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EU-Gipfel: An Monsieur Non kommt Weber nicht vorbei

Am
Donnerstag reisten die 28 Staats- und Regierungschefs der EU nach Brüssel, um
das Spitzenpersonal der Union zu bestimmen: den Kommissionspräsidenten, den Präsidenten des Europäischen Rats, des Europaparlaments, der Europäischen Zentralbank und den Posten der EU-Außenbeauftragten. Das geschieht alle fünf Jahre
einmal. Das ist jedes Mal anstrengend, doch dieses Jahr ist etwas
anders: Das Ringen ist nicht nur zäh, es ist noch um einiges komplizierter als
in der Vergangenheit. Alle hatten Vorstellungen, Wünsche, vielleicht sogar
Pläne, doch eine Lösung für das ganze Drama hatte keiner der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nach einer langen Sitzungsnacht vertagten sie die Entscheidung auf einen Sondergipfel am 30. Juni.

Schuld
daran sind in erster Linie zwei Akteure: Die europäischen Wähler und der
französische Präsident Emmanuel Macron. Aber eins nach dem anderen.

Die Europäerinnen und Europäer haben Ende Mai ein Parlament gewählt, in dem es keine
klaren Mehrheitsverhältnisse mehr gibt. Bisher hatten Christdemokraten und
Sozialdemokraten im europäischen Parlament zusammen deutlich mehr Sitze als alle anderen. Sie
mussten sich nur einigen, was ihnen auch meistens gelang. Die Aussicht auf
Macht und Einfluss führte sie zusammen. Auf diese Weise wurde der
Christdemokrat Jean-Claude Juncker 2014 Chef der EU-Kommission und der
Sozialdemokrat Martin Schulz Parlamentspräsident. Beide hatten sich damals als
sogenannte Spitzenkandidaten den Wählern gestellt. Der Rat, also die 27 Staats-
und Regierungschefs, akzeptierte die Einigung der beiden großen
Parteifamilien, wenn auch nicht mit großer Freude. Sie ließen und lassen sich
nur ungern die Besetzung der EU-Spitzenpositionen vorschreiben. Aber die
informelle große Koalition zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten
versprach Stabilität – und einen gut geölten europäischen
Maschinenraum.

Die europäische Groko ist dahin – das macht’s kompliziert

EU-Gipfel – Angela Merkel warnt vor Krise im EU-Parlament
Ohne mögliche Zweierkoalition blockieren sich die Parteifamilien in Rat und Parlament gegenseitig. Laut Kanzlerin müssten nun gemeinsame Schlüsse gezogen werden.
© Foto: Aris Oikonomou/Getty Images

Diese
informelle große Koalition ist seit Ende Mai dahin. Christdemokraten und
Sozialdemokraten haben zusammen keine Mehrheit mehr. Sie brauchen Partner: die Liberalen und die Grünen. Wer sich um das
Amt des Kommissionspräsidenten bewirbt, muss also mindestens drei Parteien
hinter sich scharen können. Der Deutsche Manfred Weber, Fraktionschef der EVP, erhebt Anspruch
auf diesen Posten. Er hat dafür kandidiert – und seine EVP ist aus den
Wahlen als stärkste Partei hervorgegangen. In den letzten Tagen und Wochen hatte er sich um
Unterstützung bemüht; nur so kann er hoffen, seinen Anspruch
durchzusetzen. Doch die Sozialdemokraten und Liberalen
verweigern sich bislang.

An
diesem Punkt kommt Emmanuel Macron ins Spiel. In den Tagen vor dem Gipfel machte er wiederholt deutlich, dass
er Weber für ungeeignet hält. Er tat das auf so offensive Weise, dass er damit
Angela Merkel in Schwierigkeiten brachte. Merkel nämlich hält aus
innenpolitischen Gründen an Weber fest. Ist ihr Kandidat doch das lebende
Symbol für die Versöhnung zwischen CDU und CSU. Ein führender CDU-Politiker in
Brüssel sagte dazu: “Deshalb hat die CDU einen Niederbayern in ganz Deutschland
plakatiert!”

Macron
selbst weist den Vorwurf zurück, er habe mit seiner Haltung einen Konflikt mit
Deutschland heraufbeschworen. Schließlich habe er sich immer mit Merkel
beraten. Zu diesen versöhnlichen Tönen passte allerdings nicht, dass er in
den Tagen zuvor die Kanzlerin selbst als Kommissionspräsidenten ins Spiel gebracht hatte.

Macron würde Merkel unterstützen – ein Affront

“Wenn sie wollte, würde ich sie unterstützten!” Der amtierenden deutschen
Kanzlerin gönnerhaft vorzuschlagen, sie für den
vergleichsweise unbedeutenden Posten der Kommissionspräsidentin vorzuschlagen,
das grenzt schon an Beleidigung. Trotz dieser Selbstherrlichkeit gestand
Macron dem Europäischen Parlament eine Rolle bei der Besetzung der Posten zu:
“Wir müssen eng mit dem Parlament zusammenarbeiten!”, sagte er auf dem Gipfel. Ohne allerdings auszuführen, wie diese Zusammenarbeit genau auszusehen habe. Es ist bekannt, dass Macron das
Spitzenkandidatenmodell des Parlaments ablehnt. Auch in diesem Punkt
unterscheidet er sich von Merkel.

Macron
versuchte also auf dem Gipfel, die Initiative zu ergreifen – aber es ist nicht
klar, zu welchem Zweck. “Wir brauchen das beste Team für Europa!”, sagte er in
Brüssel. Nur Weber zählt Macron nicht dazu. Das hat er hinlänglich deutlich
gemacht. Eine Zeit lang war der Brexitverhandler Michel Barnier im Gespräch,
aber Macron hat zu verstehen gegeben, dass er auch ihn nicht wirklich will. Aber wen
will Macron dann? Und was? Warum spielt er mit so hohem
Einsatz? Macron wirbelt in Brüssel zwar vieles durcheinander, aber
eine Antwort auf diese Fragen hat er nicht gegeben. Der ambitionierte EU-Reformator gibt den Monsieur Non.

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