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Brexit: “Das Volk wurde betrogen”

Tony Allan, Unternehmer

“Ich bin Unternehmer, kann Jeremy Corbyn nicht ausstehen und finde liberale Wirtschaftsideen von Politikern wie Jacob Rees-Mogg gut.
Trotzdem war ich dafür, in der EU zu bleiben. Früher
hatte ich eine Kette von 40 Fisch-Restaurants. Ich habe fast alle
verkauft, um
dann eine Fernsehserie übers Kochen in der BBC zu machen. Heute habe ich noch zwei
Restaurants, zwei Takeaways und ein großes Fischgeschäft, mit denen ich
die
Top-Fischrestaurants in London beliefere.

Das Geschäft brummt. Warum sollen wir das Konzept
ändern,
wenn es funktioniert? Insgesamt 35 Prozent meines Fischs stammt vom
Kontinent,
vor allem aus Frankreich. Die Qualität ist top und es ist besser
verpackt als
alles, was ich hier aus Großbritannien kaufe. Der Transport funktioniert
super. Der Fisch aus Südfrankreich ist genauso schnell da wie Fisch
aus Cornwall.

Brexit: Tony Allan

Tony Allan
© privat

Ich beschäftige 100 Leute, nur sieben Prozent davon sind Engländer –
alles andere sind Polen, Franzosen und Italiener. Warum? Sie arbeiten besser,
härter. Hier in England macht es für die Leute, die nur den Mindestlohn
verdienen, mehr Sinn, im Bett zu bleiben, zu rauchen und Sozialhilfe
abzukassieren. Das Schlimme ist: Manche meiner Angestellten sind wieder zurückgegangen, weil sie Angst vor dem Brexit
haben.

Der EU-Austritt ist eine verlogene Sache. Das Volk
wurde betrogen – auch in meiner Branche. Plötzlich waren sie alle der Meinung, dass
wir nach einem Brexit die britischen Gewässer für uns allein haben werden. Das ist
Unsinn. Das britische Recht bestimmt, dass sich ausländische Schiffe hier
registrieren lassen können, um in britischen Gewässern ungehindert fischen zu
können. Sie müssen nur ab und zu Fisch anlanden und können ansonsten den Fisch
in Frankreich verkaufen, wo die Preise höher sind. Der Brexit ändert daran nichts.

Die Konservativen sollen sich zusammenreißen und den Kompromiss mit der EU
akzeptieren. Ohne
Abkommen aus der EU austreten, kann keine Alternative sein. Die Unsicherheit
wäre fatal für das Geschäft. Deshalb
liegen Boris Johnson und Jacob Rees-Mogg auch falsch. Wenn es nicht
funktioniert, müssen wir irgendwann halt nachverhandeln.

Ich halte auch eine zweite Volksabstimmung für fair. Jetzt würden
vielleicht viele Wähler einsehen, dass sie auf falsche Versprechungen
reingefallen sind. Sie würden jetzt vielleicht für die EU stimmen.”

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