/Nora Heer: “Gutes Feedback ist eine Frage von Führung”

Nora Heer: “Gutes Feedback ist eine Frage von Führung”

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wünschen sich von ihren Vorgesetzten Anerkennung. Das ergab auch eine Befragung des infas Instituts für angewandte Sozialwissenschaft im Auftrag der ZEIT. Wie Führungskräfte diesem Wunsch besser nachkommen können, weiß die Gründerin Nora Heer. Ihr Unternehmen Loopline hilft Firmen dabei, eine bessere Rückmeldungskultur zu etablieren.

ZEIT
ONLINE:
Frau
Heer, Sie haben das Unternehmen Loopline gegründet, um die Feedbackkultur in
deutschen Unternehmen zu ändern. Was läuft dort schief?

Nora Heer:
In Mitarbeitergesprächen wird oft sehr viel falsch
gemacht. Die meisten Führungskräfte geben nicht gerne Feedback. Viele
denken, dass sie einmal im Jahr ihren Mitarbeitern aufzeigen müssen, was sie
verbessern können. Sie konzentrieren sich im Gespräch nur auf die Punkte, an
denen gearbeitet werden muss, anstatt auch zu loben. Das frustriert
Mitarbeiter, weil sie das Gefühl haben, die Chefin sieht nur, was noch nicht
gut ist. Oft liegen Welten zwischen dem, was Führungskräfte für notwendig
halten und was sich Mitarbeiter wünschen.

ZEIT
ONLINE:
Wie
sollte Feedback stattdessen sein?

Nora Heer: Nora Heer gründete vor viereinhalb Jahren das Unternehmen Loopline. Davor war die 39-Jährige in der Softwareindustrie und im Personalbereich tätig.

Nora Heer gründete vor viereinhalb Jahren das Unternehmen Loopline. Davor war die 39-Jährige in der Softwareindustrie und im Personalbereich tätig.
© Kim Keibel

Heer: Gutes Feedback wird zeitnah und
an konkreten Beispielen gegeben. Auch sollte die Chefin nicht einfach ihre
subjektive Wahrnehmung aussprechen, sondern auch die Meinungen anderer
berücksichtigen. Feedback sollte nicht emotional aufgeladen sein und auf jeden
Fall mehr als einmal pro Jahr stattfinden.

ZEIT
ONLINE:
Warum
ist regelmäßiges Feedback so wichtig?

Heer: Es gibt drei Dinge, die
Menschen mehr als alles andere motiviert: Die Identifikation mit einer Aufgabe
oder mit dem Unternehmen, die Anerkennung von Kolleginnen oder Führungskräften
und die Selbstwirksamkeit. Das bedeutet, dass wir merken möchten, dass unser
Tun eine Auswirkung auf unser direktes Umfeld hat, also auf das Unternehmen
oder auch auf die Kolleginnen. Feedback ist der zentrale Hebel für Anerkennung
und Wertschätzung der eigenen Arbeit und ist damit ein wichtiger Treiber für
Zufriedenheit.

“Viele Führungskräfte geben aus Angst einfach kein Feedback, das ist aber keine Lösung.”

Nora Heer

ZEIT
ONLINE:
Was
passiert, wenn diese Treiber fehlen?

Heer:
Schlechtes
Feedback führt zu Kränkung. Ich habe viele Angestellte gecoacht, die nach
schlechten Mitarbeitergesprächen komplett ihre Motivation verloren haben. Sie
fühlen sich in ihren täglichen Anstrengungen nicht gesehen oder sogar
persönlich abgewertet. Dies kann die Beziehungsebene zwischen Manager und
Mitarbeiter über Jahre hinweg beeinflussen. Viele Führungskräfte geben aus
dieser Angst heraus einfach kein Feedback, das ist aber keine Lösung.

ZEIT
ONLINE:
Manchmal
machen Mitarbeiter auch objektiv gesehen Fehler. Wie kritisiert man diese ohne,
dass die andere Person es persönlich nimmt?

Heer:
Es gibt einen
einfachen Leitsatz: Wertschätzung an der Person, Kritik an der Sache.

Nora Heer: Im Auftrag der ZEIT hat das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft quer durch alle Berufsgruppen 1.000 Menschen befragt, was sie sich von ihrem Arbeitsplatz wünschen. In der Serie "Mein Job und ich" auf ZEIT ONLINE zeigen wir die Ergebnisse und erzählen die Geschichten dahinter.

Im Auftrag der ZEIT hat das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft quer durch alle Berufsgruppen 1.000 Menschen befragt, was sie sich von ihrem Arbeitsplatz wünschen. In der Serie “Mein Job und ich” auf ZEIT ONLINE zeigen wir die Ergebnisse und erzählen die Geschichten dahinter.
© Christoph Rauscher für ZEIT ONLINE

Stellen
wir uns vor, Sie hätten als meine Mitarbeiterin eine Präsentation gehalten, mit
der ich unzufrieden wäre. Mein Feedback würde ich so formulieren: Mir ist
aufgefallen, dass Sie sich sehr viel Mühe in der Recherche gegeben haben und dass Sie sehr sicher in
Ihrem Kommunikationsstil waren. In dem Teil auf Englisch, hat es auf mich an
manchen Stellen etwas holprig gewirkt, zum Beispiel auf Seite 16 Ihrer
Präsentation. Wenn Sie das nächste Mal über ein fachfremdes Thema sprechen,
wäre mein Vorschlag, dass Sie sich eines Drittmittels bedienen, also zum
Beispiel ein Video zeigen. Oder Sie gehen weg von der starren Theorie und
versuchen, das Thema in eigenen Worten zu erläutern. Dann wirkt das Ganze auf
die Zuhörerin authentischer.

Die
drei Komponenten, die ich hier benutze, sind Wahrnehmung, Wirkung und Wunsch.
Ich habe ein konkretes Beispiel – die Präsentation –, an dem ich sachlich
und pragmatisch dargestellt habe, was ich wahrgenommen habe und welche Wirkung
das auf mich hatte. Und ich habe aufgezeigt, was ich mir beim nächsten Mal
wünsche
, und gleich einen konkreten Lösungsvorschlag mitgeliefert. 

“Arbeitnehmer, die keine Wertschätzung erfahren, resignieren und nehmen im schlimmsten Fall einen Zustand an, den wir innere Kündigung nennen.”

ZEIT
ONLINE:
Deutsche
sind nicht dafür bekannt, gerne zu loben. Ist fehlende Anerkennung ein
typisch deutsches Problem?

Heer: Mit Verallgemeinerungen bin ich
grundsätzlich vorsichtig. In meinem Arbeitskontext beobachte ich aber, dass
Loben in der deutschen Feedbackkultur nicht im Vordergrund steht. Stattdessen
ist der Optimierungsgedanke stark ausgeprägt. Es geht immer nur darum, was noch
besser gemacht werden kann. Andere Kulturen, wie etwa die USA, sind da deutlich
großzügiger. Ich bemerke aber, dass sich in den letzten Jahren in Deutschland
etwas verändert hat.

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