/Tbilissi: Georgischer Parlamentspräsident tritt nach Massenprotesten zurück

Tbilissi: Georgischer Parlamentspräsident tritt nach Massenprotesten zurück

Nach den Massenprotesten gegen den Auftritt eines russischen Abgeordneten im georgischen Parlament in Tbilissi ist der Parlamentspräsident zurückgetreten. Irakli Kobachidse habe Verantwortung übernommen und sein Amt niedergelegt, sagte der Generalsekretär der Regierungspartei Georgischer Traum, der Kobachidse angehört. Tausende Demonstranten und Demonstrantinnen hatten am Donnerstagabend versucht, das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt zu stürmen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten ein. Nach Angaben der Regierung wurden bei den Zusammenstößen 240 Menschen verletzt, mehr als 300 wurden festgenommen.

Auch am Freitag gingen erneut Tausende Menschen in der Hauptstadt auf die Straße. Im Fernsehen war zu sehen, wie die Demonstrierenden vor dem Parlament standen. Es blieb zunächst friedlich. Beobachter vor Ort sprachen von rund 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Opposition hatte zu der Kundgebung aufgerufen. Sie verlangt vorgezogene Neuwahlen und den Rücktritt des Innenministers. Der Generalsekretär sagte, Kobachidses Rückzug sei “kein Zugeständnis an die unverantwortlichen Forderungen der Oppositionsparteien”.

Auslöser der Proteste war eine Ansprache des russischen Abgeordneten Sergej Gawrilow bei einer internationalen Veranstaltung im Parlament in Tbilissi. Gawrilow hatte bei einem Treffen der Interparlamentarischen Versammlung für Orthodoxie (IAO), einem Forum von Abgeordneten aus überwiegend christlich-orthodoxen Ländern, am Donnerstag eine Rede gehalten. Eine Gruppe georgischer Oppositioneller hatte die russische Delegation aufgefordert, den Plenarsaal des Parlaments zu verlassen.

“Angriff auf die Würde des Landes”

Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili kritisierte die auf Russisch gehaltene Rede Gawrilows als “Angriff auf die Würde des Landes”. Dieser Angriff rechtfertige aber keine Aufrufe zur Erstürmung des Parlaments oder zum Sturz der Regierung. Regierungschef Mamuka Bachtadse sagte, die für die “Massengewalt” verantwortlichen Oppositionspolitiker sollten sich vor Gericht verantworten.

Die Beziehungen zwischen Georgien und Russland sind seit Jahren angespannt. Russland betrachtet die ehemalige Sowjetrepublik als seine Einflusssphäre. Das Bestreben Georgiens, der EU und der Nato beizutreten, sorgt seit Jahren für Konflikte mit Russland. Diese führten im August 2008 zu einem kurzen Krieg um die abtrünnigen georgischen Provinzen Abchasien und Südossetien.

Russland kritisierte die Massenproteste als “russlandfeindliche Provokation”. Ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin sagte, für die russische Regierung seien die Proteste Anlass zu Besorgnis. Der russische Präsident verhängte als Reaktion auf die Proteste ein Flugverbot für Georgien: Per Dekret ist es russischen Fluglinien ab dem 8. Juli vorübergehend verboten, von Russland aus Verbindungen nach Georgien anzubieten. Dieser Schritt sei aus Gründen der nationalen Sicherheit notwenig, hieß es in einem Mitteilung der Regierung.

Tbilissi – Demonstranten versuchen, Parlament zu stürmen
In Georgiens Hauptstadt sind bei Protesten vor dem Parlament rund 70 Menschen verletzt worden. Sie demonstrierten gegen den Besuch eines russischen Abgeordneten.
© Foto: Zurab Tsertsvadze/AP/dpa

Hits: 93