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Alexander Megos: Er will einfach nur klettern

Wie oft entscheidet der Zufall über unser Leben? Alexander Megos ist ein junger Mann aus Erlangen. 2013 hat er sein Abi in der Tasche und den, wie man so sagt, Ernst des Lebens vor sich. Eigentlich wollte er studieren gehen, aber er wusste nicht, was. Also
ging er klettern. Er geht gern klettern. Er kann sehr gut klettern, besser als die meisten anderen. Ein Jahr lang wollte der damals 19-Jährige nur dem
Sport widmen. Aber: “Der Gedanke, man könnte Profi sein”, sagt er, “war nie da.”

Noch mehr Zufall: Eigentlich wollten Alex und seine Freunde damals nach Kalymnos in Griechenland
fahren. Spanien ist eine spontane Entscheidung. Eigentlich will Alex La
Rambla klettern, eine Route bei Siruana in Katalonien, aber der Einstieg zur Route ist verwirrend. Während er
auf kundige Kletterer wartet, probiert er Estado Critico 9a. Um die Zeit zu
überbrücken. Normalerweise wäre er irgendwann ins Seil gefallen. Aber
Alex fiel nicht.

An diesem 25. März, dem Tag, nachdem Alex Megos Estado Critico onsight geklettert hat, steht auf dem Portal bergleben.de: “Alex Megos schreibt Geschichte.” Das sind die Dimensionen. Geschichte in der Kletterszene, klar, aber immer noch Geschichte. Er ist der erste Vertreter seiner Sportart, der jemals eine Route im Schwierigkeitsgrad 9 onsight – also ohne sich vorher kundig gemacht zu haben und auf den ersten Versuch – geklettert hat.

An die Route selbst kann er sich gar nicht mehr so gut erinnern. Nur an den Moment kurz vor Schluss: “Da hatte ich zum ersten Mal einen guten Griff in der Hand, der es mir erlaubt hat, mich zu schütteln und mir das nächste Stück anzuschauen. Da habe ich schon realisiert, dass ich mich ganz schön angestrengt hatte. Und dass ich es jetzt ungern auf den letzten drei Metern verkacken würde.”

Insgesamt klammert Alex eine gute halbe Stunde in dieser roten, überhängenden, von winzigen Löchern durchsetzten Wand. Er erreicht den Umlenker, seilt sich wieder ab und ist zunächst einmal einfach erschöpft und froh. Ein Kollege fragt ihn, ob das gerade onsight gewesen sei. Ja, sagt Alex. Der Kollege weist ihn darauf hin, dass das bislang noch niemand gemacht habe. Alex: “Das hat sich dann schon gut angefühlt, aber ich habe mir nichts weiter dabei gedacht.”

Am Abend informiert der Besitzer des Campingplatzes das spanische Klettermagazin. Über Nacht verbreitet sich die Nachricht in der Szene. Am nächsten Morgen kennt man den Namen dieses 19-jährigen Erlangers weltweit. Alex wollte eigentlich bloß klettern gehen. Jetzt muss er Interviews geben. “Dann war der Urlaub anstrengend”, sagt er und lacht. Es kommen aber nicht nur Interview-, sondern auch Sponsorenanfragen. Und Alex denkt sich: “Gut, dann kann ich noch ein zweites Jahr klettern gehen. Dann bin ich noch ein zweites Jahr klettern gegangen. Und so mache ich das jetzt seit sechs Jahren.”

Der Zufall, es hätte alles anders kommen können. Schon der Ort, an dem man auf die Welt kommt, prägt. Klettern kann man an vielen Orten – an wenigen so gut wie im Frankenjura zwischen Bamberg, Nürnberg und Bayreuth. Alex’ Vater nimmt ihn mit nach draußen, an den Fels. Sechs Jahre ist er da alt.

In der direkten Umgebung der Stadt liegen die Felsen wie vergessen in den Wäldern. Eines der größten Klettergebiete weltweit. Und nicht nur das: Es bringt auch dem nachhaltig Kletterfreuden, dem gewöhnliche Routen längst zu moderat geworden sind. “Ich habe knapp zehn Jahre gebraucht, bis ich alles geklettert hatte”, sagte Alex. Alles im Sinne von alles? Er überlegt nur ganz kurz: “95 Prozent habe ich.”

So kletterte Alex Megos über die Jahre in die Weltspitze. Patrick Matros, der Megos zusammen mit Dicki Korb seit 13 Jahren trainiert, sagt: “Da wird die Luft dünn”, und dann noch ein paar so ganz und gar trainermäßige Sätze. Dass eine Menge Kletterer die gleiche Ausdauer und Fingerkraft mitbrächten. Aber nur ganz wenige die mentalen Fähigkeiten. Die Einstellung zum Sport. Die Toughness. Weltspitze: “Das sind Leute mit außergewöhnlichen Eigenschaften.”

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