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Welt-Aids-Tag: Chinas neues Aidsproblem

Der Mudanyuan-Park im Norden Pekings: In der Früh machen Rentnerinnen hier zu ohrenbetäubenden Schlagerbeats Gymnastik, nach Anbruch der Dämmerung
kommen Männer zum anonymen Sex. Sie verabreden sich zwischen den Büschen in der “Glückshöhle”, auf dem “Streichelhügel” hinter der kleinen
Brücke und in der öffentlichen Toilette am Ende der “Schwulenallee”. An diesem Novembermorgen steht ein weißer
Minibus mit Regenbogenbanner einige Meter neben der Toilette. Auf einem Klapptisch liegen Kondome und Prospekte
über Aidsvorsorge aus. Zhang Hailong, 36, runder Topfhaarschnitt, lila Anorak,
schüttelt seine Beine gegen die Kälte und haucht weiße Wolken in die Luft. Seit
zwölf Jahren bietet Zhang Mama, wie die Männer im Park ihn nennen, in seinem
Minibus kostenlose HIV-Tests und Beratungsstunden an.

Ein kleiner, schmaler Mann, fast noch ein Junge, kommt aus
dem Gebüsch gehuscht, Hände in den Taschen, die Kapuze seiner roten Jacke tief
ins Gesicht gezogen. “Zhang Mama, hast du heute etwas für mich zu tun?”

Seinen echten Namen möchte er für sich behalten. Wir sollen
ihn den Kleinen Kelly nennen, wie die weibliche Figur aus einer Peking-Oper. Kelly
singt gerne, er ist 22, vor fünf Jahren wurde er positiv getestet. Seine
Stimme, leise und weich, verrät, dass er vom Land kommt. Er sei in einem Dorf
in Hebei aufgewachsen, erzählt Kelly. Er merkte früh, dass er anders war als
andere Jungen. Nach der sechsten Klasse schmiss Kelly die Schule und haute ab nach Peking. Übers Internet
lernte er einen älteren Mann kennen, der ihn zu sich nach Hause einlud. Sie
hatten Sex, ohne Kondom, es war sein erstes Mal. Da muss es passiert sein. “Ich
war 12 oder 13 oder 14”, so genau erinnere er sich nicht mehr. Oder möchte sich
nicht erinnern. Kelly hat keinen Job und keine Wohnung, die Nächte verbringt er
in Internetcafés. Wenn er Geld braucht, kommt er zu Zhang Mama in den Park.

2.000 Blutproben jeden Monat

Wie viele schwule Männer in China, die Zhang Hailong beraten hat,
hatte Kelly vor dem Test von der Krankheit Aids noch nie etwas gehört. Zhangs
NGO trägt den etwas kryptischen Namen: Chinese Concentric Attentant Volunteer
Development Center. Zhang und seine 13 Helfer bieten kostenlose HIV-Tests an. 2.000 Blutproben testen sie jeden Monat
in Peking auf HIV. “Immer noch viel zu wenig”, sagt Zhang.

Chinas Kampf gegen Aids war viele Jahre eine
Erfolgsgeschichte: Nachdem in den Neunzigerjahren im Hinterland das illegale
Geschäft mit Bluttransfusionen geboomt und Hunderttausende sich in sogenannten Aidsdörfern infiziert hatten, dämmte die Regierung zwischenzeitlich die
Verbreitung von Aids effektiv ein. Seit 2003 ist die Behandlung für
Betroffene landesweit kostenlos. Die Ansteckung über Blutspenden und
Drogenspritzen liegt inzwischen bei nahezu null, insgesamt sind weniger als 0,1 Prozent der Menschen in China infiziert, die Rate ist eine der niedrigsten der Welt.

dpa

Kondom geplatzt – und jetzt?

Kondom geplatzt – und jetzt?

Das Date lief super – bis zu diesem Moment. Riss im Gummi. Kann ich das Aids-Virus HIV erwischt haben? Was jetzt zu tun ist.

© NIH

Angst! Wovor noch gleich?

Angst! Wovor noch gleich?

HIV greift die Körperabwehr an. Bei wem Aids ausbricht, den machen sonst harmlose Erreger schwer krank. Passiert mir das jetzt auch?

© Davis/Express/Getty Images

Ruhig bleiben

Ruhig bleiben

Es muss nicht zur Ansteckung gekommen sein. Es gibt ein paar Tipps, um das Risiko jetzt noch zu verringern. Genau lesen! Und keine Hektik.

Sofort machen

Sperma ausspucken und Mund spülen – falls möglich mit hochprozentigem Alkohol.

Oralsex

sein lassen

Nicht die Zähne putzen – sind Viren vorhanden, könnten sie ins Zahnfleisch gerieben werden.

HIV-Test

Tatsächlich: Schnelltests bringen nach einer halben Stunde ein erstes Ergebnis. Machen sollte man sie aber erst zwölf Wochen nach dem ungeschützten Sex – sonst sind sie zu unsicher. Am Ende muss man also länger bangen als nach dem Labortest.

Nun aber bahnt sich eine neue Krise an. 2018 meldete China 100.000
neue Fälle, ein Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (The Lancet: Zheng, 2018). Die meisten
Betroffenen stecken sich heute über Sex an. Und eine Risikogruppe sticht besonders hervor: Männer, die mit Männern schlafen. 2006 stellten sie 2,5
Prozent aller neu registrierten Fälle, seither hat sich ihre Quote
verzehnfacht. Unter Studierenden und in Großstädten entfallen sogar bis zu 80
Prozent aller Neuinfektionen auf Schwule.

Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Viele ließen sich
erst gar nicht testen, sagt Zhang: “Wir fischen Nadeln im Meer.” Insbesondere
unter den Jungen und Benachteiligten verbreitet sich der HI-Virus rasant, “die
wenigsten von ihnen kämen auf die Idee, sich in einem Krankenhaus beraten zu
lassen”. Er und die Helfer seiner NGO sprechen sie darum aktiv an, hier
im Muduanyuan Park, an Autoraststätten, vor Universitäten und in Karaokebars.

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