/Sprachassistenten: “Wir sollten Ermittlungsbefugnisse eher einschränken als ausweiten”

Sprachassistenten: “Wir sollten Ermittlungsbefugnisse eher einschränken als ausweiten”

Die Sicherheitsbehörden sollen künftig smarte Lautsprecher oder vernetzte Kühlschränke abhören dürfen. Diese Meldung kursierte in der vergangenen Woche. Sie basierte auf einer Beschlussvorlage der Innenminister, die diese auf der zurzeit stattfindenden Innenministerkonferenz in Kiel besprechen wollen. Zwar ist ein “Alexa-Abhörgesetz” anscheinend in dieser Form nicht geplant. Trotzdem haben Behörden auch heute schon weitreichende Rechte. Doch was dürfen sie genau? Matthias Bäcker ist Professor für Öffentliches Recht, Informationsrecht und Datenschutzrecht an der Universität Mainz und beschäftigt sich mit Big Data und Datenschutz. ZEIT ONLINE hat mit ihm gesprochen.

ZEIT ONLINE: Herr Bäcker, aktuell diskutieren die Innenminister darüber, ob Ermittlerinnen und Ermittler auf die Daten von Smart-Home-Geräten wie Amazon Echo oder Google Home zugreifen dürfen. Was würde sich dadurch ändern?

Matthias Bäcker: Mir ist ehrlich gesagt vollkommen unklar, was die Minister mit der Beschlussvorlage genau verfolgen. Die Behörden dürfen doch jetzt schon alles, ich sehe keinen akuten politischen Handlungsbedarf.

ZEIT ONLINE: Warum nicht?

Bäcker: Weil die Behörden die Daten von komplexen vernetzten Informationssystemen schon auslesen dürfen. Dazu gehören übrigens nicht nur Geräte wie Amazon Echo oder Google Home, sondern auch Smartphones und Navigationsgeräte in Autos.

ZEIT ONLINE: Wann dürfen die Behörden auf meine Geräte zugreifen?

Bäcker: Für eine Wohnungsdurchsuchung reicht der Verdacht einer beliebigen Straftat oder sogar schon eine Ordnungswidrigkeit, dann dürfen die Behörden Gegenstände mitnehmen und auswerten. Theoretisch dürfen Ermittler also Ihre Wohnung durchsuchen, wenn Sie falsch geparkt haben und ein Knöllchen erhalten sollen – obwohl das normalerweise unverhältnismäßig wäre. Anders ist es bei verdeckten Maßnahmen wie Telekommunikationsüberwachungen oder Onlinedurchsuchungen. Damit solche Maßnahmen rechtlich zulässig sind, muss ein schwerwiegender Verdacht von sogenannten Katalogstraftaten vorliegen.

ZEIT ONLINE: Was denn für ein Verdacht?

Bäcker: Etwa auf Mord oder auf das Gründen einer terroristischen Vereinigung. Die rechtlichen Voraussetzungen hängen vom jeweiligen Smart-Home-Gegenstand ab, der überwacht wird, und davon, wie genau die Überwachung technisch abläuft.

ZEIT ONLINE: Wie können Behörden denn überhaupt auf Smart-Home-Geräte zugreifen?

Matthias Bäcker ist Experte für Datenschutz- und Informationsrecht.

Matthias Bäcker ist Experte für Datenschutz- und Informationsrecht.
© Karlsruher Institut für Technologie

Bäcker: Nehmen wir das Beispiel des smarten Lautsprechers Echo. Bei einer Hausdurchsuchung können Ermittler ihn einfach beschlagnahmen und die Daten auswerten, die sich darauf befinden. Ein weiteres Mittel ist die Onlinedurchsuchung: Dabei dürfen sie das Gerät hacken, sodass es dauerhaft mithört und ihnen die gewünschten Daten liefert. Hierfür bestehen besonders strenge Vorgaben, man muss schon äußerst schwere Straftaten verfolgen oder existenzielle Gefahren abwehren. Eine dritte Zugriffsmöglichkeit ist die Telekommunikationsüberwachung, die weniger streng reguliert ist. Dabei wird der Datenverkehr zwischen Gerät und Server mitgeschnitten, also etwa zwischen Echo und den Amazon-Servern. Wenn Ermittlungsbehörden den laufenden Betrieb von Echo heimlich mitschneiden, das Gerät also als Wanze nutzen, gelangen sie dann aber womöglich in den Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung. Dieser ist wieder so streng reguliert wie die Onlineüberwachung.

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