/Tatverdächtiger Stephan E.: Aufgefallen als Einzeltäter und Szenemitglied

Tatverdächtiger Stephan E.: Aufgefallen als Einzeltäter und Szenemitglied

Der CDU-Politiker und Regierungspräsident von Kassel, Walter Lübcke, starb durch einen einzelnen Schuss. Aber ein Zeuge hörte, wie zwanzig Minuten darauf gleich zwei Fahrzeuge in “aggressiver Manier” durch den kleinen Ort Wolfhagen-Istha fuhren, an dem sich die Tat ereignet hatte. Ganz so, als hätten die beiden Fahrer sich verfahren, so war sein Eindruck. Über diese öffentlich bisher unbekannte Zeugenaussage berichteten am Dienstagabend die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR.

Dem Bericht zufolge halten die Ermittler es deshalb für möglich, dass der am Wochenende festgenommene Tatverdächtige Stephan E. einen Mitwisser oder Komplizen hatte. Auf Stephan E. deuten dabei zwei Spuren: Am Tatort wurde seine DNA aufgefunden. Und eines der beiden Fahrzeuge konnte seiner Ehefrau zugeordnet werden, wie die Süddeutsche berichtet.

E.s möglicher Mittäter ist bisher allerdings offenbar noch nicht identifiziert. Entsprechend schwer ist die Nachricht einzuschätzen. Stellt sich der Politikermord am Ende als Attentat eines rechtsterroristischen Duos heraus? Gibt es eine militante Zelle, zu der Stephan E. gehört? Oder ist Stephan E. doch ein sogenannter einsamer Wolf und der Zeuge hat sich geirrt? Möglich ist auch, dass sich die Spur wieder zerschlägt.

Was sich über Stephan E. sagen lässt, ist, dass er zumindest zeitweise eng eingebunden war in ein loses, aber umfassendes rechtsextremistisches Netzwerk, das praktisch das gesamte Land überspannte.

Die Szene, in der E. vor knapp 20 Jahren in Kassel erstmals auffällig wird, war übersichtlich, aber dicht geknüpft. So beschrieb es jedenfalls der ehemalige Neonazi Oliver Podjaski vor dem hessischen Untersuchungsausschuss zu den Taten der Rechtsterroristen des NSU. Podjaski, Ex-Sänger der Kasseler Rechtsrockband Hauptkampflinie, ist vor Jahren aus der Szene ausgestiegen. Den Zirkel, aus dem er sich gelöst hat, charakterisierte er vor dem Parlamentsgremium als überschaubaren Kreis, in dem man sich allerdings kannte – und der gewaltbereit gewesen sei. Eine Kameradin habe ihn einmal verwundert gefragt: “Wie, ihr kocht nicht?”, und den Umgang mit Sprengstoff gemeint, erzählte der frühere Rechtsrocker den Abgeordneten. Wenn es um Waffen in der rechten Szene gegangen sei, habe die Devise “Handy aus, Akku raus” gegolten, um nicht abgehört zu werden. Und es sei immer mal wieder um Waffen gegangen, berichtete Podjaski damals.

“Gewalt gab es allenthalben”, sagt Podjaski heute, innerhalb der Szene und gegenüber Außenstehenden. In der Szene habe es “viele potenzielle Totschläger” gegeben, es sei eher ein Zufall gewesen, dass niemand zu Tode gekommen sei. An Stephan E. persönlich könne er sich allerdings nicht erinnern, sagte Podjaski ZEIT ONLINE.

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