/Oppositionspolitiker in der Türkei: Türkisches Gericht bestätigt Urteil gegen Selahattin Demirtaş

Oppositionspolitiker in der Türkei: Türkisches Gericht bestätigt Urteil gegen Selahattin Demirtaş

Ein türkisches Berufungsgericht hat die Verurteilung des türkischen Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş bekräftigt. Das Gericht in Istanbul habe die Gefängnisstrafe von vier Jahren und acht Monaten bestätigt, sagte sein Anwalt Kerem Altıparmak. Demirtaş war am 7. September wegen “Terrorpropaganda” zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt worden. Mit der Bestätigung des Urteils ist er in der Türkei nun erstmals rechtskräftig verurteilt.

Gegen den ehemaligen Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP laufen noch weitere Verfahren. Im Hauptverfahren ist Demirtaş wegen Terrorvorwürfen seit mehr als zwei Jahren inhaftiert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte erst vor zwei Wochen angeordnet, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt sei und der Politiker freigelassen werden müsse. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte jedoch mitgeteilt, die Türkei sei durch das Urteil nicht gebunden.

Obwohl die Türkei als Mitglied des Europarats an die EGMR-Urteile gebunden ist, lehnte ein Gericht in Ankara Ende November Demirtaş’ Freilassung ab. Mahsuni Karaman, ein weiterer Anwalt von Demirtaş, schrieb, die Justiz werde den früheren HDP-Chef nun zwar im Hauptverfahren aus der U-Haft formal entlassen, sodass sie sagen könne, dass sie sich an das Urteil des EGMR halte. Zugleich werde er aber wegen der Bestätigung seiner Verurteilung zu vier Jahren und acht Monaten Haft weiter im Gefängnis als Geisel gehalten werden.

“Ihr werdet uns nicht in die Knie zwingen können”

Demirtaş selbst ließ via Twitter mitteilen: “Ich erkenne die Strafe und die Drohungen der Justiz, die der Regierung untersteht, nicht an.” Die Richter müssten eines Tages selbst Rechenschaft ablegen. “Ihr werdet uns nicht in die Knie zwingen können.”

Die HDP-Vorsitzende Pervin Buldan reagierte empört auf das Urteil des Berufungsgerichts. Es zeige, dass die Gerichte in der Türkei nach Erdoğans Anweisung handelten und von ihm abhängig seien. Der Abgeordnete der größten Oppositionspartei CHP, Sezgin Tanrıkulu, schrieb, das Urteil sei das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Politik und Justiz.

Demirtaş galt vor seiner Inhaftierung als einer der bedeutendsten Gegner von Präsident Erdoğan. Nachdem er Co-Vorsitzender der prokurdischen HDP geworden war, trat er im August 2014 bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn an und erreichte den dritten Platz. Ein Jahr später führte er seine HDP ins türkische Parlament. 2016 war der Erfolg der HDP der Grund dafür, dass die AKP die absolute Mehrheit verlor. Allerdings rief Erdoğan wenige Monate später eine Neuwahl aus und erreichte erneut die absolute Mehrheit.

Im November 2016 waren Demirtaş, die HDP-Co-Vorsitzende Figen Yüksekdağ und andere HDP-Abgeordnete wegen Terrorverdachts festgenommen worden. Seitdem befinden sie sich in einem Hochsicherheitsgefängnis in Edirne. Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im vergangenen Juni trat Demirtaş aus dem Gefängnis heraus als Präsidentschaftskandidat gegen Erdoğan an. Trotz des erschwerten Wahlkampfs erreichte er mit 8,4 Prozent der Stimmen den dritten Platz.

Die Vorwürfe gegen ihn sieht der Politiker als politisch motiviert an und wirft Erdoğan vor, einen unbequemen politischen Konkurrenten ausschalten zu wollen. Auch das europäische Menschenrechtsgericht hatte die Dauer und die Umstände seiner Untersuchungshaft als politisch motiviert eingestuft. 

Im EGMR-Urteil zur Freilassung Demirtaş’ vor zwei Wochen wurde argumentiert, dass der Politiker aufgrund seiner Inhaftierung seiner Arbeit im Parlament nicht habe nachkommen können. Dies sei ein unrechtmäßiger Eingriff in die Meinungsfreiheit und in das Recht, als gewählter Abgeordneter im Parlament zu sitzen. Seine Inhaftierung habe das Ziel gehabt, Pluralismus zu ersticken und die Freiheit der politischen Debatte einzugrenzen. Das habe insbesondere während der Präsidentenwahlen im Juni und für das umstrittene Verfassungsreferendum im April 2017 gegolten.

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