/Wortschatz: Herr Tripolina, wie reagieren Sie auf Angeber?

Wortschatz: Herr Tripolina, wie reagieren Sie auf Angeber?

DIE ZEIT:
Herr Tripolina, Sie haben ein Wörterbuch für Angeber geschrieben, wählten aber als
Autorennamen ein Pseudonym. Warum so klandestin?

David Tripolina:
Ich pflege einen arkanen Nimbus. Mir reicht es, wenn ich allein mein Œuvre überblicke.

ZEIT:
Sind Sie denn so scheu?

Tripolina:
Wenn Sie mit dieser Frage insinuieren, Sie könnten wegen meines Pseudonyms meine
Persönlichkeitsstruktur extrapolieren, muss ich Sie enttäuschen. Tatsächlich pflege ich als
Autor eine unprätentiöse Attitüde.

ZEIT:
Mich überrascht schon, dass ausgerechnet jemand, der sich vor der Öffentlichkeit
versteckt, ein Angeberbuch schreibt.

Tripolina:
In intimen Kreisen gebe ich gerne den Connaisseur von Welt, der manchmal
gönnerhaft-blasiert, dann wieder sophistisch-affektiert parlierend in elaboriertem Gestus
leichtfüßig offenbart, dass er einer gebildeten Schicht angehört.

ZEIT:
Wie kam Ihre Affinität zum Angebertum zustande? Es wäre desiderabel, wenn Sie uns
verraten könnten, ob Sie tatsächlich einer sind oder ob Sie bloß angeberisch das
Scheingefecht suchen.

Tripolina:
Ich möchte nicht verhehlen, dass ich gelegentlich ostentativ nuanciert
kommuniziere. Doch ich bemühe mich, die Grenze zum Parvenü nie zu überschreiten.

ZEIT:
Ihre Leser erfahren, wie man “translozieren” verwenden, was für absonderliche
Ostwörter es gibt (“Erdmöbel”, “brettsegeln”, “Winkelement”, “geflügelte Jahresendfigur”)
oder was für einen Unterschied es macht, wenn man mit einem Dekubitus zum Arzt geht statt
mit einem Druckgeschwür. Was ist Ihr liebstes Angeberwort?

Tripolina:
Ich mag das Wort “antichambrieren”, wenn man sich um jemandes Gunst bemüht. Das
kommt vom französischen Wort für Vorzimmer. Hier musste früher insbesondere in Königshäusern
für ein Anliegen vorgesprochen und geworben werden.

ZEIT:
Hand aufs Herz, ist es Ihnen nie passiert, dass Sie im Englischen von Oldtimer oder
Showmaster gesprochen haben? Das sind “falsche Freunde” – Wörter, vor denen Sie warnen, denn
sie existieren so im Englischen gar nicht.

Tripolina:
Laut meiner angeblichen Biografie bin ich New Yorker Psychotherapeut. Da würden
mir falsche Anglizismen sicher nicht passieren. Höchstens vergesse ich die Binnenmajuskel in
dem Wort McDonald’s.

ZEIT:
Wie reagieren Sie auf Menschen, die Ihnen angeberisch gegenübertreten?

Tripolina:
Ich bewahre die Contenance, obwohl mich derlei Impertinenz embetiert. Wenn Sie
verstehen, was ich meine …

ZEIT:
Lassen Sie mich bitte schnell nachschauen, was “embetieren” bedeutet! Aber vielleicht
wissen Sie selbst das ja auch nicht so genau?

Tripolina:
Puh, da hab ich jetzt auch schnell nachschauen müssen. Es kommt vom
französischen
embêter,
für langweilen. Dies wurde hergeleitet von
bête,
für Tier, was früher als Schimpfwort verwendet wurde.

ZEIT:
Ist Ihr Buch eine Warnung vor den Angebern, oder bietet es Hilfe zur Selbsthilfe, um
einer zu werden?

Tripolina:
Wertvolle Hilfestellung! Eloquenz ist etwas, was man mit Geld nicht kaufen kann:
die machtvollste Waffe, die uns die Kulturgeschichte geschenkt hat – aus Hunderttausenden
Wörtern die treffendsten zu wählen.

ZEIT:
Ihr Werk ist ja mehr als ein Wörterbuch. Mit Fehlerlisten machen Sie sich zusätzlich
über diejenigen lustig, die Angeberwörter
falsch
verwenden. Soll ich Ihnen
verraten, wo im Buch Sie mit dem Dativ ins Schleudern geraten sind?

Tripolina:
Ich ahnte, dass Sie die Grammatik meines Buches argusäugig sezieren werden. Ich
hätte Ihnen die generöse Noblesse gegönnt, darüber großzügig hinwegzusehen.

ZEIT:
Was ich hiermit tue, indem ich den Mantel des Schweigens über dem Absatz zum “Voyeur”
ausbreite. Verraten Sie mir dafür, was einen Angeber von einem Menschen unterscheidet, der
erfolgreich seinen Minderwertigkeitskomplex kaschiert?

Tripolina:
Wenn man so selbstironisch ist, sich ein Buch mit dem Titel
Angeberwortschatz
zu kaufen, dann spricht das doch wohl eher für ausgeprägten
Humor als für einen schnöden Minderwertigkeitskomplex. Ich denke, mein Werk ist eine
wertvolle Investition, um den eigenen Freundeskreis mit überraschenden und seltenen Wörtern
zu entzücken.

David Tripolina: Angeberwortschatz – Begriffe, mit denen du Eindruck schinden kannst. Riva Verlag, 208 S., 14,99 €

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