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Fridays for Future: Die Zeit des Belächelns ist vorbei

Im Innenhof des Autonomen Zentrums in Köln ist es heiß und stickig. Trotzdem hat sich am Montagnachmittag eine Gruppe von 35 Jugendlichen hier eingefunden: Marvin ist zum ersten Mal hier, Carlos sitzt im Einkaufswagen, Max
findet Zugfahren cool und Leonie hat Bock aufs Wochenende.

Was hier gerade geplant wird, ist allerdings nicht die nächste Party, sondern eine der größten Aktionen in der noch jungen Geschichte der Kölner Ortsgruppe von Fridays for Future (FFF). Mehrere Klimabündnisse wollen am Fronleichnamswochenende im Rheinischen Braunkohlerevier gegen die Kohleverstromung protestieren und auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam machen. Die Kölner hoffen, mit rund 1.000 Menschen an dem Sternmarsch teilnehmen zu können, der sich am Freitag aus drei Richtungen auf das Aachener Fußballstadion zubewegen wird, wo die Abschlusskundgebung stattfinden soll.

Insgesamt erwarten allein die Schülerinnen und Schüler bis zu 20.000 Teilnehmer aus 16 Ländern. Zum ersten Mal wurde international für den Protest in Deutschland mobilisiert. Schlafplätze gibt es in einem leer stehenden Parkhaus. Zwei Sonderzüge sind gebucht, mehrere Reisebusse rollen in die altehrwürdige Stadt im Dreiländereck, wo ein paar Kilometer entfernt ohne Pause die größte CO2-Quelle Europas sprudelt: Drei Tagebaue und vier Kraftwerke betreibt der Essener Energiekonzern RWE im Rheinischen Braunkohlerevier, das seit dem Kampf um den Hambacher Wald auch international ins Bewusstsein gerückt ist. Spätestens seitdem ist RWE in den Augen der Klimaaktivisten so etwas wie der Erzfeind.

“Der Protest findet an einem symbolträchtigen Ort statt”, sagt Jana Boltersdorf, eine der Kölner FFF-Sprecherinnen. “Für uns wird das eine sehr große Sache. Und natürlich hoffen wir, dass wir an diesem Tag so viele Menschen wie möglich erreichen.” Boltersdorf, 17 Jahre, elfte Klasse, kurz vor dem G8-Abi, ist von Beginn an dabei. Vor fast genau sechs Monaten, am 14. Dezember 2018, setzte sie sich zusammen mit 50 anderen Schülerinnen und Schülern erstmals vor das Kölner Rathaus, um nach dem Vorbild der Schwedin Greta Thunberg auf die brisante Lage des Weltklimas aufmerksam zu machen. “Wir haben klein angefangen, und jetzt sind wir groß. An uns führt kein Weg mehr vorbei.”

Es wird gewackelt

Mehrere Stunden tagt das Vorbereitungsplenum im Autonomen Zentrum. Wer fährt am Freitag wann wohin? Sollen die Kölner ein Erkennungszeichen tragen? Soll das Antikapitalismusbanner wieder das Fronttransparent bilden oder schreckt man damit ab? Diszipliniert führt die Moderatorin durch die Agenda. Die Diskussionskultur verblüfft. Wer einem Argument zustimmt, streckt schweigend die Arme hoch und wackelt mit den Händen. Wer dagegen ist, nimmt die Arme runter und wackelt. Gewackelt wird sehr häufig an diesem frühen Abend.

FFF hat das Leben vieler Schüler fundamental verändert. Neben Boltersdorf sitzt Pauline Brünger auf dem Boden. Auch sie ist 17 Jahre alt und besucht die elfte Klasse eines Kölner Gymnasiums. “Ich habe gemerkt, dass die Klimafrage und der Kampf für die Zukunft des Planeten für mich wichtig sind. Ich lerne hier oft mehr als in der Schule.”

Für Organisatoren wie Boltersdorf und Brünger ist FFF ein Fulltime-Job, der neben der Schule läuft. Mehr als 500 Ortsgruppen sind bundesweit gemeldet, jede agiert dezentral. Die Strukturen haben sich innerhalb kurzer Zeit professionalisiert. Jede Ortsgruppe besteht aus mehreren Arbeitsgruppen: unter anderem Finanzen, Social Media, Mobilisierung, Presse, ziviler Ungehorsam. Sollte es Debattenbedarf zur ideologischen Ausrichtung geben, tritt die AG Theorie zusammen. Die Schüler verständigen sich über Messenger-Gruppen. Entschieden wird basisdemokratisch und nach Konsensprinzip. Die Reaktionszeiten sind kurz. So manche Partei dürfte da staunen.

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