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“Stasi Secret Service Tools”: Erich Mielkes Panzerknacker

Oliver Diederichsen weiß, wie man Türen und Tresore öffnet. Jetzt hat er ein faszinierendes und bedrückendes Buch darüber geschrieben, wie viel die Stasi darüber wusste.

Oliver Diederichsen: Schlüssel im Rücken, aber eigentlich interessiert sich Oliver Diederichsen dafür, wie man Schlösser ohne sie aufbekommt.

Schlüssel im Rücken, aber eigentlich interessiert sich Oliver Diederichsen dafür, wie man Schlösser ohne sie aufbekommt.
© privat

Oliver Diederichsen steht in seiner
Hamburger Werkstatt und schaut mit einem Endoskop durch ein fingernagelgroßes
Loch in das Innere einer Tresortür. Hinter ihm an der Wand stapeln sich
Panzerschränke aus verschiedenen Epochen, wuchtiggraue in diversen Größen,
manche mehr als eine Tonne schwer, aber auch kleinere, die aussehen wie ein
antikes Möbelstück und immer noch 600 Kilo wiegen.

Im Vergleich dazu ist das Modell, das vor
Diederichsen auf einem Hubwagen steht, winzig. Ein Möbeltresor, wie er für
wenige Hundert Euro im Baumarkt verkauft wird. Und es ist auch keine große
Herausforderung, ihn zu knacken. Diederichsen, ein entspannter Typ in
Turnschuhen und schwarzer Kapuzenjacke, mit großen, ruhigen Händen, der ganz
offensichtlich Spaß an dem hat, was er tut, musste lediglich zwei Schrauben
lösen, die das Batteriefach des elektronischen Schlosses an der Tür sicherten.
Anschließend konnte er das Fach ein wenig zur Seite schieben, darunter kam eine
Öffnung zum Vorschein, durch die das Kabel von der Batterie zum Schloss in der
Tür verläuft. Jetzt zieht Diederichsen das Endoskop heraus, biegt sich ein
Stück Draht zurecht und pietschert damit kurz in dem Loch herum. Sofort macht
es leise klack, die Tür ist offen.

Den kleinen Safe hatte ein Hamburger
Ehepaar im Kofferraum seines Autos zu Diederichsens Werkstatt gebracht, sie
hatten den Zahlencode vergessen. Alle drei stehen vor dem nun offenen Tresor
und schauen hinein. “Nix drin”, sagt Diederichsen. “Na, dann
kommen auch keine unangenehmen Fragen auf.” Wenige Minuten später
hat er ihn wieder zusammengebaut und für die beiden Besitzer einen neuen Code
eingespeichert. Sie sind erleichtert, Diederichsen bleibt unbewegt. Er hat
schon mehrere Tausend Safes geöffnet, meistens “zerstörungsfrei”, wie
er stolz sagt. Es ist sein Hobby und längst auch sein Beruf.

Mehr noch: Er hat ein ganzes Buch
geschrieben, das die Brücke schlägt zwischen der technischen Faszination des
Schloss- und Türöffnens ohne passenden Schlüssel und einer Epoche, in der es dabei um mehr
ging als um verbummelte Schlüssel, Codes und Diebstahl. In Die geheimen
Schlossöffnungswerkzeuge der Abt. VIII
, so der prosaische Titel, dokumentiert
Diederichsen faszinierend und bedrückend zugleich, wie sich die
Staatssicherheit der DDR dem Einbrechen
mit wissenschaftlicher Genauigkeit und nahezu grenzenlosen Mitteln widmete. Der
DDR-Geheimdienst besaß große Abteilungen, deren einzige Aufgabe es war,
Schlösser zu erforschen und Wege zu finden, sie unerkannt zu knacken.

Brachten Firmen neue Schlösser heraus,
fertigte die Stasi regelrechte Forschungsarbeiten an. Mit Geld und Akribie
suchten die Spezialisten nach Schwachstellen. Anschließend bauten sie
Werkzeuge, um diese Schwächen auszunutzen. “Himmelsschlüssel”, “Bartheber”,
“Minisperrhaken” oder ein “KfZ-Öffnungs- und Dekodierwerkzeug ‘Trabant'” waren
das Ergebnis. Zum schnellen Kopieren von Schlüsseln gab es für die Agenten
kleine Dosen mit Suralin – einer Knete, die durch Erhitzen aushärtete. Mit
Suralin spielte in der DDR jedes Kind. Dass die auch zum Einbrechen taugte, war
dagegen kein Allgemeinwissen.

Ihre gesammelten Informationen fasste die
Stasiabteilung “für die politisch-operative Arbeit” in einem streng geheimen
“Schlosskatalog” aller in der DDR verfügbaren Schließsysteme zusammen.
Politisch-operative Arbeit war der Euphemismus für die Überwachung von
Kritikern und Kritikerinnen, Dissidentinnen und Dissidenten. Denn dank dieser Abteilungen konnten Stasileute,
ohne ungewollt Spuren zu hinterlassen, in deren Wohnungen einsteigen und sie
zum Beispiel verwanzen.

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