/“Murder Mystery”: Morde zum Chillen

“Murder Mystery”: Morde zum Chillen

Eines ist von vornherein klar: Ein
Film mit dem Titel Murder Mystery hat es nicht darauf angelegt, mit
Originalität zu punkten. Im Gegenteil, ein solcher Titel will den Zuschauer in
Sicherheit wiegen, ihm zu verstehen geben, dass hier etwas nach bewährten
Genrerezepten zusammengestellt wurde und keine wilden, unbekannten Zutaten zu
befürchten sind. Wie Spaghetti mit Tomatensoße: Da weiß man, was man hat, und
es macht satt. Das perfekte Menü für einen gemütlichen Fernsehabend, dessen
Übersetzung ins Englische heutzutage bekanntlich Netflix and chill
lautet.

Die Netflixproduktion Murder
Mystery
dafür zu kritisieren, dass sie sich bei allen möglichen Genrevorbildern
von Mord im Orientexpress bis zu Mord ist ihr Hobby
bedient, ist also in etwa so, wie der Tomatensoße übel zu nehmen, dass Tomaten
drin sind.

Harmlos und hauptverdächtig

Die Ausgangsidee zu Murder Mystery – der Drehbuchschreiber James Vanderbilt macht daraus gar keinen Hehl – ist so simpel wie schlagend: Was wäre, wenn Jennifer Aniston und Adam Sandler
sich als grundsolides amerikanisches Ehepaar auf einmal in einer jener mondänen
Agatha-Christie-Geschichten wiederfänden? Eben schlürfen sie noch als falsch
gekleidete Touristen Champagner im Kreise von hochnäsigen Adligen, raubeinigen
Generälen und windigen Erbschleichern, da geht plötzlich das Licht aus und einen Takt später liegt ein Fürstenpatriarch mit Messer in der Brust am
Boden. Wie es das Genre so will, finden sich die harmlosen Amerikaner plötzlich
in der Rolle der Hauptverdächtigen wieder.

Noch davor aber wird in einem
kurzweiligen Intro erst mal das Ehepaar Spitz vorgestellt, wohnhaft in Brooklyn
und seit 15 Jahren verheiratet. Anistons Figur der Audrey ist Frisörin und
spottet vor versammelter Runde von Kolleginnen und Kundinnen vorsorglich
darüber, was ihr der werte Gatte wohl zum Hochzeitstag schenken werde.
Vielleicht ja endlich die damals zum Honeymoon versprochene Reise nach Europa?
Wohl kaum! Sandlers Nick wägt unterdessen zwischen zwei Geschenkgutscheinen
eines Onlineversandhandels ab – 100 oder 50 Dollar? – und greift zu letzterem.
Schließlich hat der Polizist gerade zum dritten Mal die Prüfung verhauen, die
ihn zum Detective befördern würde. Dementsprechend knapp ist seine Kasse. Aber
dann macht er am Abend die falsche Anspielung, muss sich durch eine Lüge retten
– und prompt tritt das Ehepaar den lang versprochenen Flug ans Mittelmeer
an.         

Diese Einführung ist das reine
Vergnügen: Aniston und Sandler funktionieren so perfekt zusammen, dass man sich
beim Wunsch ertappt, es gäbe noch mehr Filme mit ihnen. Was in ihrer ersten Zusammenarbeit
vor acht Jahren, im Kaktusblüte-Remake Meine erfundene
Frau
, noch nicht so sichtbar war, haben die Jahre und eine gewisse
Lebenserfahrung zu einem wunderbaren Hin und Her zurechtgeschliffen. Aniston,
wie sie glamouröse Schönheit mit geradezu prolliger Bodenständigkeit verbindet
und glaubhaft die äußerst schlagfertige Brooklyner Frisörin gibt. Sandler, wie
er seine Ewige-Kindskopf-Persona mittels melancholischer Trägheit
vermenschlicht und mit der genau richtigen Dosis maskuliner Resignation
unterlegt.

Man nimmt ihren Figuren ab, dass sie sich auf die Nerven gehen,
genauso wie man ihnen abnimmt, dass sie sich mögen. Und dass ihre Charakterisierungen
ein bisschen zu stereotyp entlang der heteronormativen Männlich-weiblich-Schiene
geraten – sein Geschnarche, ihr Geschnatter – wird angenehm dadurch
konterkariert, dass in jeder Situation, in der es drauf ankommt, sich Sandler
willentlich, fast mit Verneigung, von der wunderbaren Comedienne Aniston die
Schau stehlen lässt.

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