/Hamburg-Nord: Langenhorn wehrt sich gegen neue Bäume

Hamburg-Nord: Langenhorn wehrt sich gegen neue Bäume

Sigrid Neudecker

Sigrid Neudecker
© Gretje Treiber

Guten Morgen,

heute soll ich Sie,
verehrte Leserin, lieber Leser, von der Stadtreinigung grüßen. Die möchte sich
dafür bedanken, dass Sie dieses Jahr unfassliche 1500 Kubikmeter Spielzeug für bedürftige Kinder und für Kinder aus
Flüchtlingsfamilien gespendet haben. Umgerechnet sind das 22 Stück 40-Fuß-Hochseecontainer, was Ihnen vermutlich genauso viel
sagt wie mir. Deshalb für uns beide die Information, dass es vergangenes Jahr
“nur” acht Container waren.

Wieso es im 13.
Jahr der Aktion plötzlich so viel wurde, kann sich auch Andree Möller von der Stadtreinigung nicht erklären: “Dafür muss
man Soziologe sein.” Seine Vermutungen reichen von “den Leuten geht es so gut,
dass sie zu viel Spielzeug angehäuft haben” über “es wurde jetzt endlich einmal
mit den Kindern gesprochen, dass ausgemistet werden muss” bis zu “immer mehr
Dachböden werden zu Wohnungen ausgebaut”. Die Toys Company, die das Spielzeug
von Arbeitslosen aufarbeiten lässt und dann weiterverteilt, kam jedenfalls mit
dem Abholen der Spielsachen von den Recyclinghöfen nicht mehr nach.

Und, nein, die
Spender haben sich nicht einfach nur von Müll getrennt, wie die Zyniker unter
uns vermuten könnten. In der Regel “ist das alles brauchbar”, sagt Möller. Auch
wenn hin und wieder der abgeliebte Teddy dabei ist, den ein Kind aber unbedingt
auch abgeben will, “damit ein anderes Kind daran Freude hat”.

Liebe Hamburger,
das habt ihr toll gemacht!

Aufstand in Langenhorn: Stadt pflanzt neue Bäume!

Bäume wecken
Emotionen, Straßenbäume entfesseln Leidenschaft – besonders in Langenhorn.
Während andere Bezirke bis aufs Blut um jeden bedrohten Grashalm kämpfen,
wehren sich die Langenhorner ausgerechnet gegen das Pflanzen neuer Bäume. Besonders aus den Straßen Ahlfeld und
Dobenstück erreichten uns gestern verwunderte bis empörte Mails, als Gärtner im
Auftrag des Bezirksamts skandalöserweise begannen, einfach junge Bäume in einen
Grünstreifen einzubuddeln. Da kochte
die Volksseele hoch. Es sei mehr als genug Grün vorhanden, man sehe vor lauter
Bäumen ja bald die eigene Siedlung nicht mehr, die Straße sei doch schon so
schmal, es könnte Schatten auf die Häuser fallen, und wohin
dann mit dem Auto? Und überhaupt sei man ja gar nicht gefragt worden. “Es ist nichts Geheimes dabei”, versucht
Bezirksamtssprecher Daniel Gritz zu
beruhigen. Die Bäume waren wie üblich im Regionalausschuss
öffentlich angekündigt, verhandelt und entschieden worden. Allerdings nicht,
wie einige unserer Leser mutmaßten, als Ausgleich für eine gerodete Fläche, auf
der nun eine Unterkunft für Geflüchtete steht. Sondern weil “eine Zeit lang
mehr Straßenbäume gefällt als nachgepflanzt wurden”,erklärt Gritz. Dieses Defizit
werde nun schrittweise ausgeglichen. Auf dem Grünstreifen am Ahlfeld etwa
mit 25 jungen Rotahornen, die als ausgewachsene Bäume dereinst bis zu zehn Meter
hoch werden könnten. Die Langenhorner müssen jetzt sehr stark sein: Insgesamt 161 neue Straßenbäume will
das Bezirksamt in diesem Winter noch pflanzen lassen. Die Innenbezirke
überlegen bereits, Asyl anzubieten.

Experten geben Nachhilfe: Hamburg soll in Mathe aufholen

Hamburgs Schüler
sind unterdurchschnittlich im
Kalkulieren – Platz 14 im Bundesländervergleich, das sieht nicht gut aus.
Deshalb müssen sie sich jetzt auf mehr Matheunterricht gefasst machen. Diesen
nicht besonders überraschenden Rat gab gestern die Expertenkommission, die Schulsenator Ties Rabe (SPD) mit Nachhilfe für die Hamburger Schulen betraut
hat. Neben einheitlichen Lehrplänen soll es auf Empfehlung der Fachleute
künftig mehr Mathematik auf den
Stundenplänen geben, vor allem in den Klassen 5 bis 8 und in Jahrgangsstufe 11.
Klassenarbeiten in Mathe sollen nicht mehr durch andere Prüfungen ersetzt
werden, Referate oder längere Hausarbeiten gäbe es dann allenfalls zusätzlich.
Zudem soll die mündliche Note in Mittel- und Oberstufe genauso wichtig werden
wie die schriftliche. Die Experten raten auch, Schüler in Mathe zielgerichteter zu fördern. Helfen soll
dabei unter anderem ein neuer, computerbasierter “Diagnose-Test”, der Lehrern
Schwächen und Stärken ihrer Klassen zeigen soll. Fortbildungen legt die
Kommission auch den Pädagogen an Schulen, Vorschulen und Kitas nahe. Während
die Schulbehörde nun prüft, was wann umgesetzt werden kann, nahmen Oppositionsparteien die Vorschläge
unterschiedlich auf: Während CDU und FDP für sich beanspruchten, schon lange
genau dasselbe zu fordern, sprach die Linke von “Methodeneinfalt” und
kritisierte “autoritäre Übergriffe aus der Behörde”. Deren Optimismus tut das
keinen Abbruch: Hamburg soll nicht nur aufholen, sondern in Mathe sogar Vorbild für andere werden. Senator Rabe
hält immerhin die meisten Vorschläge für realisierbar.

Türchen auf: Geschichten aus dem Kirchenasyl

Als in der Nacht
die Beamten kamen, um sie nach Bulgarien abzuschieben,
wäre die syrische Familie Haddad fast zerbrochen: Der Vater erlitt einen
Kollaps, zwei Kinder rannten weg und blieben tagelang verschwunden. Lieber
zurück in den Krieg als zurück nach Bulgarien, sagte die Mutter. Bleiben konnte
die Familie schließlich in der Kirchengemeinde, die sie aufgenommen hatte. Fast
100 Menschen gewährt die Nordkirche zurzeit Kirchenasyl. Es bietet Geflüchteten ohne legalen Aufenthaltsstatus
Schutz, wenn sie durch Abschiebung in Gefahr
oder soziale Not
zu geraten drohen – etwa weil in den Zielländern die
Versorgung nicht ausreicht. In Hamburg leben derzeit 39 Personen, darunter zehn
Kinder, in Gemeindehäusern, Pastoraten oder Wohnungen der evangelischen Kirche.
Sie stellt die Nordkirche nun Tag für Tag in einem Adventskalender vor, denn: “Wenn
jemand eine persönliche Geschichte hört oder liest, ist die Reaktion ganz oft:
Das kann ich verstehen, dass die Kirche da geholfen hat”, sagt Pastorin Dietlind Jochims. Bei jedem Fall von Kirchenasyl
wird dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt, wieso der Gemeinde
diese Notmaßnahme angebracht
erscheint. Die staatlichen Behörden werden dann gebeten, den Fall neu zu
prüfen. “Das tun sie aber immer
seltener”,
kritisiert Jochims. Für die Geflüchteten heißt das dann, noch
länger in ungeklärten Verhältnissen ausharren zu müssen. Denn erst nach 18
Monaten sind sie vor Abschiebung in EU-Länder wie Bulgarien oder Griechenland
sicher. So lange, sagt die Pastorin, blieben die Gemeinden, die sich zum Helfen verpflichtet sähen,
gefordert.

Überleben in der zweiten Haut

Die Finger sind taub, die
Sicht ist verschwommen, der Motor der Luftpumpe dröhnt im Ohr. Und dann die
ständige Sorge: Ist alles dicht, nirgends ein Riss? “Man ist froh, als derart
aufgepustetes Marsmännchen überhaupt ein paar Schritte gehen zu können, ohne umzufallen”, erzählt
Autorin Nike Heinen, die neulich einen Ebola-Schutzanzug
angezogen hat. Wieso? Heinen wollte nachfühlen, unter welchen Bedingungen Dorothea
Wiemer
im Ernstfall arbeiten muss. Die Oberfeldärztin der Bundeswehr zählt
zu den wenigen deutschen Spezialisten für Tropenmedizin. Als das
Ebola-Virus 2014 in Westafrika ausbrach, war sie vor Ort und leitete den
Einsatz. In der ZEIT:Hamburg gibt Wiemer Einblicke in ihre Arbeit, sie
erzählt, welche Rolle eine Waschmaschine im Kampf gegen Ebola spielt – und was
passierte, als ihr Anzug eines Tages doch riss. In der ZEIT am Kiosk oder
gleich hier digital.

Was macht Hamburg zu Ihrer Heimat, Toni Garrn?

Toni Garrn

Toni Garrn

“Mit meinen sieben Cousins und meinem
Bruder auf der Couch chillen, während der Fernseher läuft und der HSV zum x-ten
Mal Tore kassiert. Morgens joggen an der Alster bei Wind und Wetter mit
Hamburger Skyline. Abende mit meinen Schulfreundinnen – von denen inzwischen
viele auch nicht mehr in Hamburg leben –, an denen wir über alles quatschen.
Franzbrötchen!”

Toni Garrn, 26, Model und
Schauspielerin, ist geboren und aufgewachsen in Hamburg

Kaffeepause

Feinste Nürnberger Lebkuchen

 

Der Laden ist so winzig, dass ihn fünf Menschen bereits füllen. Kaffee oder andere Getränke werden nicht angeboten, aber trotzdem ist ein Besuch, jetzt zur Adventszeit, eine gute Idee. Gibt es hier doch ein großes Angebot an Lebkuchen, direkt aus Nürnberg geliefert. Schon im 14. Jahrhundert stellten Mönche im Fränkischen Lebkuchen her; Nürnberg war damals ein Knotenpunkt verschiedener Handelsrouten. Wegen ihrer Aromen und der langen Haltbarkeit war das Gebäck schon bald auch außerhalb der Abteimauern beliebt. Lebkuchen-Schmidt entstand in den 1930er-Jahren und liefert heute deliziöse Elisenlebkuchen, knusprige Spekulatius, feine Dürerplätzchen oder Dominosteine in nostalgischen Verpackungen in die ganze Welt. Die Lebkuchen des Jahres sind Lebkuchen-Spitzen. Mit acht Stück (215 Gramm) für 5,90 Euro sind sie nicht gerade günstig, aber sie schmecken herrlich nussig, aromatisch und schokoladig.

 

Altstadt, Lebkuchen-Schmidt im Eiscafé Alissa, Steinstraße 16, Mo–Fr, 10–18 Uhr; Sa 10–16 Uhr

 

Elisabeth Knoblauch

 

Korrektur

Alle Jahre wieder: Nikolaus ist am 6. Dezember, der fällt dieses Jahr jedoch
auf einen Donnerstag. Weshalb das traditionelle Nikolauskonzert der Deutschen
Stiftung Musikleben
nicht – wie von uns gestern an dieser Stelle
angekündigt – bereits am Mittwoch stattfindet.

KörberForum, Kehrwieder 12, Do, 18 Uhr, Eintritt
frei, Spenden erbeten, Anmeldung unter 040-360 91 550

Was geht

Mathe = Fairness? Die Welt objektiv darstellen, diesen Anspruch erheben
Naturwissenschaften und die Mathematik bereits seit dem 17. Jahrhundert. Doch
bedeutet dies, dass durch fehlerfreie mathematische Abwägung auch eine Handlung
objektiv und “fair” wird? In der öffentlichen
Vorlesung “Macht in Netzen” wird Manfred Holler Mathe als
rationalen Ratgeber kritisch beleuchten.

Universität
Hamburg
,
Geomatikum, Hörsaal H5, Bundesstraße 55, 18.15–19.45 Uhr, Eintritt frei

Heldenhafte Chaotin: Judith Holofernes, bekannt geworden als Frontfrau der
Band “Wir sind Helden”, brachte schon vor vier Jahren ihr erstes Soloalbum
heraus. Das zweite heißt “Ich bin das Chaos” und kann nun auch live
bestaunt werden.

Mojo Club, Reeperbahn 1,
19 Uhr, VVK 29,90 Euro

Mediale Mündigkeit: “Sieben Milliarden Smartphones soll es
auf dem Globus geben. Was für ein Ding streicheln, besprechen und, ja, lieben
viele Menschen?” Zur Erörterung dieser Frage hat Gastgeber Reinhard Kahl
heute Roberto Simanowski zum Gespräch ins Philosophische Café
geladen. Das Thema lautet: “Die Facebook-Gesellschaft und die stummen
Medien”.

Literaturhaus, Schwanenwik 38, 19 Uhr, 12 Euro

Was kommt

Stadt zum
Mitbestimmen:

Der Ideenprozess zum neuen Stadtteil Grasbrook am Südufer der Elbe hat
begonnen. Geplant sind 3000 Wohnungen und 16.000 Arbeitsplätze,
Einkaufsmöglichkeiten, Kultur- und Freizeitmöglichkeiten sowie eine Grundschule
und Kitas. Jetzt darf bei der 1. Grasbrook Werkstatt mitgeredet werden.

Immanuelkirche Veddel und Café Nova, Wilhelmsburger Straße 73, Mi, 18–21 Uhr

Hamburger Schnack

In der Probe des schwedischen Chores Hamburg. Der Sopran hat eine wirklich sehr hohe Passage bewältigt (bis zum hohen, zweigestrichenen h). Danach eine Chorsängerin: »Jetzt war mein Tinnitus kurz weg.«

 

Gehört von Wiebke Neelsen

 

Meine Stadt

Fast schon schön schaurig

Fast schon schön schaurig
© Margrit Zoller

Das war sie wieder, die Elbvertiefung. Wollen Sie uns Ihre
Meinung sagen, wissen Sie etwas, über das wir berichten sollten? Schreiben Sie
uns: elbvertiefung@zeit.de

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag. Morgen lesen wir uns
wieder, wenn Sie mögen!

Ihre
Sigrid Neudecker

 

PS: Gefällt Ihnen unser Letter, leiten Sie ihn gern weiter.
Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und
unverbindlich an unter www.zeit.de/elbvertiefung. Dann schicken wir Ihnen die neue
Elbvertiefung, solange Sie wollen, immer montags bis freitags ab 6 Uhr.

 

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