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Motorradfahren: Eine gefährliche Idee

“Bürgerkäfig”,
so bezeichnen überzeugte Motorradfahrerinnen und -fahrer das Auto. Das Blech
schützt, schränkt aber eben auch ein: Man ist weniger wendig und bekommt
weniger frische Luft. Kein Wunder, dass manche Autofahrer aus diesem Käfig
gerne mal ausbrechen und auf ein motorisiertes Zweirad wechseln würden. Aber
der Gesetzgeber hat da eine Hürde aufgebaut: Um ein Motorrad zu fahren, braucht
man die entsprechende Fahrerlaubnis – bisher.

Offenbar
soll das nicht mehr lange gelten.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) möchte
die Klasse der sogenannten Leichtkrafträder für Autofahrer und -fahrerinnen ab 25
Jahren freigeben. Ein paar Übungsstunden – auch auf Privatgelände, also nicht im
Straßenverkehr – sollen für eine entsprechende Ergänzung im Autoführerschein
reichen. Eine Prüfung wäre nicht länger vorgeschrieben.

Verkehrsexperten
halten das für eine gefährliche Idee. Denn auch jene Kraftradklasse, für die
bislang der Führerschein A1 notwendig ist, sollte man nicht unter die Kategorie
Spielzeug einordnen. 15 PS Leistung mögen vielleicht, im Vergleich zu aktuellen
Rennmaschinen mit 180 PS Leistung oder mehr, leicht beherrschbar wirken – aber
das sind sie eben nicht. Der Umgang mit ihnen will gelernt sein.

Denn
die PS-Zahl sagt nur wenig über das Potenzial eines Zweirads aus. Eine kleine leichte KTM oder Suzuki beschleunigt so schnell von der Ampel weg wie ein
Sportwagen, entwickelt im Stadtverkehr eine unglaubliche Wendigkeit und
verführt zu Manövern, die jenseits der Vernunft liegen, jenseits der
Straßenverkehrsordnung sowieso.

Sechs Übungsstunden sind zu wenig

Auf
der kurvigen Landstraße verhält sich ein Einspurfahrzeug komplett anders als
ein Automobil, schon mit zehn PS geraten Ungeübte schnell in den Straßengraben
oder den Gegenverkehr. Eine feuchte, gar nasse Fahrbahn benötigt auf einem
Motorrad – unabhängig von dessen Motorleistung – deutlich mehr Konzentration
als in einem Auto, in dem ein elektronisches Stabilitätsprogramm hilft.
Unregelmäßigkeiten auf der Fahrbahn können auf einem Motorrad zum Sturz
führen, selbst wenn die Fahrerin sie beachtet. Auch der sogenannte siebte Sinn
des Bikers, also dass er mögliches Fehlverhalten von Autofahrern vorausahnt,
muss erlernt werden.

All diese
Fähigkeiten zu vermitteln – und auch die Reife, ein Motorrad zu bewegen –
ist bislang Aufgabe des Fahrlehrers oder der Fahrlehrerin. Dafür sind sechs Übungsstunden abseits des Verkehrs zu wenig. Das
ist umso entscheidender, weil reine Blechschäden bei Motorrädern selten sind:
Wenn es kracht, geht das fast immer mit Verletzungen einher, viel zu oft auch
mit tödlichen. Und zwar völlig unabhängig davon, ob die Maschine nun 15 oder 150 PS
hat. 

Man wolle mehr Mobilität auf dem Land ermöglichen, hieß es zu der geplanten Änderung aus dem Ministerium. Das
ist eine durchaus ehrenhafte Motivation. Aber: Auf Kosten der Sicherheit – für die
Fahrerin selbst, aber auch für ihre Mitfahrer und andere Verkehrsteilnehmer –
darf diese Mobilität nicht gehen.

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