/Hans-Jürgen Tritschoks: “Es ist schneller und intensiver geworden”

Hans-Jürgen Tritschoks: “Es ist schneller und intensiver geworden”

Hans-Jürgen Tritschoks war von 2004 bis 2008 Trainer des 1. FFC Frankfurt und wurde Deutscher Meister 2005, 2007, 2008 und Pokalsieger 2007 und 2008. Außerdem gewann er 2006 und 2008 die Europa League. Mit dem FFC Brauweiler gewann er 1997 die Meisterschaft und den DFB-Pokal. Heute lehrt der promovierte Sportmediziner an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

ZEIT ONLINE: Herr Tritschoks, ist es eigentlich sinnvoll, Männer- und Frauenfußball zu vergleichen?

Hans-Jürgen Tritschoks: Nein. In anderen Sportarten wie im Tennis, Skifahren oder Schwimmen, käme man gar nicht auf die Idee.

ZEIT ONLINE: Warum dann im Fußball?

Tritschoks: Weil wir eine Fußballnation sind. Fußball, also Männerfußball, ist die dominante Sportart, Es gibt 80 Millionen Bundestrainer, Fußball ist Small-Talk-Thema, Fußball ist überall. Das führt dazu, dass wir Schablonen im Kopf haben. Meist von den tollen Spielen, zum Beispiel aus der Champions League, Liverpool gegen Barcelona. Wer dann Frauenfußball schaut, sagt sofort: Das Spiel ist langsamer. Das stimmt auch. Aber zähe Spiele gab es bei der Männer-WM 2018 in Russland auch.

ZEIT ONLINE: Dann lassen Sie uns, unsinnigerweise, doch einfach mal vergleichen. Wie viel langsamer ist das Spiel denn?

Tritschoks: Die Unterschiede sind schlicht physiologisch bedingt. Eine erwachsene Frau hat etwa zwei Drittel der Maximalkraft eines Mannes. Das spiegelt sich dann im konditionellen Bereich, also der Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit wider. Die durchschnittliche Laufstrecke einer Feldspielerin liegt bei 10,5 Kilometern pro Spiel, bei einem Mann bei etwa 11,1. Die Toplaufwerte sind bei den Frauen 12,5 und bei den Männern 13,7 Kilometer. Die Topspeedwerte beim Sprinten sind 35,3 Stundenkilometer bei den Männern, bei den Frauen 30. Im Schnellkraftbereich haben Frauen immerhin bis zu 87 Prozent der Leistungsfähigkeit von Männern.

ZEIT ONLINE: Wie war das früher?

Tritschoks: Das Spiel ist schneller geworden, intensiver. Mittlerweile sieht man direkte Spielverlagerungen von einer Seite auf die andere. Das war früher nur über mehrere Stationen machbar, weil die Kraft noch gefehlt hat. Es gibt gar keine so riesigen Unterschiede mehr, zumal die Kondition nur eine Teilkomponente des Sports ist.

ZEIT ONLINE: Die anderen sind?

Tritschoks: Technik und Taktik. Taktisch sehe ich keine großen Unterschiede, manche Frauen spielen mit Dreierkette, manche mit Viererkette, mittlerweile werden auch bei den Frauen Systeme während des Spiels umgestellt. Natürlich passieren auch mal Fehler, wie bei den Männern auch. Technisch haben die Spielerinnen mittlerweile eine viel größere Ballsicherheit, eine größere Passschärfe, das hat sich sehr verbessert in den vergangenen Jahren. Was zum Beispiel Passquoten angeht, also wie viele Pässe gespielt werden oder ankommen, gibt es keinen signifikanten Unterschied.

ZEIT ONLINE: Wo kam dieser Entwicklungsschritt her?

Tritschoks: Das hängt auch damit zusammen, dass verstärkt unter professionellen Bedingungen gearbeitet wird. Sie können davon ausgehen, dass eine Frauenbundesligamannschaft genauso viel trainiert wie eine Herrenbundesligamannschaft. Vielleicht sogar noch mehr. Und der Pool an Spielerinnen wurde größer, das führt fast automatisch zu einem höheren Niveau.

ZEIT ONLINE: Halten wir fest: Das Spiel der Frauen ist einen Tick langsamer. Das war’s.

Tritschoks: Körperliche Nachteile haben Frauen in allen Sportarten. Selbst Steffi Graf wäre zu ihrer besten Zeit als Nummer eins der Weltrangliste nicht unter den besten 100 der Männer gelandet. Aber das hat uns nicht gestört, das Spiel von Steffi Graf war einfach schön. Selbst heute noch würde die Frauennationalmannschaft gegen eine B-Junioren-Bundesligamannschaft Schwierigkeiten haben. Oder gegen einen Landesligisten im Amateurbereich. Aber das ist im Grunde genommen egal.

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