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Ideenklau auf offener Bühne

„Eigentlich könnte das jetzt so weitergehen“, sagt einer, der die CDU-Roadshow als Kandidaten-Coach durch die Republik begleitet hat. Die Organisation läuft, die drei Bewerber um Angela Merkels Erbe haben sich warmgeredet, das Publikum ist begeistert, was die eigene Partei auf einmal zu bieten hat als Vorspiel zu einem, wie Gastgeberin Monika Grütters vorhersagt, „historischen Parteitag“. Aber im Berliner Estrel-Center ist wirklich das Finale. Vor gut 2000 Berlinern und Brandenburgern versucht das Trio zum achten und letzten Mal, Punkte zu machen – und so kurz vor Schluss vor allem keinen Fehler.

Die Fehlervermeidung hat übrigens während der Tournee zu dem interessanten Effekt geführt, den ein aufmerksamer Beobachter als „Ideenklau auf offener Bühne“ bezeichnete. Das fing mit der Begeisterung für eine Steuerreform an und setzte sich in Berlin damit fort, dass Jens Spahn plötzlich auch die Designerbabys in China in seine Passage über Werteverirrungen einbaut, denen sich die CDU widersetzen müsse. Darauf war vor vier Konferenzen Annegret Kramp-Karrenbauer schon gekommen. Bei Friedrich Merz geht der Klau eher summarisch: Er stimmt – „aus Zeitgründen“ – dem Gesagten zu und fügt den konkreten Antworten seiner Vorredner etwas Grundsätzliches hinzu.

Aber die Berliner erleben noch sehr viel Interessanteres: Drei Kandidaten am Ende der Übungsphase. Man kann am Freitagabend zum ersten Mal erahnen, wie die Bewerbungsreden in einer Woche in Hamburg klingen. Bei Spahn zeichnet sich das schon länger ab. Der 38-Jährige stellt seiner Basis „Deutschland im Jahr 2040“ vor, wobei er den größten Beifall für den Satz einheimst: „Ich will 2040 in einem Land leben, das von der Volkspartei CDU regiert wird!“ Der Zukunftsentwurf legt freilich die Rechnung nahe, dass Spahn sich den Wunsch selbst erfüllen könnte, wenn er noch etwas wartet.

Merz’ Rede beginnt mit der Warnung vor dem Niedergang der Volksparteien

Merz’ Rede konnten Interessierte bereits vor drei Tagen in der FAZ als Gastbeitrag lesen. Sie beginnt mit der Warnung vor einem Niedergang der Volksparteien, hat als ersten Höhepunkt den Satz: „Ich will ihn stoppen, ich will ihn umkehren, und ich bin auch ganz sicher, dass das geht!“ und klingt aus mit einer doppelten Versicherung an die Adresse derer, die ihm aus historischer Erfahrung ein bisschen misstrauen: Erstens werde er mit Angela Merkel kein Problem haben, und zweitens werde er als Parteichef eine Mannschaft bilden, in der auch „Flügelstürmer“ vertreten seien.

Die kleine Überraschung des Abends ist Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin hat in den zwei Wochen mit Versatzstücken experimentiert. Jetzt scheint sie mit der eigenen Linie im Reinen. „Jeder von uns ist immer in der Lage, einen rauszuhauen gegen den politischen Gegner“, ruft sie in den Saal. Aber die CDU brauche eine „große Erzählung“ für sich selbst, müsse von sich selbst begeistert sein und sich der großen Themen der Politik bemächtigen, „nicht mehr zum Abnicken, sondern zum vorher Abarbeiten“. Und dann nicht reden, sondern handeln: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir müssen es nur endlich tun.“

Zuletzt spielt sie ein ironisches Spiel mit dem Vorwurf, sie sei zu nahe an Merkel. „Wir schaffen es“, sagt sie drei Mal hintereinander – „wenn wir das C ernst nehmen”, “wenn wir das D ernst nehmen“ und vor allem das U im Parteinamen: „Wir müssen alle zusammenstehen!“ Der Applaus für die kleine Frau im türkisblauen Kostüm zwischen den beiden langen Kerlen klingt ein wenig verblüfft: AKK kann ja kämpferisch!

Die Fragen aus dem Publikum reichen vom Vorgehen gegen kriminelle Clans über das Werbeverbot für Abtreibungen bis zur Zukunft Europas. Die letzte Fragestellerin will wissen, wen die drei zum Generalsekretär machen wollen. Das Los zur letzten Antwort fällt auf Kramp-Karrenbauer. Es sei gut, dass keiner der drei der Versuchung erlegen sei, sich mit einem Namen noch das Wohlwollen des einen oder anderen Delegierten zu sichern. Aber wenn sie gewählt werde, werde sie ihren Kandidaten am gleichen Tag vorstellen.

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