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Wohnungspolitik: Kleiner Kompromiss

Wird Wohnen jetzt noch teurer? Am Wochenende haben sich die
Koalitionsspitzen auf einen Kompromiss zur Reform der Grundsteuer verständigt. Noch vor der
Sommerpause soll ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht werden.

Die Grundsteuer muss jeder zahlen, der in Deutschland ein Haus oder eine Wohnung besitzt. Sie
orientiert sich bislang am Wert einer Immobilie und kann – deshalb ist das Thema politisch
besonders heikel – auf die Mieter umgelegt werden. Eine Neuregelung wurde notwendig, weil bei
der Berechnung der Steuerhöhe auf Werte zurückgegriffen wird, die zum Teil seit mehr als einem
halben Jahrhundert nicht mehr angepasst wurden. Das hatte das Bundesverfassungsgericht
bemängelt und eine Neuregelung bis Jahresende angemahnt. Die Einigung sieht nun vor, dass der
Immobilienwert künftig anhand von Merkmalen wie Wohnungsfläche, Baujahr und Wert von Grund und
Boden berechnet wird, auf dem das Haus oder die Wohnung steht. Dieser Betrag wird dann mit
einem Faktor multipliziert, den die Kommunen individuell festlegen – das ist der sogenannte
Hebesatz.

Weil aber vor allem in den Städten die Grundstückspreise heute deutlich höher sind als vor
zehn oder zwanzig Jahren, würde die Steuerbelastung für Immobilienbesitzer stark steigen.
Deshalb sollen die Kommunen die Hebesätze senken, damit das Steueraufkommen insgesamt mit rund
14 Milliarden Euro im Jahr ungefähr genauso hoch bleibt wie vor der Reform.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte, dass dieses in seinem Haus entwickelte Modell
deutschlandweit gilt. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen. Im Grundgesetz soll
festgehalten werden, dass die Bundesländer eigene Modelle anwenden dürfen. Darauf hatte vor
allem Bayern gedrängt. Die bayerische Staatsregierung will die Grundsteuer allein auf Basis
der Grundstücksfläche berechnen, der Wert des Grundstücks soll dagegen keine Rolle spielen. Es
ist damit für den Fiskus egal, ob eine Wohnung in München-Schwabing liegt oder in der
fränkischen Provinz.

Was bedeutet diese Einigung nun für Immobilienbesitzer und Mieter? Die Höhe der Grundsteuer
wird, weil eine deutschlandweite Regierung fehlt, zunächst einmal vom Wohnort abhängen. Das
ist aber im Prinzip nicht neu, weil die Hebesätze der Kommunen sich heute schon stark
unterscheiden. Die Grundsteuer ist für die Städte und Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle,
deshalb ist es bislang nicht zu einem ruinösen Steuerwettlauf nach unten gekommen, und daran
wird sich wahrscheinlich auch durch die Neuregelung nichts ändern. Man muss also keine allzu
große Angst davor haben, dass der steuerpolitische Flickenteppich nun noch ein wenig
unübersichtlicher wird.

Dass die Neuregelung im Vergleich mit dem Status quo zu einer deutlichen Mehrbelastung von
Wohnungseigentümern und Mietern führt (wovor einige Immobilienverbände gewarnt hatten), ist
theoretisch denkbar, in der Praxis aber ebenfalls unwahrscheinlich. Im Modell von Scholz
werden die Immobilien zwar zunächst höher bewertet. Das geht auch nicht anders, weil das
Bundesverfassungsgericht ja eine Anpassung der Bewertungsmaßstäbe an die tatsächlich am Markt
gezahlten Preise gefordert hatte. Um das zu verhindern, hätte Scholz ebenso wie die Bayern
darauf verzichten müssen, den Grundstückswert für die Berechnung der Steuerlast heranzuziehen.
Für den sozialdemokratischen Finanzminister war es aber wichtig, dass eine Luxuswohnung in
Berlin-Mitte höher besteuert wird als ein Reihenhaus in Brandenburg.

Aber wenn die Kommunen, wie von der Bundesregierung geplant, ihre Hebesätze anpassen, dann
dürfte sich die Steuerbelastung insgesamt nicht wesentlich verändern. Die entscheidende Frage
ist damit, ob es zu einer solchen Anpassung kommt. Scholz kann die Städte und Gemeinden dazu
nicht zwingen, aber es ist davon auszugehen, dass ein Bürgermeister oder Stadtrat sich bei
seinen Wählern nicht beliebt macht, wenn er auf Kosten der Immobilienbesitzer und Mieter
seinen Haushalt saniert. Die Kommunalverbände haben bereits angekündigt, dass sie reagieren
werden.

Weil die kommunalen Hebesätze immer für ganze Gemeinden und nicht für einzelne Viertel oder
Straßenzüge gelten, kann es zwar dazu kommen, dass sich die Wertveränderungen durch die
Anpassung dieser Sätze nicht immer komplett kompensieren lassen. Es wird also Hausbesitzer
geben, die mehr bezahlen – und solche die weniger stark belastet werden. Dieses Phänomen wird
jedoch vermutlich auf Einzelfälle beschränkt bleiben.

Auf innovative Ansätze wie die von vielen Wissenschaftlern vorgeschlagene reine Steuer auf
den Bodenwert konnte sich die Koalition nicht verständigen. Es ist aber gelungen, sich
innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist zu einigen. Die Grundsteuer muss daher nicht
abgeschafft werden. Immerhin.

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