeit in einer Zollunion mit der EU bleiben müssten,
sollte innerhalb der Übergangszeit bis 2022 kein Abkommen über das
künftige Verhältnis zustande kommen. Beides wollen Abgeordnete im
britischen Parlament unbedingt verhindern.

Laut dem
Gutachten würde das nun fertig ausgehandelte Brexit-Abkommen nach
internationalem Recht weiter
gelten, bis
ein neues Abkommen verabschiedet wird.
“Der
derzeitige Entwurf des Backstop
erlaube keinen Mechanismus, der
das Vereinigte Königreich rechtmäßig aus der Zollunion ohne
spätere Vereinbarung austreten lassen könne”, heißt es im
Gutachten. Großbritannien
könnte den
Binnenmarkt nicht verlassen, ohne mit der EU ein weiteres Abkommen
abgeschlossen zu haben – es drohen lange Verhandlungen mit der EU. “Ohne
ein Kündigungsrecht besteht das rechtliche Risiko, dass das
Vereinigte Königreich langwierigen und sich wiederholenden
Verhandlungsrunden ausgesetzt wird”, heißt es.

DUP bezeichnet Gutachten als “verheerend”

Der
Fraktionschef der nordirischen DUP, Nigel Dodds, bezeichnete das
Gutachten als “verheerend”. Seine Partei habe keine andere Chance
als den Deal abzulehnen. “Die Premierministerin rennt gegen eine
Wand”, sagte Dodds in einem BBC-Interview. Die Minderheitsregierung
von Premierministerin Theresa May ist allerdings
auf
die Unterstützung der DUP angewiesen
. Auch rund 100 Abgeordnete
ihrer eigenen Fraktion haben bereits Widerstand angekündigt. Die
Chancen der Premierministerin, bei der Abstimmung am 11. Dezember
eine Mehrheit für ihren Deal zu bekommen, scheinen zunehmend zu
schwinden.

Auch
aus der Opposition kam Kritik, das Gutachten geheim zu halten. “Wir
haben die ganze Woche von Regierungsministern gehört, dass die
Veröffentlichung dieser Informationen das nationale Interesse
beeinträchtigen könnte. Nichts der gleichen. Alle diese Ratschläge
zeigen die zentralen Schwächen des Abkommens der Regierung”, sagte
Schatten-Brexitminister Keir Starmer dem Guardian.
May
wies Vorwürfe der Scotish National Party zurück, wonach sie das
Parlament in dieser Frage getäuscht hätte.

Regierung muss gleich drei Niederlagen im Parlament hinnehmen

Am
Dienstag musste die Regierung noch vor dem Start der fünftägigen
Debatte gleich drei Rückschläge im Parlament hinnehmen. Neben
zwei Niederlagen im Zusammenhang mit dem Rechtsgutachten
verschaffte sich das Parlament ein Mitspracherecht für das weitere
Vorgehen, sollte
der Deal bei
der Abstimmung kommende
Woche durchfallen.

Flussdiagramm mit den möglichen Ausgängen der Brexit-Verhandlungen

Großbritannien
wird die EU voraussichtlich am 29. März 2019 verlassen. Das mit
Brüssel ausgehandelte Abkommen sieht eine Übergangsphase bis
mindestens 2022 vor, in der zunächst alles bleibt
wie bisher und die neuen Beziehungen ausgehandelt werden können.

Sollte das Abkommen abgelehnt werden,
droht politisches Chaos in Großbritannien. Denkbar ist auch ein EU-Austritt ohne
Abkommen mit drastischen Folgen für die Wirtschaft und vielen weiteren
Lebensbereichen. Auch eine
Neuwahl oder ein zweites Brexit-Referendum sind möglich.

Die Opposition fordert von May, den Brexit-Deal
noch einmal neu zu verhandeln. Doch das schließen sowohl die
Regierung in London als auch Brüssel aus. “Der einzige Weg, um ein
Szenario ohne Abkommen zu verhindern, ist den Deal zu akzeptieren”,
sagte May im Parlament.

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