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Brüssel: Keine Lösung im EU-Streit über Spitzenposten

Im Streit über die neue Führung der Europäischen Union haben
Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kollegen keine Lösung gefunden.
Stattdessen wurde ein Sondergipfel für den 30. Juni vereinbart, wie
EU-Ratspräsident Donald Tusk in der Nacht zum Freitag bestätigte. Der
estnische Regierungschef Jüri Ratas sagte, er sei sicher, dann werde man
sich einigen. Alle Namen seien noch auf dem Tisch. Somit hat wohl auch
der CSU-Politiker Manfred Weber noch eine Chance auf den Posten des
EU-Kommissionspräsidenten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in der Nacht zum
Freitag, einige Tage mit den Personalentscheidungen zu warten, sei
besser als überhastete Beschlüsse. Ähnlich äußerte sich auch der
französische Staatspräsident Emmanuel Macron.

Jean-Claude Juncker, dessen Amtszeit als EU-Kommissionspräsident Ende Oktober ausläuft, scherzte beim Verlassen des Ratsgebäudes: “Ich habe mit großem Vergnügen zur Kenntnis genommen, dass es sehr schwer ist, mich zu ersetzen.”

Es geht aber nicht nur um seine Nachfolge, sondern noch um vier weitere
Spitzenposten: die Präsidenten des Europäischen Rats, des
Europaparlaments, der Europäischen Zentralbank und den Posten der
EU-Außenbeauftragten. Die zukünftigen Spitzenpolitiker sollen die
Vielfalt der EU abbilden: Gesucht werden Frauen und Männer, die
verschiedene Regionen und Parteien repräsentieren.

Über einen Tag
hinweg hatten sich die Staats- und Regierungschefs bei geheimen Treffen
beraten. Für die Nachfolge von Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker gilt, dass die EU-Staaten den Posten bestimmen und
das Parlament die Entscheidung billigen muss. Die EU-Parlamentarier
bestehen darauf, dass lediglich die Spitzenkandidaten der Parteien, die
bei der Europawahl im Mai antraten, berücksichtigt werden sollen.

Deutschland und Frankreich streiten über Juncker-Nachfolge

Streit
gibt es zwischen Deutschland und Frankreich, weil sich Merkel den
CSU-Vizevorsitzenden Manfred Weber als Kommissionspräsidenten wünscht.
Dieser pocht mit dem Argument auf das Amt, dass seine Europäische Volkspartei bei der Europawahl wieder stärkste Kraft wurde. Macron
und andere Regierungschefs stellen sich gegen
den CSU-Politiker – mit der Begründung, die EU brauche eine
Führungspersönlichkeit mit mehr Erfahrung. Der 46-Jährige ist seit fünf
Jahren EVP-Fraktionschef im Europaparlament. Dort verhandelt er mit
Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen über eine Art
Koalitionsvereinbarung, die ihm eine Mehrheit sichern soll. Die neue
Frist gibt Weber mehr Zeit dafür.

Als Kandidaten ihrer
Parteien beworben haben sich auch der Sozialdemokrat Frans Timmermans
und die Liberale Margrethe Vestager. Keiner von ihnen hat die nötigen
Mehrheiten – weder im Rat der Staats- und Regierungschefs noch im EU-Parlament, wo die
Liberalen und Sozialdemokraten Weber nicht mitwählen wollten.

Sowohl Merkel als auch Macron
erklärten schon zum Gipfelauftakt am Donnerstag, dass es eine Lösung so
schnell wohl nicht geben werde. Dies sei aber kein großes Problem, weil
man noch ein paar Tage für die Beratungen habe, hatte die Kanzlerin
ergänzt und einen Zeitrahmen bis zur konstituierenden Sitzung des
Europaparlaments am 2. Juli gesteckt.

Macron bekräftigte, die EU-Postenvergabe solle nicht
als Machtkampf zwischen Frankreich und Deutschland verstanden werden. Es
gehe lediglich darum, das beste Team für Europa zusammenzustellen.

Der
irische Ministerpräsident Leo Varadkar sagte schon im Vorfeld über den
Personalpoker: “Oftmals ist es schneller, den Papst zu wählen, als diese
besonderen Positionen zu besetzen.” Ernüchtert zeigte sich auch
EU-Ratspräsident Donald Tusk.

EU-Parlamentspräsident Antonio
Tajani betonte indes, die Abgeordneten beharrten darauf, dass das System
rund um die Spitzenkandidaten eingehalten werden müsse. Seine
Unterstützung für Manfred Weber bekräftigte er. “Ich hoffe, dass wir
eine Lösung finden und einen Krieg zwischen den Institutionen
vermeiden.”

Merkel: “Wir wollen keine Krise im Parlament”

Ob die Blockade das Ende der Ambitionen von EVP-Spitzenkandidat
Manfred Weber auf den Chefposten in Brüssel sei, wollte Merkel am
Freitagmorgen nach dem ersten Gipfeltag in Brüssel nicht sagen. EU-Ratspräsident Donald Tusk habe die Aufgabe bekommen, sich
sehr schnell mit den Fraktionschefs im Europäischen Parlament zu
beraten. “Wir wollen auf gar keinen Fall eine Krise mit dem
Parlament”, sagte Merkel. Das wäre nicht gut für die Arbeit der
EU in den kommenden fünf Jahren.

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