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Gelbwesten: Wutbürger in gelben Westen

In Frankreich eskalieren die Proteste der Gelbwesten, die Regierung müht sich um Dialog mit ihren Gegnern. Die wichtigsten Fakten zu den Ereignissen in Paris

Gelbwesten: Ausschreitungen im Advent, brennende Barrikaden in Paris: ein Anhänger der Gelbwesten inmitten der eskalierenden Proteste

Ausschreitungen im Advent, brennende Barrikaden in Paris: ein Anhänger der Gelbwesten inmitten der eskalierenden Proteste
© Alain Jocard/AFP/Getty Images

Seit rund zwei Wochen machen die sogenannten Gelbwesten in Frankreich auf sich aufmerksam – zunächst mit brennenden Straßenbarrikaden und der Blockade von Treibstofflagern in den französischen Provinzen, am Wochenende schließlich mit Chaos mitten in Paris. Am Ende stand der Triumphbogen am Champs Elysées besudelt da. Wer oder was steckt hinter diesen Protesten, die Präsident Emmanuel Macron zunehmend in Bedrängnis bringen?

Wer sind die Gelbwesten?

Unter dem Namen Mouvement des Gilets jaunes formiert sich seit einigen Monaten eine besondere Protestbewegung in Frankreich. Als Erkennungszeichen tragen ihre Anhänger gelbe Warnwesten, wie sie für Autofahrer im Fall einer Panne oder eines Unfalls vorgeschrieben sind.

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Wer führt die Proteste an?

Niemand – oder vielmehr: Alle zusammen, denn bislang gibt es keinen Anführer im eigentlichen Sinn. Allerdings ernannten die Gelbwesten zuletzt einen achtköpfigen Sprecherrat, der die Verhandlungen mit der Regierung führen soll. Der Rat ist jedoch nicht durch irgendeine Art von Wahl legitimiert.

Da die Gruppe weder durch Gewerkschaften noch politische Parteien gesteuert wird, hat die Regierung also keinen direkten Gesprächs- und Verhandlungspartner. Zugleich schützen sich die Gelbwesten gerade dadurch vor einer Vereinnahmung von links und rechts. So liefen entsprechende Versuche der Rechtspopulistin Marine Le Pen und des Linksparteichefs Jean-Luc Mélenchon bislang ins Leere.

Derzeit organisiert sich die Bewegung allein über soziale Netzwerke. Ihre Aufrufe und Videos teilen die Aktivistinnen und Aktivisten in der Regel auf Facebook und Twitter und erreichen dort inzwischen Zehntausende Userinnen und User.

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Sind die Proteste nur in Paris?

Nein – und das ist das Besondere an dieser Bewegung. Die Aktivistinnen und Aktivisten stehen für ein breites gesellschaftliches Spektrum – vom Lastwagenfahrer über den Arbeitslosen bis zur selbstständigen Unternehmerin – und genauso breit ist auch ihr Aktionsradius. Damit unterscheiden sie sich von Parteien und Gewerkschaften, die ihre Massenkundgebungen traditionsgemäß allein in der französischen Hauptstadt stattfinden lassen.

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Was wollen die Gelbwesten?

Ausgelöst wurden die Proteste Mitte November durch die neuen Ökosteuer auf Diesel, die zum 1. Januar kommt, und durch die hohen Kraftstoffpreise.

Der Forderungskatalog der Gelbwesten umfasst aber weitaus mehr: unter anderem die Senkung “aller Steuern”, die Anhebung von Mindestlohn und Renten sowie die Einrichtung einer “Bürgerversammlung”, die über die gesunkene Kaufkraft, soziale Not und den ökologischen Wandel diskutieren soll.

Angetrieben werden die Proteste grundsätzlich durch Unmut über Präsident Emmanuel Macron. Bei Demonstrationen wird regelmäßig “Macron démission” (Macron Rücktritt) skandiert.

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Wie stehen die Franzosen zu den Protesten?

Laut Umfragen unterstützen drei Viertel der Bürger die Protestbewegung. Nach Angaben des Innenministeriums mobilisierten die Gelbwesten am dritten Aktionstag am vergangenen Samstag in ganz Frankreich rund 136.000 Menschen.

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Am Wochenende ist die Lage eskaliert – was ist passiert?

In Paris kam es zu chaotischen Szenen: Rauchschwaden schwebten über der Stadt, Randalierende errichteten Barrikaden, zündeten Autos an, warfen Fensterscheiben ein und plünderten Geschäfte auf den Champs-Élysées. Am Ende des Tages stand der Triumphbogen – eines der wichtigsten nationalen Denkmäler – beschmiert da, einige Artefakte sind zerstört, Ausstellungsräume verwüstet. Der Leiter der nationalen Denkmalbehörde, Philippe Bélaval, bemisst die Schäden in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro – “vielleicht sogar eine Million Euro”, sagte er der Zeitung Le Figaro.

Landesweit wurden 263 Menschen verletzt, die Hälfte von ihnen in Paris. In der Hauptstadt nahm die Polizei 412 Menschen fest, von denen sich am Sonntag noch 372 in Gewahrsam befanden. Etwa zwei Drittel von ihnen drohten strafrechtliche Konsequenzen, sagte Justizministerin Nicole Belloubet.

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Wie reagieren Präsident und Regierung?

Staatschef Macron berief kurz nach seiner Rückkehr vom G20-Gipfel in Argentinien am Sonntag eine Krisensitzung des Kabinetts ein. Öffentlich äußerte er sich danach nicht. Stattdessen verschickte der Elysee Palast eine Erklärung, in der weitere Gespräche zwischen Premierminister Edouard Philippe und Vertretern der Gelbwesten angekündigt wurden.

Noch in Buenos Aires hatte sich Macron unnachgiebig gezeigt und “Rückzieher” von seiner Politik abgelehnt. Gleichwohl sagte er zu, die umstrittene Ökosteuer an die Kraftstoffpreise anzupassen.

Regierungschef Philippe wiederum, der wegen der Ausschreitungen seine Reise zum UN-Klimagipfel absagte, will den Dialog mit den Aktivisten fortsetzen – einen Dialog, den er am vergangenen Freitag mit einigen Vertretern der Gelbwesten begonnen hatte. Einer seiner Gesprächspartner war der Journalist Jason Herbert, eines der Mitglieder des Sprecherrats. Der 26-Jährige aus der westfranzösischen Charente sorgte dann allerdings für einen Eklat, als er das Treffen mit dem Premier kurz nach Beginn wieder platzen ließ. Er protestierte damit gegen dessen wiederholte Weigerung, das Gespräch live im Fernsehen übertragen zu lassen.

Philippe diskutierte nach eigenen Angaben dennoch gut eine Stunde lang – mit einem anderen Aktivisten. Er nannte das Gespräch danach “nützlich” und “interessant”. Dabei sei es vor allem um die sinkende Kaufkraft in Teilen der französischen Gesellschaft gegangen. Die Türen seines Amtssitzes seien “immer offen” für weitere Gespräche.

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Wie soll es jetzt weitergehen?

Die neuen Gespräche sollen nicht nur die Sprecher der Gelbwesten, sondern auch die Vorsitzenden aller im Parlament vertretenen Parteien umfassen. Mit am Tisch sitzen wird auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die weiteren Ausschreitungen in ihrer Stadt vorbeugen will.

Zugleich bringt Innenminister Christophe Castaner einen neuen Ausnahmezustands ins Spiel – und erntete umgehend Widerspruch von seiner Kabinettskollegin Belloubet. Es gebe mit Sicherheit andere Lösungen, sagte die Justizministerin.

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