/SPD-Parteivorsitz: Team ist das neue Zauberwort

SPD-Parteivorsitz: Team ist das neue Zauberwort

Die SPD hat sich geeinigt, immerhin. Ihre obersten Gremien haben getagt und sich auf einen Prozess verständigt, nach dem die Suche nach der neuen Führung ablaufen soll. “Intensiv und konstruktiv” seien die Beratungen verlaufen, sagt die kommissarische Parteichefin Malu Dreyer hinterher. Von einer “guten Stimmung” spricht auch die Familienministerin Franziska Giffey, die als eine Geheimfavoritin für den vakanten Posten gilt.

Die SPD ist also nicht in eine heillose Anarchie verfallen. Was ja anders denkbar gewesen wäre, angesichts der miserablen Wahl- und Umfragewerte. Und angesichts der schnell aufeinander folgenden Rücktritte und Rückzüge der entscheidenden Führungsfiguren des vergangenen Jahrzehnts (Nahles, Gabriel, Schulz).

Nein, die Sozialdemokraten haben sich auf das besonnen, was sie können, vermutlich so gut wie kaum eine andere Organisation in Deutschland: Sie haben sich mit sich selbst beschäftigt – und zwar gefasst, geordnet und ergebnisorientiert. Zumindest ist jetzt klar, was in den kommenden fünf Monaten wann und wie passieren soll. Es gibt einen “Fahrplan” mit “Eckpunkten”, wie es die kommissarische Parteiführung nennt. 

Und der Fahrplan sieht so aus: Vom 1. Juli bis zum 1. September können sich die potenziellen neuen Parteivorsitzenden bewerben. Sie können das als Einzelperson tun oder in Zweierteams. Eines der Teammitglieder muss weiblich sein. Dreierteams sind nicht zugelassen. Wahlberechtigt ist jedes Parteimitglied, ganz gleich, wie lange es schon dabei ist. Einzige Bedingung: Die Kandidaten benötigen die Unterstützung eines oder mehrerer Parteigremien: nämlich die von einem Landesverband, einem Bezirk oder von fünf Unterbezirken.

Wer offiziell Kandidat (oder Teil eines Teams) ist, bekommt von September bis etwa Mitte Oktober Zeit, sich der Basis vorzustellen. Es wird in ganz Deutschland Regionalkonferenzen geben, auf denen die Kandidaten auftreten. Danach sind dann alle 440.000 Parteimitglieder zur Abstimmung aufgerufen, per Brief oder online. Erhält im ersten Wahlgang niemand eine absolute Mehrheit, erfolgt ein zweiter Wahlgang der beiden bestplatzierten Kandidaten oder Teams. Der oder die Gewinner dieses zweiten Wahlgangs müssen dann auf einem Parteitag, der Anfang Dezember stattfindet, bestätigt werden.

Sozialdemokraten – SPD ermöglicht Doppelspitze
Mit einem Mitgliederentscheid will die SPD ihren neuen Vorsitz bestimmen. Erstmals sollen dabei auch Teams antreten dürfen.
© Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Parteitag für neuen Vorsitz und GroKo-Halbzeitbilanz

Mehrere Medien hatten an diesem Montag verfrüht berichtetet, dass dieser Parteitag auf November vorverlegt würde. Tatsächlich hatten mehrere Genossen gefordert, den Parteitag vorzuziehen, um die Führungsfrage nicht so lange offen zu lassen. Letztlich entschied sich aber eine knappe Mehrheit des Vorstands dafür, beim Dezembertermin zu bleiben. Aus Kostengründen und um der Partei Zeit und Raum zur Diskussion zu lassen, hieß es hinterher.

Denn schließlich geht es auf dem Parteitag nicht nur um Personalfragen. Entschieden werden soll hier auch über die Zukunft der großen Koalition. Zu Beginn der umstrittenen Regierungsarbeit hatte die SPD mit sich selbst eine sogenannte Halbzeitbilanz ausgemacht – und diese soll nun im Dezember erfolgen.

Es wäre also möglich, dass ein möglicher neuer Vorsitzender sich für eine Weiterführung der Groko ausspricht, am nächsten Tag aber vom Parteitag überstimmt wird. Besonders wahrscheinlich ist es aber nicht. Denn die Kandidaten werden ja vermutlich mit kaum einer Frage in den kommenden Wochen und Monaten so sehr konfrontiert wie mit dieser. Die Genossen werden also vorher wissen, ob Kandidat X oder Team Y/Z weiter regieren will oder nicht, und das mit in die Entscheidung einfließen lassen. So zumindest die Hoffnung.    

Aber es ist ein offener Prozess – und das ist ausdrücklich von der kommissarischen Parteiführung so gewollt. Empfehlungen wollen Dreyer und ihre beiden Co-Vorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel und Manuela Schwesig ganz bewusst nicht aussprechen. Viel mehr hoffen sie, dass das Prozedere die ganze Partei mobilisiert. Transparent und diskursiv will man wahrgenommen werden. Die CDU hat es 2018 vorgemacht, dass ein offener Wettstreit um die Merkel-Nachfolge durchaus mobilisierend und kaum spaltend daherkommen muss.

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